Auch die Europäische Zentralbank wälzt Pläne für einen "digitalen Euro".

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Nach der Weltfinanzkrise vor 15 Jahren ist wieder eine Bankenkrise ausgebrochen. Von der Öffentlichkeit und den Medien wenig beachtet, hat dies digitale Zentralbankwährungen (Central Bank Digital Currencies – CBDCs) erneut in den Blick gerückt. So hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde kürzlich auf die Notwendigkeit von CBDCs hingewiesen, während umgekehrt Floridas Gouverneur Ron DeSantis kürzlich ein Gesetz zum Verbot von CBDCs vorgeschlagen hat. Was haben CBDCs mit den aktuellen Turbulenzen in der Finanzwelt zu tun?

CBDCs sind digitale Formen von sogenanntem Fiat-Geld, das von der Zentralbank eines Landes ausgegeben wird. Sie sollen physisches Bargeld ergänzen oder sogar ersetzen. CBDCs ähneln Kryptowährungen wie Bitcoin insofern, als sie in der Regel Digital Ledger Technology (DLT) wie Blockchain zur Aufzeichnung von Transaktionen verwenden. Sie unterscheiden sich aber dadurch, dass sie zentralisiert sind, d. h. von einer zentralen Stelle ausgegeben werden. In der Regel ist das die Zentralbank eines Landes.

Das Konzept von CBDCs hat in den letzten Jahren stark an Aufmerksamkeit gewonnen, und viele Länder erforschen derzeit ihr Potenzial. China, das in diesem Bereich führend ist, hat bereits eine digitale Version seiner Währung, den digitalen Yuan, eingeführt, die in mehreren Städten erprobt wird. Andere Länder sind ebenfalls dabei, ihre eigene CBDC zu entwickeln. Die EU zum Beispiel denkt über einen "digitalen Euro" nach. Die Website cbdtracker.org zeigt, dass es kaum ein Land gibt, das sich nicht für das Thema interessiert.

Von Wholesale und Retail CBDCs

Es gibt zwei Haupttypen von CBDCs: "Wholesale CBDCs" und "Retail CBDCs". Wholesale CBDCs sind nur für den Einsatz zwischen Banken und anderen Finanzinstituten gedacht. Daher werden sie keine großen Auswirkungen auf das Leben des Durchschnittsbürgers haben.

Retail CBDCs hingegen sind für die Nutzung durch die Allgemeinheit gedacht, zum Beispiel für die Bezahlung von Lebensmitteln in einem Supermarkt. Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass zunächst Wholesale CBDCs eingeführt werden könnten, dass aber zu einem späteren Zeitpunkt zwangsläufig auch Retail CBDCs eingeführt werden, die Bargeld zunächst ergänzen und dann ablösen.

Nach der vollständigen Ablösung von Bargeld durch eine Retail CBDC würden Bürger und Unternehmen letztlich weder über Bargeld noch über Bankkonten verfügen; stattdessen würden sie ein Konto direkt bei der Zentralbank haben. Die Zentralbank müsste die Funktionen der Kontoeröffnung, der Kontoführung und der Einhaltung regulatorischer Vorschriften übernehmen. Das sind Aufgaben, die bisher von Banken wahrgenommen wurden und die in dieser neuen Situation wiederum an Banken ausgelagert werden könnten. Auf dieses wahrscheinliche Endszenario möchte ich mich im Folgenden konzentrieren.

Warum sich Staaten für CBDCs interessieren

Aus der Sicht von Staaten gibt es viele gute Gründe für die Einführung von CBDCs, darunter die folgenden:

Keine physischen Banknoten und Münzen: Mit CBDCs wäre kein physisches Geld mehr nötig, was Kosten (und CO2) einsparen könnte, die mit der Gestaltung, dem Druck, dem Transport, der Lagerung und der Entsorgung von Banknoten und Münzen verbunden sind. Man denke nur an die logistischen und sicherheitstechnischen Aspekte der Bestückung von Geldautomaten mit Banknoten, die alle wegfallen würden. Auch gefälschte Banknoten würden der Vergangenheit angehören.

Keine "unbanked individuals": Mit Retail CBDCs, so das Versprechen, hätte endlich jeder die Möglichkeit, ein Bankkonto zu bekommen; es gäbe keine Menschen ohne Bankverbindung. Finanzielle Ausgrenzung ist in vielen unterentwickelten Teilen der Welt ein Problem, aber auch in den USA und (in geringerem Maße) in Europa gibt es einen bestimmten Teil der Bevölkerung, für den die Banken keine Giro- und Sparkonten eröffnen. Eine Retail CBDC würde es jedem ermöglichen, ein Konto (bei der Zentralbank) zu erhalten.

Erleichterte Umsetzung von Geldpolitik: CBDCs würden den Zentralbanken eine größere Kontrolle über die Geldpolitik verschaffen und es ihnen beispielsweise ermöglichen, Negativzinsen und Helikoptergeld schnell umzusetzen. Auf Knopfdruck könnte jeder Bürger beispielsweise Geld von der Zentralbank erhalten (zum Beispiel während einer Pandemie), das sich in Luft auflöst, wenn es nicht innerhalb einer bestimmten Zeitspanne ausgegeben wird.

Erleichterte Aufdeckung von Straftaten: Da alle Transaktionen mit CBDCs in einem Journal aufgezeichnet werden und somit rückverfolgbar sind (im Gegensatz zu anonymen Barzahlungen), wären Straftaten wie Bestechung oder Geldwäsche viel leichter aufzudecken und könnten möglicherweise ein für alle Mal unterbunden werden. Der Koffer voller Bargeld, der auf einem schwach beleuchteten Parkplatz übergeben wird, würde der Vergangenheit angehören.

Erleichterte Verhinderung von Steuerhinterziehung: Auch Steuerhinterziehung durch Schwarzarbeit wird nicht mehr möglich sein, wenn ein Steuerzahler nicht mehr über Bargeld oder Bankkonten, sondern nur noch über CBDCs verfügt. Außerdem könnten Steuern (zum Beispiel Einkommen- oder Umsatzsteuer) direkt an der Quelle erhoben werden.

Einfache Durchsetzung von Sanktionen: Personen, gegen die Sanktionen verhängt wurden, kann der Zugang zu ihren CBDC-Konten problemlos entzogen werden, sobald sie auf einer Sanktionsliste stehen, ohne dass sich ein Staat bei der Umsetzung von Sanktionsentscheidungen auf Banken verlassen muss. Das Gleiche gilt für missliebige Demonstranten, denen schnell der Geldhahn zugedreht werden könnte.

Keine Notwendigkeit einer Einlagensicherung: Bei Retail CBDCs wären keine Einlagensicherungssysteme erforderlich, da das Geld der Bürger direkt bei der Zentralbank und nicht bei Geschäftsbanken gehalten würde. "Bank runs", bei denen Anleger ihre Einlagen panikhaft abziehen, würden der Vergangenheit angehören.

Prestige: Zentralbanker sehen die erfolgreiche Einführung einer CBDC wahrscheinlich als ein Prestigeprojekt, das ihre Innovationsfähigkeit unter Beweis stellt und sie als fortschrittlich ausweist.

Reaktion auf den Kryptoboom: CBDCs werden auf staatlicher Seite wahrscheinlich auch als Reaktion auf dezentralisierte Krypto-Assets und Stablecoins gesehen, denen sie den Wind aus den Segeln nehmen sollen.

Was gegen CBDCs spricht

Aus der Sicht von Bürgerinnen und Bürger gibt es jedoch drei wichtige Nachteile von CBDCs:

Privatsphäre: Mit CBDCs hätten Zentralbanken einen vollständigen Überblick über Bewegungen im Geldsystem. CBDCs gewähren keineswegs ein mit Bargeld vergleichbares Maß an Anonymität. Dies wirft Bedenken hinsichtlich Privatsphäre und staatlicher Überwachung auf. Selbst wenn durch kryptografische Methoden die meisten Transaktionen verschleiert und nur einige wenige Transaktionen offengelegt würden, besteht immer das Risiko eines Missbrauchs. Es ist kein Wunder, dass ein gefährlicher autoritärer Staat wie China das erste Land war, das der Regierung ein leistungsfähiges Instrumentarium zur direkten Überwachung der finanziellen Aktivitäten seiner Bürger zur Verfügung stellte.

Hacking: Das derzeitige dezentralisierte System mit Tausenden von Banken kann nicht so leicht gehackt werden wie ein zentrales CBDC-System. Die Erfahrung lehrt außerdem, dass der private Sektor viel besser mit Cyberbedrohungen umgeht als staatliche Stellen.

Souveränität: CBDCs verlängern lediglich unser antiquiertes Geldsystem ohne wirkliche Souveränität: Sowohl Geld, das man bei einer Bank hält, als auch Geld, das man bei einer Zentralbank hält, gehört einem nicht wirklich. Man hat lediglich einen Herausgabeanspruch, der erfüllt oder nicht erfüllt werden kann. Nur Krypto-Assets, die durch einen privaten Schlüssel kontrolliert werden, stellen absolutes Eigentum dar.

Wer einen allmächtigen Überwachungsstaat fürchtet, den Versprechungen von Bürokraten betreffend angeblich sichere Systeme keinen Glauben schenkt und für finanzielle Souveränität eintritt, muss gegen CBDCs sein. Satoshi Nakamoto, der Gründer von Bitcoin, wäre strikt gegen CBDCs gewesen. (Niklas Schmidt, 4.4.2023)