In New York bei der UN-Wasserkonferenz rief Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) zum globalen Schulterschluss auf, um Wasserversorgung weltweit sicherzustellen. In Österreich soll ein Notfallplan regionale Engpässe infolge des Klimawandels verhindern.

STANDARD: Wasser wird weltweit ein knappes Gut. Sind die Zeiten des Überflusses auch in Österreich vorbei?

Totschnig: Wir leben in einem Land mit ausreichend qualitativ hochwertigem Wasser. Die Trinkwasserversorgung ist gesichert. Dennoch fordert uns der Klimawandel. Wir wollen die Wasserinfrastruktur daher weiter ausbauen. Im Vorjahr haben wir dafür ein 100 Millionen Euro schweres Zusatzpaket geschnürt. Es geht um zusätzliche Trinkwasserbehälter, um tiefere Brunnen, Ringleitungen. Darüber hinaus wollen wir das Monitoring verbessern, um Knappheiten früher prognostizieren zu können. Ein Vorsorge- und Notfallplan soll noch vor dem Sommer kommen.

STANDARD: Grundwasserpegel sind so tief wie nie zuvor, der Bedarf an Wasser steigt. Ging Österreich zu lange zu sorglos mit dieser Ressource um?

Totschnig: Die Durchschnittstemperaturen sind in den letzten zehn Jahren gestiegen. Die Sommer sind heißer, Winter niederschlagsärmer. Das hat Folgen. Österreich ist aber gut aufgestellt, da wir immer auf eine gut ausgebaute Wasserinfrastruktur Wert gelegt haben.

STANDARD: Viele Österreicher wissen weder, wie viel Wasser sie verbrauchen, noch, woher es für ihre Haushalte und Pools kommt.

Totschnig: Weil Knappheit bisher nie ein großes Thema war. Wir investieren aber in Bewusstseinsbildung.

STANDARD: Der Wasserverbrauch der Landwirte, die zu 95 Prozent das Grundwasser anzapfen, könnte sich bis 2050 verdoppeln. Können wir uns Bewässerung im großen Stil auf Dauer noch leisten?

Totschnig: Österreich bezieht Trinkwasser aus Grund- und Quellwasser. Industrie und Gewerbe nutzen 70 Prozent des gesamten Wasserbedarfs – die Landwirtschaft hingegen nur vier Prozent. Die Voraussetzung für eine Förderung von Beregnungsanlagen ist hohe Effizienz. Auch unser Agrarumweltprogramm regt zu einem wassersparsames Bewirtschaften an.

STANDARD: Wer kontrolliert, wie viel Wasser Landwirte letztlich tatsächlich verbrauchen?

Totschnig: Wasserentnahmen sind befristet genehmigt. Es gibt in Österreich3800 Messstellen. Wenn Grundwasserspiegel örtlich sinken, können Gemeinden eingreifen. Das Wasserrecht sieht klar vor, dass Trinkwasserversorgung Vorrang hat.

STANDARD: Dennoch sind Spannungen zwischen Industrie, Bauern und Trinkwasserversorgern vorprogrammiert. Werden Konflikte darüber entbrennen, wer wie viel Wasser nutzen darf?

Totschnig: Um diese Konflikte zu vermeiden, werden mit den Gemeinden, Ländern und Wasserversorgern gemeinsam vorsorglich Maßnahmen getroffen.

Norbert Totschnig: "Der Klimawandel verändert die Anbaugebiete."
Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

STANDARD: Während im Burgenland der Neusiedler See austrocknet und Fische sterben, bewässern Landwirte rundum Erdäpfel und Mais.

Totschnig: Der Wasserstand des Neusiedler Sees hängt von Niederschlägen ab. Bewässert wird hingegen aus dem Grundwasser. Das gehört auseinandergehalten. Sinkt das Grundwasser zu stark, können wir reagieren.

STANDARD: Halten Sie eine Rationierung von Grundwasser wie in Frankreich für realistisch?

Totschnig: Unsere Studien zeigen, dass es derzeit für alle genug Wasser gibt. Aber das Klima verändert sich, und wir bereiten uns darauf vor. Sollten wie in Frankreich überregional Probleme auftreten, was unwahrscheinlich ist, haben wir einen Notfallplan.

STANDARD: Feuchtgebiete und Wiesen wurden entwässert. In trockenen Gefilden werden Kulturen angebaut, die sehr viel Wasser benötigen. Blieb Nachhaltigkeit auf der Strecke?

Totschnig: Im Gegenteil. Österreich hat die europaweit nachhaltigste Landwirtschaft. Mehr als 80 Prozent der Betriebe nehmen an Umweltprogrammen teil. Wir sind Bioland Nummer eins. Was Wasser betrifft, gab es diese Fragen vor 30, 40 Jahren nicht. Das Ziel war damals, Flächen produktiver zu machen und Eigenversorgung zu sichern, um weniger von Importen abhängig zu sein.

STANDARD: Viele Betriebe satteln auf mediterrane Kulturen um. Bauen wir künftig Okra und Artischocken statt Mais und Erdäpfeln an?

Totschnig: Wir werden Mais, Erdäpfel, Gemüse anbauen, aber mit Saatgut, das die neuen Bedingungen aushält. Über trockenresistentere Sorten wird seit vielen Jahrzehnten geforscht. Der Klimawandel verändert natürlich auch die Anbaugebiete. Der Weinanbau etwa zieht Richtung Westen.

STANDARD: Niederschläge sind in Österreich ungleich verteilt. Lösen Fernleitungen vom Westen in den Osten Wasserprobleme?

Totschnig: Das ist derzeit kein Thema. Geplant sind Ringleitungen, um Gemeindenetze im Falle lokaler Engpässe zusammenzuhängen.

STANDARD: Welche Lösungen schlagen Sie für den austrocknenden Neusiedler See vor?

Totschnig: Das ist komplex und gehört genau geprüft. Ein Teil des Sees liegt ja auch in Ungarn. Die Frage der Einspeisung ist heikel: Welches Wasser, wie viel, ist es überhaupt sinnvoll? Was heißt das für den gesamten Seewinkel? Wir erarbeiten gemeinsam mit Fachleuten im Burgenland Optionen.

STANDARD: In Wasserrechte lässt sich schwer eingreifen. Sehen Sie Bedarf an gesetzlichen Reparaturen?

Totschnig: Derzeit nicht. Denn das Wasserrecht bietet Möglichkeiten einzugreifen, falls es Probleme gibt.

STANDARD: Länder wie Israel recyceln 90 Prozent ihres Abwassers und bewässern damit fast die gesamte Landwirtschaft. Warum bereitet Österreich nicht mehr gebrauchtes Wasser auf?

Totschnig: Weil es daran bei uns, anders als in Ländern wie Israel, die mit enormer Trockenheit kämpfen, keinen Bedarf gibt. Selbst Oberflächenwasser wird kaum genutzt. Wir sind in einer völlig anderen Situation.

STANDARD: Ein humusreicher Boden speichert Wasser und verringert Erosion. Hat intensive Landwirtschaft diesem mit Massentierhaltung, Dünger und Pestiziden einen schlechten Dienst erwiesen?

Totschnig: Unsere Umweltprogramme fördern Maßnahmen genau für den Aufbau von Humus und für eine erosionsarme Bewirtschaftung.

Auf der UN-Wasserkonferenz in New York suchten Delegierte aus aller Welt vergangene Woche Wege aus der globalen Wasserkrise. VP-Landwirtschaftsminister Totschnig rief zu einem Schulterschluss auf.
Foto: BML Hemerka

STANDARD: Was tut die Landwirtschaft, um Nitratbelastung im Grundwasser zu reduzieren?

Totschnig: Es gibt Nitrat-Aktionsprogramme, die regelmäßig novelliert werden. Österreich hat sich hier konsequent weiterentwickelt. Für die Bauern ist es eine Herausforderung.

STANDARD: Österreich ist Europameister im Zubetonieren grüner Wiesen. Regenwasser kann nicht mehr ordentlich versickern. Was halten Sie von einer Obergrenze von maximal einem Hektar pro Tag, der verbaut werden darf?

Totschnig: Unser Ziel sind 2,5 Hektar Bodenverbrauch pro Tag. Die Kompetenz für Raumordnung liegt bei den Ländern. Die Österreichische Raumordnungskonferenz wird eine Strategie vorgelegt, die diese unterstützen.

STANDARD: Substanzielle Verbesserungen gab es bisher keine. Wäre es nicht an der Zeit, Gemeinden die Kompetenz für Raumordnung zu entziehen?

Totschnig: Hier widerspreche ich. Das Bewusstsein, dass der Boden etwas wert ist, dass er Grundlage für Lebensmittelproduktion und ein knappes Gut ist, ist in der Bevölkerung stark gestiegen. Stichwort Ausbau der erneuerbaren Energien. Bürgermeister kennen die Sachlage.

STANDARD: Wasser ist in Österreich im internationalen Vergleich spottbillig. Zu billig?

Totschnig: Wasser sollte für jeden Menschen frei zugänglich sein. Man zahlt daher nur einen Beitrag zur Erhaltung der Infrastruktur, in Relation zu anderen Ländern vergleichsweise wenig.

STANDARD: Wären höhere Preise nicht ein Anreiz, um in wassersparende Technologien zu investieren?

Totschnig: Unser Zugang ist stärkere Bewusstseinsbildung. Das fängt bereits in den Schulen an. (Verena Kainrath, 1.4.2023)