Frühjahrsmüdigkeit gibt's nicht bei Indie-Games – stattdessen einen bunten Strauß an bemerkenswerten Spielen aus ziemlich unterschiedlichen Richtungen. Erfreulicherweise waren diesmal auch eine Menge an schönen Releases für die diversen Konsolen mit dabei. Viel Spaß bei unserer Auswahl aus einem Berg, der jede Woche um etwa 200 neue Titel anwächst.
Storyteller
https://annapurnainteractive.com/en/games/storyteller
Windows, Nintendo Switch, ab 13,99 Euro
Ein Märchen erzählen ist einfach – oder? Man nehme ein paar typische Figuren, setze sie in altbekannte Szenen, und dann ergibt sich alles schon irgendwie von selbst. Im sehr originellen Erzählpuzzle "Storyteller" zumindest läuft das genauso ab. Unsere Aufgabe in jedem der 53 Rätsel ist es nun aber, die spezifisch verlangte Geschichte zu erzählen, etwa: "Die Königin heiratet zweimal." In einer vorgegebenen Anzahl von Szenen gilt es nun die verfügbaren Figuren und Szenen so zu kombinieren, dass es genau so kommt.
Klingt komplizierter, als es tatsächlich ist – nur schade, dass dieses wirklich faszinierende und auch in seiner Präsentation umwerfend witzige Einzelstück schon zu früh zu einem Ende kommt. Trotzdem absolut empfehlenswert.
Clash – Artifacts of Chaos
https://clash-artifacts-of-chaos.com/de-DE/
Windows, PS4/5, Xbox Series X/S, ab 29,99 Euro
Die Spiele der drei Brüder Andres, Carlos und Edmundo Bordeu aus Santiago de Chile sind etwas ganz Besonderes, von "Zeno Clash" über "Rock of Ages" bis hin zu "The Eternal Cylinder". Auch "Clash – Artifacts of Chaos" ist unverkennbar ein ACE-Team-Game: In einer surreal-fantastischen Welt sind wir als mächtiger Krieger Pseudo unterwegs und besiegen Wesen im Faustkampf, die aussehen, als hätte Muppets-Erfinder Jim Henson beim Studium der Altare von Hieronymus Bosch zu viel Stechapfeltee erwischt.
Haben wir schon erwähnt, dass unser Held ein spindeldürrer Muskelberg ist, dessen Glatzkopf ohne Nase, Ohren, Kinn und Haare ein bisschen nach Penis aussieht? Nicht vom Look verstören lassen: "Clash" ist ein herausforderndes, absolut gelungenes Actionspiel mit überraschend taktischem Beat-em-up-Kern und einer wirklich, wirklich außergewöhnlichen und sehenswerten Welt voller Charaktere, die weit sympathischer sind, als man annehmen könnte.
Saga of Sins
https://www.bonuslevel.com/games/saga-of-sins/
Windows, Mac, Linux, Nintendo Switch, PS4/5, Xbox Series X/S, ab 14,99 Euro
Nach "Pentiment" und "Inkulinati" das nächste Indie-Game, das sich von mittelalterlicher Kunst den Style abschaut, doch "Saga of Sins" ist spielerisch ganz woanders verortet als die beiden genannten. Das Game eines Münchner Entwicklerstudios nutzt seinen spektakulären Glasfensterscheiben-Stil, um ein recht umfangreiches Metroidvania mit Puzzle-Elementen und ein bisschen Rollenspiel zu präsentieren.
Die überraschend ambitionierte Story um eine mittelalterliche Stadt zu Zeiten der Pest führt uns in Form von insgesamt vier freispielbaren Kreaturen mit unterschiedlichen Fähigkeiten in die mentalen Innenwelten der Stadtbewohner, wo wir gegen personifizierte Todsünden kämpfen. "Saga of Sins" ist ein grundsolider Actionplattformer im sehr originellen Look – auch für jüngere Spielerinnen und Spieler absolut einen Blick wert.
Mortal Sin
https://www.mortalsingame.com/
Windows, Early Access 19,50 Euro
Noch einmal Sünde, diesmal allerdings ganz anders: Im First-Person-Slasher "Mortal Sin" geht's im markanten Grafikstil immer tiefer in zufallsgenerierte Dungeons voller Fallen, Monster und Schätze hinab. Dank Roguelike-Struktur und recht unterschiedlicher freispielbarer Charakterklassen motiviert das gar nicht so kleine Horror-Game eines einzelnen Entwicklers erstaunlich lang.
Es ist gar nicht so einfach, in First-Person-Spielen befriedigende Nahkampf-Spielmechaniken zu integrieren, hier klappt es zur Abwechslung hervorragend. "Mortal Sin" ist noch im Early Access, bis auf kleinere Balancing-Aufgaben und Bonus-Zugaben ist das Spiel allerdings bereits jetzt so gut wie fertig. Ein ebenso nostalgischer wie intensiver Action-Splatter-Kracher.
Tchia
Windows, PS4/5, 29,99 Euro
Wo ist bitte Neukaledonien? Wer "Tchia" spielt, wird die wenig bekannte Inselkette nördlich von Neuseeland definitiv kennen und schätzen lernen, denn das Spiel ist dezidiert eine Liebeserklärung an die Kultur und die Natur des wunderschönen Archipels. Als titelgebendes Mädchen sind wir hier in Open-World-Manier auf der Suche nach unserem entführten Vater und erforschen dafür laufend, schwimmend, per Gleitschirm und Floß diese tropische Inselwelt.
"Tchia" sieht in seinem bunten, freundlichen Grafikstil auf den ersten Blick wie ein Kinderspiel aus, doch das nur zwölfköpfige Team mit lokalen Wurzeln hat hier tatsächlich ein vollwertiges Open-World-Erkundungsspiel geschaffen, das Spielerinnen und Spieler jeden Alters bezaubert und immer wieder auch überrascht. Ein Feelgood-Game mit umwerfend positiver Atmosphäre und viel Charakter.
Scars Above
https://scarsabove.primematter.gg/de-uk
Windows, PS4/5, Xbox One / Series X/S, 39,99 Euro
Als bruchgelandete Astronautin allein auf einem bizarren Alienplaneten – das kennen wir doch vom erst vor kurzem auch auf PC veröffentlichten PS5-Action-Showcase "Returnal"? Keine Sorge, das von einem serbischen Indiestudio entwickelte "Scars Above" erinnert nur auf den ersten Blick an das knallharte Shooter-Roguelike, denn eigentlich ist das hier ein angenehm altmodisches, wunderbar motivierendes Third-Person-Actiongame mit originellen Puzzle-Kampf-Mechaniken.
Dank verschiedener Waffenmodi geraten vor allem die hübsch inszenierten Bosskämpfe zu abwechslungsreichen Herausforderungen, die SF-Geschichte, die hier stimmig erzählt wird, unterhält, und die Herausforderung bleibt auch dank einstellbaren Schwierigkeitsgrads angenehm unterhalb der masochistischen Herausforderung von "Returnal" und Co. Ein sympathisches Gesamtpaket.
Have A Nice Death
https://www.haveanicedeath.com/
Windows, Nintendo Switch, 24,99 Euro
Apropos Roguelikes: Das in seinem monochromen Cartoon-Stil beeindruckend animierte und schicke "Have A Nice Death" ist ein ebensolches und wandelt kompetent auf den Spuren von "Dead Cells", "Hades" und Co. Als Gevatter Tod persönlich müssen wir in den endlosen und immer neu generierten Hallen der überbordenden Bürokratie im Reich des Todes für Ordnung sorgen.
Wer stirbt, wird an den Anfang des Runs zurückgeworfen, manche Errungenschaften bleiben zum Glück erhalten – so ist das heutzutage bei modernen Roguelikes. Wie in den stilistischen Vorbildern "Hollow Knight" und "Ori" lebt auch diese Welt von witzigen Figurendesigns und Liebe zum Detail, hält aber auch mit tightem Gameplay und immer wieder interessanten Upgrade-Pfaden und schrägen Gegenständen bei der Stange. Nach erfolgreicher Early-Access-Phase jetzt final erschienen.
Terra Nil
Windows, 24,99 Euro, Android und iOS für Netflix-Abonnenten kostenlos
In den meisten Aufbaustrategiespielen wird die Landschaft so lange mit Gebäuden zugepflastert, bis alles Grün aus ihnen verschwunden ist, in "Terra Nil" bekommen wir eine nachhaltigere Aufgabe. Statt des ewigen "Schaffe, schaffe, Häusle baue" gilt es hier, eine verwüstete Umwelt wieder zu renaturieren. Im "Umweltstrategiespiel" sollen aus kargen, leblosen Landschaften wieder blühende, lebendige Ökosysteme werden – auf jeden Fall ein originelles Konzept.
Hübsche Grafik und Gameplay, das zwischen Aufbaustrategie und sanftem Puzzeln liegt, machen "Terra Nil" zur entspannten Aufgabe für Spielerinnen und Spieler jeden Alters. Dass es "nur" vier Biome gibt, wird durch Zufallsgenerierung und Wiederspielbarkeit wettgemacht. Übrigens: Netflix-Abonnenten dürfen das Spiel im Rahmen ihres Abos auf Mobile-Geräten kostenlos spielen. (Rainer Sigl, 1.4.2023)