Paris war 2018 eine der ersten Städte, die den E-Scooter-Verleih zugelassen hatten. Jetzt wird die Lichterstadt an der Seine eine der ersten sein, die ein Verbot aussprechen: Bürgermeisterin Anne Hidalgo kündigte am Sonntagabend an, die Vermieter müssten ihre insgesamt 15.000 Roller per Stichtag 1. September aus dem Verkehr nehmen.

Seit ihrer Einführung 2018 erregen Leih-E-Roller in Paris die Gemüter. Als erste europäische Hauptstadt wird die Metropole die Scooter nun von ihren Straßen verbannen
DER STANDARD

Paris zieht damit die Konsequenzen aus einer Bürgerbefragung, die am Sonntag ein unmissverständliches Votum ergeben hatte: 89 Prozent der Abstimmenden sprachen sich für ein Verbot der "E-Trottinettes" aus, wie sie in Frankreich genannt werden. Insgesamt gingen allerdings nur 103.000 Stimmberechtigte an die Urne, was einer Stimmbeteiligung von knapp acht Prozent entspricht.

Uninformierte Jugendliche

In den Wahlsprengeln lag das Alter der Abstimmenden deutlich über dem üblichen Durchschnitt. Viele Jugendliche waren nicht einmal über die Befragung informiert. Die drei Verleihdienste Lime, Tier und Dott hatten zwar Influencer angeheuert, die via Internet Stimmung für die offenbar lukrative Vermietung der Elektroroller machen sollten – doch offensichtlich ist die Ablehnung dieser neuen Fortbewegung viel vehementer als die Zustimmung.

Eine 66-jährige Frau erklärte in einem Wahllokal, sie traue sich kaum mehr auf die Straße, da sie Angst habe, von einem E-Scooter über den Haufen gefahren zu werden. Im vergangenen Jahr hatte die Polizei 400 Unfälle mit Rollern gezählt; drei gingen tödlich aus.

Zur fehlenden Disziplin kommt eine regelrechte Wegwerfmentalität hinzu. Viele der bunten Zweiräder werden in Paris – wie auch oft in Wien – an den unmöglichsten Orten abgestellt, wenn sie nicht gleich in die Seine geworfen werden. Die Stadtverwaltung hatte das Alter der Mieter und die Geschwindigkeit der Roller gesenkt, dazu die Strafen auf 135 Euro erhöht, ohne dass dies die Lage spürbar verbesserte.

Ärger über Boomer-Generation

In den sozialen Medien äußerten junge User aber auch viel Ärger über die "ewig 'nein' sagenden Boomer". Die Roller verpesteten die Luft weniger als die Autos, hieß es; und gerade für junge Frauen sei der Verleih ein praktisches Mittel, abends unbehelligt nach Hause zu kommen, ohne die gefährliche Metro nehmen oder dunkle Straßen benützen zu müssen.

Vielerorts las man abfällige Kommentare über die "Pseudo-Demokratie" einer Bürgermeisterin, die nicht einmal in der Lage sei, einen zufriedenstellenden Fahrradverleih aufzuziehen.

Die Rollerverleiher haben den Volksentscheid akzeptiert und versprechen, den Dienst per 1. September einzustellen. Private Scooter sind von dem Pariser Verbot freilich nicht betroffen. Sie sind sogar zahlreicher als die Leihroller, wenn auch statistisch gesehen weniger häufig unterwegs. Vor allem verhalten sich Besitzer mit ihrem eigenen Gefährt verantwortungsvoller und fahren zivilisierter, wie Studien ergeben haben. Und vielleicht veranlasst sie das nun beschlossene Ausleihverbot zusätzlich, auf Fußgängerinnen und Fußgänger auf den Gehsteigen mehr Rücksicht zu nehmen. (Stefan Brändle aus Paris, 3.4.2023)