Karin Pirschner posiert in der Standschützenkaserne bei Innsbruck. Zuvor hatte ihr ein Kamerad geraten, sie solle über den Hof schreiten "wie in einem Actionfilm".

Foto: Florian Scheible

Das Treffen mit Karin Pirschner hat schon begonnen, noch bevor sie den Raum betritt. Es ist ein Dienstag Ende März. Die Morgensonne fällt durch die schmalen Fenster der Standschützenkaserne in Kranebitten bei Innsbruck. Auf dem Esstisch in der kahlen Kaffeeküche haben drei Soldaten Platz genommen. Sie schlürfen Kaffee und reden über Frauen beim Bundesheer.

Seit 25 Jahren steht jenen eine Karriere beim österreichischen Bundesheer offen. Anfangs herrschten Ablehnung und Skepsis. Frauen seien – nicht zuletzt auch aufgrund ihrer "mütterlichen Instinkte" und ihres "Fingerspitzengefühls" – eine "Bereicherung fürs Heer", sind sich die Männer heute einig.

Nach einigen Minuten betritt die Protagonistin der Geschichte schließlich den Raum, sie wird von ihren Kollegen herzlich begrüßt. Auf die ersten an sie gerichteten Fragen antworten die anwesenden Männer ausführlicher als Pirschner selbst.

Pirschner ist Offiziersstellvertreter und dient in der Militärpolizei. Gegendert wird beim Heer nicht. "Das will doch niemand", sagt sie, weder beim Heer noch "da draußen", im "zivilen Leben". Pirschner will nicht anders behandelt werden als ihre männlichen Kollegen, in keinerlei Hinsicht.

Nur sie blieb übrig

Als sie einrückte, im "Ausbildungsdienst" in Straß in der Steiermark, erarbeitete sie sich mit dieser Einstellung schnell Respekt: Sie brachte genau dieselbe Leistung wie die männlichen Rekruten. Die Skepsis, die vor allem "Altgediente" anfangs gehegt hätten, sei bald gewichen. Vor allem, als sie die Hindernisläufe meisterte und, das 30 Kilo schwere Gepäck geschultert, kilometerweit marschierte. "Ich wollte immer das Männerlimit erreichen", sagt die gebürtige Steirerin. Man sieht ihr an, wie kräftig sie ist. Beim Sitzen hält sie den Rücken kerzengerade, die Beine sind im breiten Stand fest mit dem Boden verankert.

Auch heute trainiert Pirschner regelmäßig. Ihr Hund begleitet sie auf ihren Laufrunden. "Wenn er sich löst, mache ich Liegestütze." Der Hund, ein muskulöser Jagdhund mit kurzem hellbraunen Fell und graumelierter Schnauze, heißt Ares, benannt nach dem griechischen Gott des Krieges.

"Sehe mich nirgendwo anders"

Sie seien damals neun Frauen gewesen, erzählt Pirschner. Heute sei nur mehr sie übrig geblieben. Den anderen sei es "gleich zu hart" geworden: die körperlichen und psychischen Herausforderungen, die Gefechtstage draußen, bei Wind und Wetter und widrigen Bedingungen, die fehlende Privatsphäre, der Befehlston. Sie aber habe die Härte gesucht. Nach dem Ausbildungsdienst absolvierte sie das einwöchige Aufnahmeverfahren und trat in die Militärpolizei ein.

Bereut habe sie ihre Entscheidung nie: "Ich sehe mich nirgendwo anders." Leicht sei es nicht gewesen, ihre zwei Söhne waren damals 15 und 17 Jahre alt. Manchmal sei sie nach Dienstschluss schnell 150 Kilometer nach Hause gefahren, um für die beiden zu kochen. Dann fuhr sie wieder in die Kaserne.

Die Soldatin spricht auch grundsätzlich verhältnismäßig leise, mit unverkennbarer steirischer Färbung. Sie wählt ihre Worte bedacht. Immer wieder blickt sie zu ihren Kollegen, die sie beobachten. Aufmerksam, lauernd, fast wie zwei Wachhunde, die auf sie aufpassen.

"Nie Probleme mit Männern"

Ihr Alter will Pirschner nicht in der Zeitung lesen. Dass sie mit 34 eingerückt ist, dürfe man aber schreiben, sagt sie und lächelt verschmitzt. Eigentlich wollte sie damals gerne zur Polizei, erzählt sie. Dafür sei sie aber schon zu alt gewesen. Ihr Umfeld sei von der Entscheidung alles andere als überrascht gewesen. "War ja klar, dass die Karin das macht", hätten ihre Freunde das Aufschlagen dieses neuen Kapitels damals kommentiert.

Bevor sie zum Heer ging, war Pirschner für einen Sicherheitsdienst tätig gewesen: "Personenschutz, Gericht, Goldtransporte fahren", erklärt sie. Auch das eine Männerdomäne. Als Militärpolizistin verrichtet sie heute Ordnungs- und Sicherheitsdienste für das Heer. Darunter fallen Drogenkontrollen, Fahndungen oder Wissensüberprüfungen sowie die Dienstaufsicht. Dann wird kontrolliert, ob der Soldat den Dienst auch vorschriftsmäßig ausführt und korrekt gekleidet und ausgerüstet ist.

Der Frauenanteil beim Bundesheer beträgt aktuell 4,3 Prozent. In Zahlen: 645 Soldatinnen.
Foto: Florian Scheible

"In meiner ganzen Karriere hatte ich nie Probleme mit Männern", unterstreicht die mittlerweile vierfache Oma gleich zu Beginn des Gesprächs. Etwas später fällt ihr dann doch ein solcher Moment ein: Einmal, so erzählt sie, sei ein Soldat bei einer solchen dienstlichen Überprüfung einfach gegangen: Er wolle sich nicht von einer Frau kontrollieren lassen – und schon gar nicht von einer mit einem niedrigeren Dienstgrad.

Pirschner war mehrmals im Ausland, drei Einsätze absolvierte sie mit ihrem heutigen Ehemann, der im Übrigen auch ihr Kommandant in Innsbruck ist. Er ist einer der drei Männer, die mit Pirschner am Tisch sitzen – und der Grund, warum Pirschner 2003 von der Steiermark nach Tirol wechselte.

Hier bist du keine Frau

Anfangs sei sie dort noch "die Frau des Kommandanten" gewesen. Die beiden hatten sich in Wien bei einem Kurs kennengelernt. Der Kommandant tritt bald in den Ruhestand, dann werden sie wieder "nach Hause" in die Steiermark ziehen, erzählt Pirschner, das sei ihr "Gentleman-Agreement".

Der Frage, was sich denn in den vergangenen 25 Jahren verändert habe, weicht Pirschner aus. Sie spricht stattdessen von einer verweichlichten, neuen Generation, kritisiert, dass die jungen Menschen nun mit Forderungen nach einer "Work-Life-Balance" ihren neuen Job anträten.

Ihr Mann und Kommandant pflichtet ihr bei. In seinem Zug führt er 28 Personen, davon fünf Frauen. Jene sehe er aber nicht als Frauen, sondern als Mitarbeiter, sagt er. Für ihn zählen Leistungen und nicht das Geschlecht. Die Mitleidstour kann er weder von Frauen noch von Männern leiden. "Du bist zwar eine Frau, aber nicht hier." (Maria Retter, 31.3.2023)