Der QAnon-Schamane war unter anderem am Sturm auf das US-Kapitol am 6. Jänner 2021 beteiligt.

Foto: Reuters / Cheney Orr

Können Sie sich erinnern, wann Sie das letzte Mal über einen Aprilscherz gelacht haben? Ich jedenfalls nicht. Obwohl die Schwindeleien von Jahr zu Jahr immer unlustiger werden, gibt es noch immer Firmen, die das Internet am 1. April mit Falschmeldungen beglücken. Zum Beispiel als der Automobilkonzern VW im Jahr 2021 behauptete, wegen der Bemühungen um die Elektrifizierung ab sofort Voltswagen zu heißen. Da könnte man den Milliardenumsatz mit Verbrennungsmotoren fast vergessen! Oder als Dr. Oetker 2022 so weit ging, seinen Aprilscherz Realität werden zu lassen – und eine Fischstäbchen-Pizza ins Sortiment aufzunehmen. Gschmackig!

In Wirklichkeit liegt das Problem aber nicht in der Tatsache begründet, dass Humor kein einfaches Pflaster ist. Geschmäcker sind verschieden, und größere Menschenmengen zum Lachen zu bringen ist keine einfache Aufgabe (wie man allzu häufig sieht). Die Frage ist viel eher, wem im Zeitalter von Desinformation und Verschwörungserzählungen noch zum Lachen ist, wenn ihm eine "lustig" gemeinte Falschmeldung aufgetischt wird.

Kein Grund zu lachen

Nach zwei Jahren Pandemie, in denen radikalisierte Verschwörungsgläubige zu Tausenden durch die Straßen europäischer Großstädte zogen, in denen regelmäßig die Hinrichtung von Politikerinnen und Politikern, von Journalisten und Medizinerinnen gefordert wurde, braucht es keinen Tag zur Feier der Fake News mehr. Vor allem aber raubt einem diese Realität die restliche Freude daran, mit einem herzlichen "April, April!" von Freunden und Bekannten aufs Korn genommen zu werden.

Dabei hätte man eigentlich meinen sollen, dass das Internet und die damit einhergehende Demokratisierung des Informationsflusses auch die gesunde Skepsis der Menschen schärft. Aber Fehlanzeige. Heute würde zwar niemand mehr auf den Aprilscherz der britischen BBC von 1957 hereinfallen. In einem dreiminütigen TV-Beitrag zeigte der Sender damals eine Familie, wie sie Pasta von einem vermeintlichen Spaghetti-Baum erntet – und schaffte es tatsächlich, eine Vielzahl an Zusehern hereinzulegen. Heute wäre das zwar nicht mehr möglich. Viel weniger absurd erscheinen einem aktuelle Verschwörungsmythen aber auch nicht.

Sturm auf das Kapitol

Man muss sich nur QAnon in Erinnerung rufen. Anhänger dieser rechtsextremen Verschwörungserzählung sind der Meinung, dass Spitzenpolitikerinnen wie Hillary Clinton Teil einer satanistischen Weltelite sind, die Jagd auf Kinder macht. Was auf den ersten Blick nach ein paar Spinnern im Internet klingen mag, hatte im Jahr 2016 erstmals echte Folgen. Bewaffnet mit einem Sturmgewehr, stürmte ein Mann am 4. Dezember in eine Pizzeria in Washington, um vermeintlich im Keller eingesperrte Kinder zu befreien.

Immer wieder sieht man das Logo der Bewegung – ein in Flammen stehendes "Q" – seither auf konservativen und rechtsradikalen Demonstrationen in den USA. Kein Wunder also, dass QAnon-Gläubige in erster Reihe standen, als Anhänger Donald Trumps gewaltsam das US-Kapitol stürmten. Der 6. Jänner 2021 ist ein lebendiger Beweis dafür, was Monate der systematischen Desinformation, der Verschwörungserzählungen über eine gestohlene Wahl tatsächlich anrichten können.

Auch hierzulande gibt es wenig zu lachen. Für mehr als zwei Jahre zogen immer gewaltbereitere Corona-Leugner durch Österreichs Straßen. Sie trugen "Judensterne" mit der Aufschrift "ungeimpft". Behaupteten, dass Microsoft-Gründer Bill Gates die Corona-Impfung nutze, um uns einen Mikrochip zu implantieren. Dass die ganze Pandemie nur eine Taktik sei, um die "Neue Weltordnung" umzusetzen. Ein von Rechtsextremismus und Antisemitismus durchwachsener Mythos.

"April, April!"

All das ist nur die Spitze des Eisbergs – und kratzt noch nicht einmal an der Oberfläche all der Falschinformationen, die seit Russlands brutaler Invasion in der Ukraine durch das Internet schwirren. Gefälschte Nachrichtenseiten, Troll-Armeen auf Social Media und russische Propaganda haben tagtäglich zum Ziel, das Kreml-Narrativ der "Spezialoperation" zu etablieren und die Unterstützung für die ukrainische Bevölkerung zu schwächen.

Aprilscherze haben in diesem Chaos keinen Platz mehr. Stattdessen sind sie eine ermüdende Erinnerung an eines der größten Probleme unserer digitalisierten Gesellschaft. Wer tagein, tagaus mit Desinformation bombardiert wird, braucht nicht den 1. April, um sich mit Fake News unterhalten zu lassen. Einen Tipp sollte man sich von diesem ganz besonderen Tag trotz allem für das restliche Jahr merken: Etwas mehr Vorsicht bei der Quellenauswahl würde dem ein oder anderen auch im Alltag guttun. In diesem Sinne: "April, April!" (Mickey Manakas, 1.4.2023)