Um die Osterzeit werden in Österreich 70 Millionen Eier verzerrt und Eierschalen tonnenweise weggeworfen, aber die medizinische Forschung findet Verwendung für sie.

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Am Ostersonntag werden allein in Österreich Millionen Eier geschält und genossen. Was mit den Eierschalen passiert, interessiert die meisten nicht sonderlich, üblicherweise landen sie im Restmüll. Dass sie in Zukunft ein wichtiger Stoff für die Medizin sein könnten, kommt wahrscheinlich wenigen in den Sinn.

Wie das Ei selbst besteht die Eierschale aus zwei wichtigen Teilen, der Schale und der Membran. Letztere kennt man als die Haut, die manchmal beim Schälen am Ei klebenbleibt. In der medizinischen Forschung werden beide untersucht.

Die Schale ist wegen ihres sehr hohen Gehalts an Calciumcarbonat und geringen Mengen an Calciumphosphat und Magnesiumcarbonat interessant. Beide Substanzen sind für den Knochenstoffwechsel besonders wichtig. Die Membran wiederum beinhaltet viel Kollagen, Elastin und Hyaluronsäure, das wird gerne für die Hautpflege genutzt. Außerdem kommen diese Stoffe auch in unseren Gelenkknorpeln vor, das macht sie für die Medizin interessant.

Weil Eierschalen im Überschuss vorhanden sind, macht sie das zu einem billigen Rohstoff. Werden sie entsprechend effizient verarbeitet, können sie ein sehr profitables Material werden, das auch die Preise mancher medizinischer Produkte reduzieren könnte.

Müll wird zum Schatz

Die EU erkannte das Potenzial von Eierschalen schon früh. Bereits vor einem Jahrzehnt finanzierte sie das Projekt Shellbrane, das sich mit der industriellen Trennung von Schale und Membran beschäftigte. Ziel war es, die Eierschalenabfälle der Industrie zu recyclen und die wertvollen Stoffe der Membran weiterzuverkaufen. Unternehmen sollen dadurch von Abfällen profitieren können und gleichzeitig Entsorgungskosten einsparen.

Der Prozess der Trennung von Eierschale und Membran gestaltet sich jedoch noch schwieriger als das Trennen von Eiweiß und Eidotter beim Backen, eine eigene Maschine musste dafür entwickelt werden. Diese arbeitet in drei Schritten: Zuerst wird die Membran von der Eischale getrennt, dann wird diese mit UV-Strahlung desinfiziert und schließlich mit kalter Luft getrocknet, damit man sie auch verarbeiten kann.

Mittlerweile sind solche Maschinen nicht mehr Zukunftsmusik, sondern schon im Einsatz. Der Bereich der Eierschalentrennung ist eine neue Nische in der Industrie, Eierschalenmembran-Produkte werden für Nahrungsergänzungsmittel und Skincare genutzt.

Wundheilung durch Eierschalenmembran

Ein weiteres Projekt, das Geld von der EU bekommen hat, ist Dermarep. Das norwegische Health-Tech-Unternehmen Biovotec arbeitet daran, Wundverbände aus Eierschalenmembran herzustellen. Die Eierschalenmembran initiiert den Heilungsprozess auf mehreren Ebenen. Wegen ihrer speziellen Eigenschaften wirkt sie Gewebeschäden bei chronischen Entzündungen entgegen. Sie bindet Matrix-Metalloproteasen (MMP), die ein wesentlicher Risikofaktor für verzögerte Wundheilung sind, und entfernt sie damit aus der Wunde. Und sie fördert die Bildung neuen Bindegewebes und mikroskopisch kleiner Blutgefäße.

Die Verbände aus Eierschalenmembran sollen eine kostengünstigere Variante zu Wundverbänden aus Kollagen sein, die sehr teuer sind. Kollagen wird aus Schlachtabfällen gewonnen, meist aus der Haut von Schweinen und Rindern. Die Eierschalenmembran enthält aber ebenso viel Kollagen und wäre deshalb eine gute vegetarische Alternative.

Das Projekt Dermarep endete offiziell am 31. März 2023, erste Tests mit dem Produkt am Menschen wurden auch schon durchgeführt. Wann genau das Produkt auf den Markt kommt, ist noch unklar.

Bereits am Markt sind aber Nahrungsergänzungsmittel aus Eierschalenmembranen, die Schmerzen durch Gelenkverschleiß und Arthrose mildern sollen. Das wurde auch in einer Studie untersucht – mit positivem Ergebnis. Bei einer Dosis von 500 mg täglich konnten schon nach zehn Tagen Verbesserungen beobachtet werden. Die Probanden und Probandinnen berichteten von einer Schmerzreduktion von fast 16 Prozent sowie 12,8 Prozent weniger Steifheit. Nebenwirkungen wurden keine beobachtet.

Auf Eierschalen laufen

Eine ganz neue Dimension in Bezug auf Eierschalen eröffnet die Arbeit von Forscherinnen und Forschern an der University of Massachusetts Lowell. Dort arbeiten ein Team daran, Knochentransplantate mithilfe von Eierschalen herzustellen. Im Journal "Biomaterials Science" veröffentlichte es seine Ergebnisse.

Bricht ein Knochen, wächst dieser mit Glück von selbst wieder zusammen. Ist der Schaden am Knochen jedoch zu schwerwiegend, benötigt man womöglich eine Knochentransplantation. Dabei wird in die beschädigte Stelle ein Transplantat eingefügt, damit der Knochen wieder zusammenwachsen kann. Das Transplantat fungiert hierbei nicht als Ersatz für das Knochengewebe, sondern regt dessen Bildung nur an. Die knochenabbauenden Zellen, die Osteoklasten, bauen das Transplantat in Zusammenarbeit mit den knochenbildenden Zellen, den Osteoblasten, in eigene Knochen um.

In der Regel werden hierfür Teile der eigenen Knochen benutzt oder die Knochen von Verstorbenen. Bei den eigenen Knochen ist eine Operation nötig, bei der ein Stück eines intakten Knochens entfernt wird. Knochen von Toten werden wiederum in spezifischen Einrichtungen aufbereitet. Metallimplantate sind eine weitere Möglichkeit, aber diese müssen wieder entfernt werden.

Da die Organisation dieser Transplantate aufwendig und teuer ist, wendeten sich die Forschenden einem Stoff zu, den es im Übermaß gibt – den Eierschalen. Diese sind nämlich ähnlich wie Knochen aufgebaut, beide bestehen größtenteils aus Calciumcarbonat, und ihre Zellen bauen sich ähnlich ab. Diese Ähnlichkeit solle die Aufnahme des Transplantats durch den Körper – im Gegensatz zu künstlichen Implantaten – verbessern.

Ein sogenanntes Hydrogel aus Polymer wird mit zerstoßenen Eierschalen verstärkt und fungiert als eine Art Gerüst für die Knochenzellen. Die Anwendung des neuen Materials ist nicht nur auf Knochen beschränkt, es könnte auch helfen, neue Sehnen, Knorpel und Zähne wachsen zu lassen. Noch wird dieser Ansatz erforscht, am Menschen wurde er noch nicht getestet. Ob es sich dabei wirklich um das Gelbe vom Ei handelt, wird sich also erst zeigen. (Laura Schnetzer, 7.4.2023)