In den leblosen Tiefen des Schwarzen Meeres könnten künftig unsere CO2-Emissionen lagern.

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Rund 38 Milliarden Tonnen CO2 bläst die Welt jedes Jahr in die Luft – und es werden immer mehr. Wenn die Welt es mit der Bekämpfung der Klimakrise ernst meint, müssen die Emissionen nicht nur auf null runter, sondern ab der Mitte des Jahrhunderts muss die Menschheit sogar CO2 aus der Luft holen. Nicht nur um die wenigen verbleibenden, unvermeidbaren Emissionen auszugleichen, sondern auch um alte Klimasünden wiedergutzumachen. Das besagt, ganz offiziell, der aktuellste Bericht des Weltklimarats.

Aber wie soll das gelingen? Da wäre die einfachste und erprobteste Variante: Bäume pflanzen. Doch diese schlucken das Klimagift nur langsam – und wenn das Holz verrottet oder verbrannt wird, ist die ganze Einsparung dahin. Hightech-Lösungen wie Maschinen, die das CO2 direkt aus der Luft filtern und tief im Boden speichern, sind wiederum noch nicht im großen Stil umsetzbar. Auch das berichtet der Weltklimarat.

Antikes Schiff als Vorbild

Ram Amar ist davon überzeugt, eine Lösung für das Speicherproblem in einem alten Boot gefunden zu haben. Vor rund 2.400 Jahren sank es auf den Grund des Schwarzen Meeres, wo es bis heute in rund zwei Kilometer Tiefe liegt. Archäologinnen und Archäologen vermuten, dass es sich um ein griechisches Handelsschiff handelt. Auf dem Foto, das Amar einer Gruppe von Medienleuten zeigt, ist es als simples Holzgerippe zu erkennen, von Sand bedeckt – aber sonst größtenteils intakt.

Seit 2.400 Jahren liegt ein wohl griechisches Handelsschiff auf dem Boden des Schwarzen Meeres. Da es sich kaum zersetzt, könnte man Holz nachlegen – und so CO2 speichern.
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Genau in dieser Unversehrtheit sieht Amar den springenden Punkt: Denn Holz, das sich nicht zersetzt, setzt auch kein CO2 frei. "Im Pazifik wäre das Boot schon längst von Seeschlangen oder anderen Tieren zerfressen", sagt Amar. "Im Schwarzen Meer passiert das nicht."

Das Schwarze Meer ist ein unwirtliches Gewässer. Sauerstoff gibt es in großen Tiefen praktisch nicht, dafür jede Menge Schwefel. Mikroorganismen, die Holz und andere organische Materialien zersetzen, gibt es im Schwarzen Meer deshalb kaum.

"Lächerlich einfache Lösung"

Amar sagt, es sei deshalb fast "lächerlich einfach", im Schwarzen Meer auch beabsichtigt Treibhausgase zu speichern: Mit seinem Start-up Rewind will er Holz aus der Region im Meer versenken. Das CO2, das die Pflanzen zuvor aufgesogen haben, bliebe dann dauerhaft am Meeresgrund eingelagert. "Das Schiff ist der lebende Beweis dafür", sagt Amar.

Nicht nur Holz, sondern auch anderes organisches Material wie Blätter, Stängel oder Zweige, die in der Landwirtschaft als Nebenprodukte anfallen, könnten nach der Vorstellung Amars am Meeresgrund landen. Solche Materialien gebe es in der Kornkammer Europas, wie die Schwarzmeerregion auch genannt wird, jedenfalls genug.

Bisher wird bisher erst in einigen wenigen Pilotanlagen, wie hier in Island, CO2 mit Anlagen aus der Luft gefiltert.
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Eine Milliarde Tonnen bis 2030

Rewind will in den kommenden zehn Jahren auf diese Weise eine Milliarde Tonnen CO2 im Meer speichern. Rund 80 US-Dollar soll das pro Tonne kosten. Finanzieren will das israelische Start-up das Vorhaben mit Carbon Removal Credits, also Zertifikaten, die bestätigen, dass Treibhausgase aus der Atmosphäre entfernt wurden.

Die EU will nun einen regulierten Markt für solche Entfernungsbescheinigungen schaffen – zum Missfallen von rund 200 Klimaschutzorganisationen, die sich Ende November in einem gemeinsamen Statement ganz offen gegen die Strategie der EU aussprachen. Die Versprechen, CO2 wieder aus der Atmosphäre zu holen, seien nur eine "Verschleierungstaktik für die gegenwärtige Untätigkeit", heißt es dort.

Strenge Kontrolle notwendig

Charlotte Levy vom US-amerikanischen Thinktank Carbon180, der sich auf CO2-Speichertechnologien spezialisiert hat, hält das Schwarzmeerprojekt von Rewind grundsätzlich für plausibel. In sauerstoffarmem Wasser wie im Schwarzen Meer würde sich Holz und Ähnliches tatsächlich kaum zersetzen.

Die Treibhausgase könnten daher "hunderte bis tausende Jahre" der Atmosphäre fernbleiben, wie Levy sagt. Voraussetzung dafür ist aber, dass der gesamte Prozess laufend überwacht wird. Eine Wunderwaffe gegen die Klimakrise ist Versenken von Holz aber trotzdem nicht.

Keine Wunderwaffe

Sie äußert auch Bedenken an der Methode. Einerseits muss das umgebende Meeresökosystem stabil genug sein, um große Mengen an Holz zu versenken, ohne dass es zu Umweltschäden für das Meeresleben kommt. Schon einmal trieb eine invasive Qualle das Schwarze Meer an den Rande einer ökologischen Katastrophe. "Jetzt, wo es sich erholt hat, müssen wir besser darauf achten, wie wir es nutzen", sagt Levy.

Es geht auch um Gerechtigkeit: Denn wenn es plötzlich attraktiv wird, große Mengen an Biomasse einzusammeln und zu versenken, dürfe sich das nicht negativ auf die Menschen und auf die Artenvielfalt an Land auswirken. Noch dazu, wo das Schwarze Meer an die Ukraine grenzt, das aufgrund des Krieges Schwierigkeiten hat, lebenswichtige Güter zu importieren und zu exportieren. "Vielleicht ist es nicht die beste Nutzung von Schiffen, sie für das Versenken von Biomasse zu nutzen", sagt Levy. (Philip Pramer, 1.4.2023)