Freddy lernt in einer Bar die Kunstagentin Ema kennen (Frederick Lau, Maya Unger).

Foto: ORF/Lotus Film/Christian Anwander

Ema managt ihren Bruder (Simon Steinhorst), den Künstler – was kein einfacher Job ist.

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Turbulente Stadtkomödie "Der weiße Kobold" mit Zoe Straub (Tara Abramovic), Frederick Lau (Freddy), Lenny Winkler (Kevin), Maya Unger (Ema) – am Montag im ORF.

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Marvin Krens erste Komödie "Der weiße Kobold" feiert am Montag, den 3. April um 20.15 Uhr auf ORF 1 Premiere.

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Freddy (Frederick Lau) wagt mit Brigitte Kren ein nächtliches Tänzchen.

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So hat sich Freddy Sternthaler seinen Job bei der Speditionsfirma nicht vorgestellt: Bei der Fahrtenabrechnung entdeckt er Unregelmäßigkeiten und legt diese seinem Chef vor. Der bleibt nach außen hin gelassen und schickt Freddy erst einmal zum Zigarettenholen, bevor er sich um die Vertuschung des großangelegten Schmuggels kümmert. In der Bar lernt Freddy die flotte Ema (Maya Unger) kennen. Die ist selbst gerade auf Speed, weil Gangster hinter ihrem Bruder her sind. Der Künstler hat einen Berg Schulden bei den falschen Freunden, und eine ehrliche Haut wie den Freddy haut so etwas natürlich um: Ema radelt, Freddy rotiert.

Tempo, Turbulenzen und ein Tänzchen hält Marvin Kren in der "Stadtkomödie: Der weiße Kobold" am Montag im ORF bereit. Inspirieren ließ er sich von dem realen Wiener Künstler Martin Grandits, der mit Leberkässemmel-Bronzen, Hipster-Ritterhelmen und Bierdosen-Adventkranz humorig-kritische Kommentare zur Zeit schafft.

STANDARD: Wie kam es dazu?

Kren: Als ich seine Kunstwerke zum ersten Mal gesehen habe, war ich ehrlich humoristisch überrascht. Das ist so herrlich kindisch, aber doch unsere Gesellschaft aus unserer Generation heraus betrachtend. Martin ist eine große Inspiration für mich. Ich komme aus einem Künstlerhaushalt, deshalb war mir der Typus des Künstlers sehr vertraut. Ihn habe ich in Martin wieder gesehen – als eine Art Reminiszenz an die Geschöpfe aus meiner Kindheit.

STANDARD: Im Komödienfach waren Sie bisher weniger aktiv. Hatten Sie nach Zombies und Gangstern plötzlich Lust auf Spaß?

Kren: "Der weiße Kobold" ist retrospektiv betrachtet meine persönlichste und zurzeit auch meine liebste Arbeit. Die Idee dazu entstand in der Corona-Lockdown-Phase. Es waren ungewisse Zeiten, und meine Frau erinnerte mich an einen Film, den wir beide sehr lieben, an Martin Scorseses "After Hours" aus dem Jahr 1985, einen nächtlichen Streifzug durch den New Yorker Meat-District der 1980er-Jahre. Sie sagte: Mach doch eine Wiener Komödie. Da steckt alles drin, was auch dein Leben ist. Diesen Auftrag nahm ich gerne an. Die große Inspiration war, Wien bei Nacht darzustellen.

STANDARD: Ein Deutscher in Österreich – das ist offenbar immer wieder lustig. Warum eigentlich?

Kren: Weil wir Wiener und Deutsche zufällig die gleiche Sprache sprechen, vom kulturellen Background aber sehr verschieden und insbesondere in unserem Humor anders sind. Wir Österreicher sind einfach direkter in unserem Humor, gehen schneller unter die Gürtellinie, sind skurriler, schräger, absurder.

STANDARD: Die Charakterwelten in "Der weiße Kobold" klaffen möglichst weit auseinander – darin entsteht Humor. Haben Sie diese Gegensätzlichkeiten in der Auswahl der Charaktere vorher bemessen – zu jeder Pode die Antipode?

Kren: Ich bin freudig überrascht, dass Sie das so sehen, weil ich diese Gegensätze nicht bewusst angegangen bin. Aber sie entstehen wahrscheinlich in der Dialektik des kreativen Denkens und prallen aufeinander. Am Ende kriegt jeder, das er oder sie verdient.

STANDARD: Warum spielt Mutter Kren immer mit?

Kren: Ich bin meiner Mutter dafür dankbar, dass sie mich in dieses Metier gebracht hat. Als Kind war ich auf den Theaterprobebühnen immer dabei und habe festgestellt, je vertrauter dir ein Schauspieler, eine Schauspielerin ist, desto besser kannst du mit ihm arbeiten, desto mehr kannst du aus ihr rausholen. Das geht natürlich mit meiner Mutter am besten. Es gibt kaum einen Menschen, der mir so vertraut ist.

STANDARD: Wäre sie sehr enttäuscht, wenn Sie einmal sagen würden: Du, Mama, dieses Mal leider nicht?

Kren: Das ist durchaus schon passiert. Wir sehen das sportlich und haben einfach Spaß miteinander.

STANDARD: Ihr Anspruch auf Vertrautheit führt zu einem Überraschungsbesuch aus "4 Blocks". ACHTUNG! Wer sich vor Spoilern fürchtet, sollte die nächste Antwort überspringen. Wie kam es dazu?

Kren: Kida Khodr Ramadan ist seit "4 Blocks" in Deutschland ein richtiger Star. Er ist mir ein paar Gefallen schuldig.

STANDARD: Weil er Ihnen alles zu verdanken hat?

Kren: So weit würde ich nicht gehen. Wir sind einfach gute Freunde. Ich habe ihn gefragt, und er hat in seiner arabisch-deutschen Art sofort zugesagt: "Für dich mache ich alles, Bruder." Es ist nicht notwendig, aber es ist eine sehr charmante Szene.

STANDARD: Der 1970er-Charme, Witz und Tempo erinnern entfernt an "Die Puppe des Gangsters" – legendär Marcello Mastroianni als Stehkragen-Charlie und Sophia Loren als Gangsterbraut, die ihn schließlich gemeinsam mit Alain Delon austrickst. Der Film würde wahrscheinlich heutigen Ansprüchen im Hinblick auf Political Correctness nicht genügen. Spielt Political Correctness für Sie eine Rolle?

Kren: Das ist ein großes Thema, und es wird vonseiten der Produzenten und Sender sehr darauf geachtet. Das ist eine interessante Entwicklung, die ich selbst an mir beobachte: Vor fünf Jahren wäre vielleicht "Der weiße Kobold" viel derber geworden. Man bewegt sich in einen Konformismus hinein, ohne es zu bemerken. Vielleicht hat es aber auch mit meinem Alter zu tun. Jetzt bin ich Familienpapa, und die Art der Reizbarkeit ist eine ganz andere. Ich fühle auch nicht, dass ich mich habe beschneiden lassen. Vielleicht wurde mein Unbewusstes schon beeinflusst von diesem Zeitgeist.

STANDARD: Nicht zur Gänze, immerhin schimpft die Oma ihr Kind politisch nicht ganz korrekt "du Oaschloch", was in fünf oder zehn Jahren vielleicht schon total verpönt ist.

Kren: Kann sein, heute glaub' ich ganz fest daran, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer schallend loslachen, wenn die Oma ihr Enkelkind "Oaschloch" schimpft.

STANDARD: Wofür steht der weiße Kobold?

Kren: Der Film ist eine Erweckungsreise für die Hauptfigur. Der weiße Kobold steht für die Situation, in der man sich manchmal befindet, wenn die Straße im Leben nur geradeaus geht, ohne interessante Abzweigungen. Es gibt ein schönes ausdrucksvolles Bild, das zufällig entstanden ist und das mir erst im Nachhinein aufgefallen ist. Als Freddy den weißen Kobold zur Polizei bringt, gehen die beiden eine Sackgasse entlang, und das ist eine hervorragende Metapher: dass der Kobold Freddy aus dieser Sackgasse führt. So gesehen ist der Kobold ein Geist, das vergessene, schlimme, ungezähmte Kind, das wir mal waren und das nach neuen Abenteuern sucht, frech, lustig ist. Genau das gilt es am Leben zu erhalten.

STANDARD: Was machen Sie gegen die Zähmung Ihres Kobolds?

Kren: Ich mache Filme.

STANDARD: Aber speziell beim Filmen muss man sich an ganz viele Regeln halten.

Kren: Stimmt, aber es gibt immer auch den Moment des kreativen Schaffens. Sei es, einen bestimmten Satz zu schreiben, sei es, um jemanden zu treffen, sei es, um die Augen aufzuhalten.

STANDARD: Im Logistikzentrum einer Spedition zu arbeiten ist für einen ehrlichen Mitarbeiter kein Wohlfühljob. Welche Erfahrungen haben Sie mit Speditionsunternehmen?

Kren: Der Speditionsteil entstand aus der Biografie, die ich mir für Freddy überlegt habe. Er musste ein Mensch sein, der aus der Masse kommt, der im Dienstleistungssektor einen Every-Day-Job ausübt. Das kann eine Versicherung sein oder ein Handyanbieter, nur kenne ich mich mit diesen Branchen persönlich nicht aus. Aber ich kenne Speditionsfirmen, weil in meiner Kindheit die Väter aller meiner Kumpels Spediteure waren. Ich fand das spannend und habe zugehört, was die Väter so miteinander redeten. Für die Serie habe ich mir von einem Spediteur in Ruhestand an einem Nachmittag das Wesen der Spedition erklären lassen, also auch, wie man eine Linke drehen kann. So kam ich auf die Idee mit der falschen Fahrerkarte.

STANDARD: Welche Erfahrungen haben Sie mit der Kunstschickeria?

Kren: Ich komme aus einem Künstlerhaushalt, meine Großmutter Hildegard Absalon war eine große Künstlerin, meine Tante war Evelyn Oswald, mein Onkel der Kurt Kalb, beide tolle Galeristen, die letztlich die Wiener Gruppe gemacht, die Künstler mit Geld unterstützt haben, damit die in dieser wilden Zeit der Sechziger Kunst machen konnten. Mich interessierten die Dynamiken, wer entscheidet, wann ein Künstler groß wird und wann nicht. Der Prozess, ab wann Kunst eine Wertanlage wird, hat mittlerweile absolut perverse Dimensionen angenommen. Weil Kunst plötzlich kategorisiert wird in Wert und nicht mehr in Wirkung. Spannend und absurd.

STANDARD: Wird Martin Grandits Ihr Film nützen – dass sich die Community darauf einigt: Hier haben wir einen großen Künstler, den vermarkten wir jetzt und bringen ihn ganz groß raus?

Kren: Ich würde mich freuen, wenn Martin noch mehr ins Zentrum des Interesses gelangt. Er war für mich die Quelle meiner Inspiration und soll es für andere sein. Es wäre toll, wenn es passiert. Wir werden sehen.

STANDARD: Noch ein alter Bekannter taucht auf: Wie hat es Dieter Chmelar ins Bild geschafft?

Kren: Dieter Chmelar ist ein Freund der Familie. Ich wollte ihn eigentlich viel prominenter einsetzen, was sich aus dem Produktionsstress nicht so ergeben hat. Aber er kann durchaus rechnen, dass er in einer meiner zukünftigen Produktionen mehr Platz erhält. (Doris Priesching, 1.4.2023)

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