Freshness und Cuteness gehen vor Lebenserfahrung und Weisheit.
Foto: AP/Mary Altaffer

Nicht das Bett ist, wie die meisten wissen, der beste vierbeinige Freund des Menschen, sondern der Hund. Während aber die Welpen und Jungspunde aller Rassen und Mischungen bejubelt, geherzt und gnadenlos bei jeder Gelegenheit durch das Instagram-Dorf getrieben werden, fliegt der alternde Hund etwas unter dem Aufmerksamkeitsradar. Ein wenig spiegelt das die Gesellschaft wider, in der Freshness und Cuteness vor Lebenserfahrung und Weisheit gehen.

Aber sei's drum: Das hier wird eine Ode an den alten Hund. An den Hund, dessen Fell schon struppig wird und nicht mehr in der Sonne glänzt, dessen Schnauze ergraut und dessen Augen diesen hellen Schleier bekommen, der das Tier etwas geisterhaft erscheinen lässt, dessen Zähne dafür dunkler und dessen Maulgeruch … ach, lassen wir das. Es soll doch eine Ode werden! Ein alter Hund, der keine so großen Runden mehr im Grünen drehen kann, kann umso größere im Herzen der Besitzenden anlegen: mit seiner Kenntnis der Tagesabläufe, mit seinem Verständnis der handelnden Akteure trotz all ihrer Fehler, mit seiner Bereitschaft zu komplexer Kommunikation, die sich aus Hundelebenserfahrung speist.

Ein alter Hund muss nichts mehr beweisen, er kennt die Welt und vertraut auf sein Wissen. Erst in diesem Lebensabschnitt wird sich zeigen, ob der Liebling tatsächlich ein Liebling ist und nicht nur hübsche Staffage: Es ist ein Test. Für die Menschen. (Julya Rabinowich, 2.4.2023)