Mit der (nieder)österreichischen Küche ist es wie mit der Bevölkerung des Landes. Sie ist ein Sammelsurium aus lokalen und internationalen Einflüssen. Vieles, was seit Generationen gut mundet, hatte damals Migrationshintergrund, anderes kam relativ neu hinzu.
DER STANDARD hat die schwarz-blauen Vorgaben beim Wort genommen, Schmankerln aus zwei ländlichen Lokalen zum Menü komponiert und auf ihre Heimattreue überprüft.

Suppe vom Tafelspitz mit Frittaten
Der Menü-Starter schmeichelt den einheimischen Gaumenseit vielen Generationen. Dabei hat die Speise eindeutig Migrationshintergrund und enthält Spuren der k. u. k. Monarchie: Die Frittaten stammen aus Italien. "Frittata" bezeichnet wörtlich "in Öl Ausgebackenes".

Carpaccio vom Rindsfilet mit Steinpilzöl
Hier hat sich auf der Speisekarte eine italienische Kreation aus der Nachkriegszeit breitgemacht. Der Legende nach soll der Koch und Gründer von Harrys Bar in Venedig, Giuseppe Cipriani, das rohe Fleisch erstmals 1955 für Gräfin Amalia Nani Monecigo zum Carpaccio filetiert haben.

Käsespätzle mit Röstzwiebeln und gemischtem Salat
Käsespätzle haben in die Küche Ostösterreichs erst vor wenigen Jahrzehnten Einzug gehalten. Davor wurden sie exklusiv in Schwaben, der Schweiz sowie dem heute westlichsten Bundesland Vorarlberg verzehrt. Der Rest der Nation begnügte sich derweil mit Nockerln – zumeist ohne Käse.
Cordon bleu vom Huhn mit Petersilienerdäpfeln
Diese Fleischspeise mit Käse und Schinken hat (Nieder-)Österreich aus dem Esskulturraum Frankreichs und der Schweiz kommend erobert. Angeblich geht ihr Name auf das himmelblaue Ordensband des französischen Ritterordens vom Heiligen Geist zurück. Also auch ein Ausländer.
Veganes Gemüse-Sojageschnetzeltes mit Reis
Soja zum Schnetzeln – vulgo Tofu – ist eindeutig ein Einwanderer. Als essbar erkannte man die Sojabohne in China und Japan, und zwar bereits tausende Jahre vor Christus. Auch der Veganismus ist ein Import. Als Erster prägte der Engländer Donald Watson im Jahr 1944 diesen Begriff.
Schaftopfenknödel in Kokos gerollt mit Erdbeerragout
Dass milchgebende Schafe in Niederösterreich grasen, seiunbenommen. Auch Erdbeeren wachsen regional – und können, wenn konserviert, auch jetzt im Frühjahr verkocht werden. Das Problem hier ist das Kokos, das es ohne Kolonialismus nie ins Land unter der Enns geschafft hätte.
Nusspalatschinken
Kuchen aus Mehl, Milch und Eiern aßen schon die alten Römer, die bekanntlich bis zur Donau vorstießen. Im 19. Jahrhundert hieß dieser in hiesigen Kochbüchern noch "Pfannkuchen". Danach arbeitete sich die Speise als "Palatschinke" über die Balkanroute ins heutige (Nieder-)Österreich vor.
(Aufgetischt von Irene Brickner und Tobias Müller, 1.4.2023)