Fragen der Schuld oder der Unschuld müssen Gerichte klären – und darüber urteilen. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt unerschrocken, zuletzt mit Hausdurchsuchungen bei der Gratiszeitung Heute, zuvor etwa bei Österreich. Die Behörde führt gerade die Herausgeber jener drei Boulevardblätter als Beschuldigte, die Österreichs Politik nicht erst seit Sebastian Kurz und bis heute zu bestimmen versuchen: Eva Dichand (Heute), ihren Mann Christoph Dichand (Krone) und Wolfgang Fellner (Österreich/Oe24). Was ist da los?

Österreich – eine Boulevard-Demokratie?
Foto: Manfred Puhr

Das ist Österreich. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft dokumentiert anhand der Kommunikation von Thomas Schmid, über Jahre ein türkiser Schlüsselspieler dieses Systems, wie Österreich funktioniert, seine Politik und auch ein wesentlicher Teil seiner Medien. Es ist kein gutes Land, und das ist noch sehr zurückhaltend formuliert.

"Was ist daran neu?", fragen Mitarbeiter betroffener Medien nach dem Bekanntwerden des Verdachts von Gegengeschäften über Inserate, günstige Stiftungsgesetze und die Berichterstattung. Die Herausgeber weisen Vorwürfe solcher Deals als falsch zurück. Es gilt die Unschuldsvermutung. Und es bleibt das Bild einer verkommenen Republik.

Klare Regeln

Was kann man tun? Man muss die Justiz die Vorgänge unbeeinflusst aufklären und Gerichte entscheiden lassen.

Es braucht klare Regeln für Werbebuchungen öffentlicher Stellen statt Vergabe nach Gutsherrenart und in der Erwartung freundlicher Berichterstattung im Kombipack zum Inserat. Es braucht den nachvollziehbaren Nachweis eines Kommunikationsinteresses – der Öffentlichkeit wohlgemerkt, nicht des Ministers, Landeshauptmanns oder Stadtrats. Es braucht transparente Kriterien für die Vergabe. Eine plausible Obergrenze für öffentliche Werbungen kann helfen.

Die gerade in den Nationalrat eingebrachte Novelle des Medientransparenzgesetzes schließt Lücken und Ausnahmen. Am System ändert sie wenig.

Konzentrierter Medienmarkt

Bergen öffentliche Mittel für Medien nicht grundsätzlich eine Gefahr für unabhängige Berichterstattung? Je transparenter die Kriterien und die Vergabe, desto begrenzter ist diese Gefahr jedenfalls. Die Zahl der angestellten Journalistinnen und Journalisten ist ein Kriterium, wie sie eine neue Medienförderung vorsieht.

Ohne Förderungen ist Medienvielfalt kaum denk- und machbar in einem so kleinen, schon so konzentrierten Medienmarkt. Mit einem übermächtigen ORF, der sich auf 700 Millionen Euro aus GIS oder künftig einem ORF-Beitrag für alle finanziert, plus rund 260 Millionen aus Werbung. In einer Medienlandschaft, aus der internationale Digitalgiganten wie Google/Youtube und Meta die Hälfte aller Werbegelder abziehen, mit denen sich Medien und Journalismus bisher wesentlich finanzieren. In einer digitalen Medienwelt, wo Userinnen und User noch recht zögerlich für Journalismus zahlen wollen.

Da sind wir am Punkt, was "man" tun kann: Wir alle entscheiden über dieses System. Welche Medien wir mit unserer Aufmerksamkeit – und vielleicht einem bezahlten Abo – groß machen, und welche Plattformen. Welchen Journalismus wir damit unterstützen. Ob wir Fakten oder zumindest die bestmögliche Version der Wahrheit suchen oder lieber nur eine Bestätigung unseres Weltbildes. Welche Politik, welche Medienpolitik wir wollen. (Harald Fidler, 31.3.2023)