Nun ist es also raus: Vor zwei Wochen warnte Ex-US-Präsident Donald Trump lautstark vor seiner Festnahme. Zu dieser ist es wie erwartet nicht gekommen, dafür ist nun die Anklageerhebung da. Es ist ein historischer Schritt, schließlich wurde noch nie ein ehemaliges US-Staatsoberhaupt angeklagt. Doch warum eigentlich? Und wie geht es nun weiter? DER STANDARD beantwortet die wichtigsten Fragen.

VIDEO: Trump und der Pornostar – darum geht es in der Schweigegeld-Affäre.
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Frage: Worum geht es überhaupt?

Antwort: Stephanie Clifford, als Pornodarstellerin unter dem Namen Stormy Daniels bekannt, gibt an, 2006 eine Sexaffäre mit Trump gehabt zu haben, was dieser bestreitet. Laut der heute 44-Jährigen lernten sich die beiden im Sommer 2006 bei einem Golfturnier-Wochenende am Lake Tahoe kennen und schliefen dort miteinander – nur wenige Monate nachdem Trumps Ehefrau Melania den gemeinsamen Sohn Barron auf die Welt gebracht hatte. Daniels behauptet, die beiden hätten auch danach über Monate Kontakt gehabt. Trump weist all das als "falsche und erpresserische Anschuldigungen" zurück.

Donald Trump will 2024 wieder hoch hinaus und zum zweiten Mal US-Präsident werden. Nun einmal muss er sich mit einer Anklage gegen ihn beschäftigen.
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Frage: Und wieso kommt es nun zu einer Anklage?

Antwort: Ganz genau ist das noch nicht bekannt, da die Anklageschrift erst veröffentlicht wird, wenn Trump vor dem Haftrichter steht. Doch sehr wahrscheinlich geht es um Schweigegeldzahlungen an Clifford von 130.000 US-Dollar und vermutlich auch eine Überweisung von 150.000 Dollar an Model Karen McDougal vor der US-Präsidentenwahl 2016, die Trump dann für sich entschied. Auch McDougal behauptet, mit Trump eine Affäre gehabt zu haben. CNN berichtet von insgesamt 34 Anklagepunkten.

Die Zahlungen an sich sind nicht illegal, angeklagt werden könnten aber eine Fälschung von Geschäftsdokumenten oder illegale Wahlkampffinanzierung. Die Zahlung soll nämlich aus Wahlkampfgeld finanziert worden sein. Trump und sein Anwalt Michael Cohen – der dafür mittlerweile selbst in Haft war und gegen seinen früheren Chef aussagt – sollen versucht haben, dies zu verschleiern. So wurde die Zahlung zuerst von Cohen getätigt und dann unter dem Titel "Anwaltskosten" abgerechnet. Die beiden Vorwürfe würden in diesem Fall auf die Fälschung von Unternehmensdokumenten sowie auf die Annahme einer illegalen Wahlkampfspende lauten.

Die Frage ist nun vermutlich, ob sich hier auch Trump strafbar gemacht hat. Als Präsident hatte er noch Immunität genossen. Cohen sagte, er habe auf Anweisung seines damaligen Klienten gehandelt. Trump hat die Zahlungen an Cohen öffentlich eingeräumt und argumentiert, die falschen Anschuldigungen hätten damit gestoppt werden sollen.

Frage: Wie kam es eigentlich zu der Anklage?

Antwort: Basierend auf Ermittlungen von Alvin Bragg, Bezirksstaatsanwalt von New York, hat ein Laiengremium, eine sogenannte Grand Jury, darüber abgestimmt, ob die von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Beweise für eine Anklageerhebung ausreichen. Die 23 Bürgerinnen und Bürger haben sich in geheimen Beratungen in diesem Fall für eine Anklage ausgesprochen.

Gegen Staatsanwalt Alvin Bragg gab es in den vergangenen Wochen Drohungen und andere Einschüchterungsversuche.
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Frage: Wie waren die Reaktionen auf die Anklage?

Anwort: Trump selbst bezeichnete die Ermittlungen als politisch motivierte "Hexenjagd". In einem Statement auf seinem Nachrichtendienst Truth Social nannte er sich "vollkommen unschuldig" und sprach von "politischer Verfolgung und Wahlfälschung in größtem geschichtlichem Ausmaß". Sein Sohn Donald Jr. drohte in einem Podcast den Gegnern seines Vaters mit dessen Anhängern: "Wartet nur, bis sie euch holen gehen – denn das werden sie tun!" Er fügte hinzu, die Anklage würde "Mao, Stalin und Pol Pot die Schamesröte ins Gesicht bringen".

Der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses Kevin McCarthy, warf Bragg vor, "unser Land in einem Versuch der Einmischung in unsere Präsidentschaftswahl irreparabel beschädigt" zu haben. Trumps einstiger Vizepräsident Mike Pence sagte zu "CNN": "Ich finde, das ist ein Skandal. Dies wird nur dazu dienen, dieses Land weiter zu spalten."

Der republikanische Gouverneur von Florida und potenzielle Präsidentschaftsbewerber Ron DeSantis erklärte, das Rechtssystem sei als Waffe eingesetzt worden, um eine "politische Agenda" voranzubringen. "Das ist un-amerikanisch", twitterte der innerparteiliche Trump-Rivale. Sollte die New Yorker Justiz einen Auslieferungsantrag für den in Florida lebenden Trump stellen, werde Florida keine Unterstützung leisten.

Clifford aka Stormy Daniels bedankte sich auf Twitter für die "Unterstützung und Liebe", die sie erfahren habe. "Mich erreichen so viele Nachrichten, ich kann nicht auf alle antworten", schrieb sie. Ihr Anwalt Clark Brewster sagte, es sei trotz allem ein trauriger Tag, da ein ehemaliger Präsident angeklagt worden sei. "Andererseits habe ich großen Respekt vor dem Verfahren und vor der Grand Jury, die sich die Beweise angesehen und eine Entscheidung getroffen hat", so Brewster.

Chuck Schumer, Demokrat und Mehrheitsführer im Senat, gab nur ein kurzes Statement ab: "Donald Trump unterliegt denselben Gesetzen wie jeder Amerikaner. Er wird sich auf das Rechtssystem berufen können, und eine Jury, nicht die Politik, wird sein Schicksal nach den Fakten und dem Gesetz entscheiden."

Stephanie Clifford aka Stormy Daniels bedankt sich für die "Unterstützung und Liebe".
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Frage: Wie geht es nun weiter?

Antwort: Die Staatsanwaltschaft hat Kontakt mit den Anwälten des Ex-Präsidenten aufgenommen, um die nächsten Schritte zu besprechen. US-Medien sehen Anzeichen dafür, dass sich Trump freiwillig stellen könnte. Eine spektakuläre Verhaftung durch das FBI in seiner Villa in Florida würde sich damit erübrigen.

Logistisch ist der Vorgang heikel, denn als ehemaliger Präsident steht Trump unter dem Schutz des Secret Service. Das Gericht und die Sicherheitskräfte müssen sich also irgendwie koordinieren. Als denkbar gilt derzeit, dass Trump Anfang nächster Woche vor dem Justizgebäude im Süden Manhattans vorfährt und sich stellt.

Drinnen müsste er dann seine Fingerabdrücke abgeben. Es würde ein Polizeifoto (der berüchtigte "Mug Shot") gemacht. Theoretisch könnten ihm Handschellen angelegt werden. Sein Anwalt Joe Tacopina erklärte jedoch, dass das nicht der Fall sein werde. Dann würde ihm die Anklageschrift verlesen. Da Trump kein Gewaltverbrechen zur Last gelegt wird und die Fluchtgefahr angesichts seiner Präsidentschaftskandidatur als gering gilt, wird der Milliardär anschließend bis zum Beginn des Verfahrens wohl nach Hause fliegen dürfen.

Ein Sprecher des Gerichts bestätigte gegenüber Medien, dass Trump am kommenden Dienstag zur Anhörung erscheinen werde.

Frage: Und danach?

Antwort: Sofern sich Trump nicht schuldig bekennen sollte, und das wird er nicht, müsste ein Richter als Nächstes ein Datum für einen Prozessbeginn festlegen. Vorher gibt es Anhörungen, in denen Trumps Anwälte versuchen könnten, eine Verzögerung zu erreichen oder den Prozess zum Platzen zu bringen. Der Prozess selbst könnte dann Monate oder gar Jahre dauern.

Während Kevin McCarthy dem Staatsanwalt das Leben mit Untersuchungsausschüssen und Vorladungen in den Kongress erschweren will, könnten gewaltbereite Trump-Anhänger zu anderen Mitteln greifen. Die derzeitige Rhetorik des Ex-Präsidenten erinnert an seine Tweets vom Jahreswechsel 2020/21, als er nach der verlorenen Wahl den Mob zum Sturm auf das Kapitol aufhetzte. Die Polizei in New York hat deshalb ihre Sicherheitsvorkehrungen verstärkt: Am Freitag sollen alle 36.000 Beamten der Millionenmetropole in Uniform zum Dienst erscheinen.

Frage: Welche Strafe droht Trump?

Antwort: Das kann ohne Anklageschrift noch nicht genau beantwortet werden. US-Beobachter vermuten aber, dass Trump eine Haftstrafe von bis zu vier Jahren drohen könnte – wobei unklar ist, ob eine Verurteilung in diesem Fall am Ende zu einer Haftstrafe führen würde.

Frage: Wie wahrscheinlich ist eine Verurteilung?

Antwort: Auch das ist schwer zu sagen. Man kann davon ausgehen, dass Staatsanwalt Bragg nur eine Anklage in diesem hochbrisanten Fall wagt, wenn er sich ganz sicher ist. Gleichzeitig wurde Kronzeuge Cohen selbst wegen Lügen vor dem US-Kongress verurteilt, was für seine Glaubwürdigkeit vor Gericht sicherlich nicht förderlich ist. Zudem gilt der Nachweis von Finanzbetrug und korruptem Verhalten als sehr schwierig.

Cohens Anwalt Lanny Davis erklärte aber CNN: "Viele Leute werden überrascht sein von dem Ausmaß und der Schwere der Beweise."

Frage: Welche Auswirkungen könnte das alles auf Trumps Pläne haben, bei der Präsidentschaftswahl 2024 wieder anzutreten?

Antwort: Schon im Vorfeld hat Trump erklärt, auch im Fall einer Anklage anzutreten. Politisch wird erwartet, dass sich Trump als Opfer darstellt, um weitere Anhänger und Anhängerinnen für sich zu gewinnen. Rechtlich dürfte Trump auch als verurteilter Straftäter antreten, wie Rechtsexpertinnen und Rechtsexperten erklärten.

Allerdings wird gegen Trump auch in einer ganzen Reihe weiterer Punkte ermittelt. So wird unter anderem seine Verstrickung in den Kapitolsturm von 2021 untersucht. Das könnte schon heikler für ihn werden, denn es sind laut Verfassung all jene von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen, die sich an einem Aufstand gegen die Regierung beteiligt haben.

Zudem ist in Georgia ein Verfahren wegen seines Versuchs anhängig, das dortige Wahlergebnis manipulieren zu lassen. Darüber hinaus geht ein Sonderermittler des Justizministeriums Vorwürfen nach, Trump habe strenggeheime Dokumente nach seiner Amtszeit bei sich zu Hause gehortet und auch nach Aufforderung der zuständigen Stellen bewusst nicht herausgegeben. Manche Rechtsexperten meinen, mit einer etwaigen Anklage dazu könnte sich Trump womöglich für das Präsidentenamt disqualifizieren. (Karl Doemens aus Washington, Kim Son Hoang, APA, 31.3.2023)