Ein gutes Leben für die Älteren ist der Anspruch des Pensionssystems. Doch wie viel darf das kosten? Die letzten fünf Pensionserhöhungen über das gesetzlich geplante Ausmaß hinaus verursachen bis 2040 Ausgaben von insgesamt zehn Milliarden Euro.

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Es ist ein wiederkehrendes Muster: Setzt eine Mehrheit im Parlament finanzielle Verbesserungen für Pensionistinnen und Pensionisten durch, ist aufseiten der Befürworter stets von verkraftbaren Kosten die Rede. Doch all die vermeintlich kleinen Maßnahmen, die im ersten Jahr überschaubar wirken, sagt Lukas Sustala, Direktor des Neos-Lab, summierten sich mit der Zeit massiv. Wie stark, ist in einer neuen Untersuchung des Thinktanks der kleinsten Oppositionspartei im Parlament nachzulesen.

Da ist etwa das Nachfolgemodell der berühmt-berüchtigten Hacklerregelung, einer mit Ende 2021 ausgelaufenen Frühpensionsvariante. Der von der türkis-grünen Regierung stattdessen eingeführte Frühstarterbonus kostet zwar weniger, ist à la longue aber noch lange nicht billig, wie die Berechnung der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) im Auftrag der Neos zeigt: Was heuer erst einmal "nur" 60 Millionen Euro verschlinge, schwelle bis 2045 auf Kosten von 900 Millionen an – pro Jahr.

In geringerem, aber aus pinker Sicht keineswegs vernachlässigbarem Ausmaß schlägt sich ein Beschluss vom Februar nieder, der in der Öffentlichkeit kaum Beachtung fand: Bei der anstehenden Anhebung des Frauenpensionsalters entschied sich die Regierung für eine Variante, die für eine gewisse Gruppe von Betroffenen vorteilhaft ist. Laut Neos-Rechnung betragen die Mehrkosten bis 2033 plus/minus 50 Millionen Euro pro Jahr.

Das Gesetz zählt wenig

Langfristige Ausgaben verursachen auch die verschiedenen Extra-Erhöhungen der Pensionen – in den Augen des Neos-Lab-Experten Günther Oswald eine Paradebeispiel dafür, "dass sich die Politik nicht an die eigenen Regel hält". Denn eigentlich ist das Gesetz eindeutig: Die Pensionen sind alljährlich um das Ausmaß der Inflation anzuheben. Doch regelmäßig übergehen Mehrheiten im Parlament die Vorgabe, indem sie niedrigen Pensionen mehr und hohen Pensionen weniger draufschlagen.

Die letzten fünf Erhöhungen verursachten bis 2040 Mehrkosten von insgesamt zehn Milliarden Euro, rechnet das Neos-Lab unter Berufung auf PVA-Zahlen vor. Am spendabelsten gab sich die Politik im Jahr 2020, auf das allein 4,18 Milliarden entfallen. Eine Corona-Krise war zum Zeitpunkt des Beschlusses noch nicht in Sicht, merkt Oswald, Autor der Analyse, süffisant an. Dafür tobte gerade ein Nationalratswahlkampf.

Aber hat unter dem Eindruck der Inflation nicht auch Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker das jüngste Extraplus für vertretbar gehalten? Über Ausnahmen in besonderer Situation könne man immer reden, argumentieren Sustala und Oswald. Aber wenn in zehn von 17 Jahren mehr Geld ausgeschüttet wird als vom Gesetz vorgegeben, sei diese Praxis längst zur Regel geworden.

Untergrabenes Versicherungsprinzip

Die Neos-Vertreter untermauern mit diesen Zahlen nicht nur ihre Warnung vor explodierenden Pensionskosten, die allmählich den Spielraum für Investitionen in Bildung, Forschung oder Klimaschutz auffressen würden. Sie beklagen auch die zunehmende Verwässerung des Versicherungsprinzips, die das System ungerecht mache.

Was damit gemeint ist: Auf der einen Seite haben die niedrigen Pensionen durch die asymmetrischen Erhöhungen massiv profitiert. Die Ausgleichszulage für Alleinstehende, eine Art Mindestpension, stieg von 2005 bis 2023 um 15 Prozentpunkte stärker als die Inflation. Weil Regierungen zusätzlich noch Boni für Menschen mit langen Versicherungszeiten eingeführt haben, steigen manche Gruppen von Mindestpensionisten noch weitaus besser aus.

Auf der anderen Seite wurden jene zu Verlierern, deren Pensionen im Gegenzug aus Kostengründen nicht um die volle Inflation erhöht wurden: Das oberste Zehntel der Altersbezüge hat laut der Neos-Auswertung der PVA-Daten um 14 Prozentpunkte an Wert verloren. Dabei gehe es keinesfalls nur um Spitzeneinkommen, fügt Oswald an: Die Gruppe fange bei einer Bruttopension von 2.700 Euro an.

Diese Entwertung sei nicht nur aus Sicht der benachteiligten Beitragszahler problematisch, so die Kritik. Wer damit rechnen müsse, dass die eigenen Pensionsansprüche gekürzt werden, verspüre womöglich auch keinen Drang, die Arbeitszeit auszuweiten – was den vielbeklagten Arbeitskräftemangel kaum lindern werde. Sozialpolitik sei notwendig, sagt Sustala, aber nicht über Umverteilung im Pensionssystem.

Die unberechenbare Pensionspolitik untergrabe das Vertrauen ins System, so die Conclusio. Als Gegenmittel empfehlen die Neos eine entpolitisierte, ernstzunehmende Alterssicherungskommission sowie einen "Nachhaltigkeitsmechanismus", der das System an die steigende Lebenserwartung anpasst. Dazu kommt ein frommer Wunsch: "Die Politik soll sich an die eigenen Gesetze halten." (Gerald John, 3.4.2023)