In Ried erhöhten Kebab-Verkäufer gleichzeitig ihre Preise. Wenig später bekamen sie Post von der Behörde.

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Steigende Kosten erfordern von Wirten, die Preise anzuheben. Um dabei ihre Stammkunden nicht an die Konkurrenz zu verlieren, beschlossen deren fünf in Ried im Innkreis, ihre Preise für Kebab, Burger und Pizzen gleich zu erhöhen.

Sie hätten vermutlich nicht damit gerechnet, deshalb Abmahnschreiben der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), wohl samt höflichem Hinweis auf drohende Geldbußen wegen einer Verletzung des Kartellgesetzes, zu erhalten, und auch nicht damit, zum Thema der neuesten Nachrichten der BWB auf deren Website im März 2023 zu werden. Ein Kartell können nämlich nicht bloß überwältigende Konzernmoloche, sondern auch ein paar kleine Gasthäuser bilden.

Mittels eines Kartells stimmen sich Unternehmen ab oder tauschen Informationen über ihr geplantes Vorgehen aus, womit sie den andernfalls vorhandenen Wettbewerb zum Nachteil ihrer Kunden oder Lieferanten verfälschen. Oder das zumindest bezwecken. Der drohende Schaden rechtfertigt das Verbot. Die Konkurrenz bloß zu beobachten und sich danach ihr anzupassen ist hingegen legitim und nicht verboten.

Keine Bagatelle

Vom Kartellverbot ausgenommen sind zudem viele Vereinbarungen von Unternehmen, die nicht mehr als zehn Prozent eines Marktes (oder nicht mehr als 15 Prozent, wenn sie miteinander nicht in Konkurrenz stehen) halten, weil sie so nicht allzu Schlimmes anrichten können. Juristen nennen das die "Bagatellausnahme". Die Feststellung von Marktanteilen ist jedoch eine Kunst. Während Stahlkonzerne miteinander am europäischen oder sogar Weltmarkt konkurrieren und Marktanteile auf dieser Ebene zu berechnen sind, stehen zum Beispiel Kinos bloß innerhalb der zu ihrem Besuch in Kauf genommenen Wegstrecken im Wettbewerb, sodass die beiden Kinos einer Bezirkshauptstadt 100 Prozent ihres Marktes beherrschen können und auf sie das Kartellrecht mit allen seinen komplexen Verhaltenspflichten uneingeschränkt anzuwenden ist.

Aber selbst auf die Bagatellausnahme können sich Unternehmen nicht berufen, wenn sie gemeinsame künftige Verkaufspreise festsetzen, eine Einschränkung der Erzeugung oder des Absatzes vereinbaren oder Märkte aufteilen. Solche Verhaltensweisen gelten als bezweckte Verfälschung des Wettbewerbs und sind deshalb für die Marktwirtschaft besonders schädlich. Kartellbehörden sollen sich dabei nicht lange damit beschäftigen müssen, ob das verwerfliche Ziel erreicht wird. Schon der Weg ist zu verurteilen, auch wenn er keinen Erfolg zeitigt. Das gilt alles nicht bloß zwischen unmittelbaren Konkurrenten, sondern ebenso zwischen Herstellern und Distributoren, die deshalb Kundenendpreise ebenso nicht vereinbaren dürfen. Und die drohenden Geldbußen können drakonische Ausmaße erreichen, nämlich bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes der Beteiligten (wozu die Kosten von Anwälten und schlechter Nachrede hinzukommen).

Viele Mikrokartelle

So schlimm kam es für die Rieder Wirte vorerst nicht, wenn sie nach Erhalt der Mahnung wieder ernsthaft versuchen, bei Kebab, Burger und Pizza mit besseren Preisen und kompetitiven Vorteilen Kunden zu gewinnen. Nun mag die Geschichte ein wenig den Charme der Bassena verbreiten. Doch das Funktionieren der Marktwirtschaft hängt davon ab, dass auch auf der Mikroebene ihre Gebote befolgt werden. Denn wenn der Markt nirgendwo mehr lokal funktioniert, wird er auch auf nationaler und globaler Ebene beseitigt sein.

Die Rieder Wirte sind wohl nicht nur eine kuriose Ausnahme, sondern vielleicht ein Fall unter vielen Mikrokartellen, die nicht alle mit einer bloßen Abmahnung davonkommen werden. Und damit Unternehmen das nicht geschieht, ist auch den kleineren unter ihnen zu empfehlen, sich mit dem "großen" Kartellrecht zu befassen. (Aurelius Freytag, 2.4.2023)