"Blattschluss nach 320 Jahren", titelte die "Wiener Zeitung" am Freitag.

Foto: Screenshot/Wiener Zeitung

Wien – Die Umbaupläne der schwarz-grünen Regierung für die "Wiener Zeitung" stoßen innerhalb der Redaktion auf heftige Kritik. "Die Regierung vernichtet vorsätzlich eine Qualitätszeitung, und Blimlinger spricht auch noch über 'erfreuliche Adaptierungen' in Aussendungen", kritisiert Paul Vécsei, leitender Redakteur der "Wiener Zeitung". Er ist auch Koordinator des Redaktionskomitees "Rettet die Wiener Zeitung" und Präsidiumsmitglied der JournalistInnengewerkschaft.

Vécsei: 200 Millionen Euro für Inserate

Vécsei nimmt Bezug auf ein Interview, das Eva Blimlinger, Mediensprecherin der Grünen, dem STANDARD gab. Blimlinger spricht darin von 18 Millionen Euro, die künftig für die "Wiener Zeitung" zur Verfügung stünden. "Die Redaktion bekommt von dem Geld aber nur einen Teil, viel wird ganz geplant in andere Unternehmensbereiche gesteuert, etwa in den von allen Experten kritisierten Media-Hub", sagt Vécsei zum STANDARD. Und: "Gemessen an den mehr als 200 Millionen Euro öffentlicher Stellen für Inserate könnte die 'Wiener Zeitung' mit einem Minibetrag gerettet werden."

Es sei eine "Dreistigkeit, mit der die grüne Mediensprecherin die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt demontiert", so Vécsei.

Pläne für die "Wiener Zeitung"

Die Bundesregierung hat am Donnerstag die Weichen für die "Wiener Zeitung" gestellt. Das Gesetz dafür soll am 1. Juli 2023 in Kraft treten. Es sieht vor, dass die "Wiener Zeitung" ihren Fokus in Richtung Online verlagern soll. In Printform wird sie nur noch zehnmal im Jahr erscheinen. Das Redaktionsbudget wird auf 7,5 Millionen Euro gekürzt. Das restliche Geld der jährlich insgesamt rund 18 Millionen Euro fließt etwa in den Media-Hub, der als Praxisausbildung für Journalistinnen und Journalisten konzipiert ist, und in eine Content-Agentur, die auch PR-Texte liefern soll.

Vergangene Woche gab es auch den Vorstoß, dass die "Wiener Zeitung" über den "ORF-Beitrag", der ab 1. Jänner 2024 die GIS-Gebühren ersetzt und als Haushaltsabgabe eingehoben wird, finanziert werden könnte. Mit 25 Cent pro Monat und Haushalt könnte der Fortbestand des Journalismus in Print und Online gesichert werden, heißt es in Resolution der Redakteursversammlung. Insgesamt sollen so zwölf Millionen Euro pro Jahr in eine "Stiftung Wiener Zeitung" fließen.

Schlechtreden der Leserzahlen

Paul Vécsei kritisiert auch, dass Blimlinger die Leserzahlen der "Wiener Zeitung" "systematisch schlechtredet". "Nie spricht sie über unseren Online-Auftritt. Uns folgen mehr als 60.000 Personen auf Twitter und fast 50.000 auf Facebook. Wir erreichen bereits jetzt auch jüngere Leser online. Und selbst im Printbereich gibt es am Wochenende mit mehr als 40.000 aufgelegten Exemplaren viel Interesse."

"Falsche Zahlen"

Blimlinger sprach im STANDARD-Interview von einer verkauften Auflage von 8.000 Stück. Die durchschnittliche Auflage beträgt unter der Woche 14.250 Exemplare, am Wochenende sind es knapp 39.000. "Dialogverweigerung gegenüber der Redaktion und Zynismus gepaart mit falschen Zahlen sind Merkmal bei Blimlinger und Medienministerin Susanne Raab in ihrer Strategie, die älteste noch bestehende Zeitung der Welt zu zerstören", so Vécsei.

In den vergangenen Wochen und Monaten haben sich zahlreiche Initiativen formiert, die sich für den Erhalt des Mediums als gedruckte Tageszeitung und als Garantin für Qualitätsjournalismus eingesetzt hatten. Die "Wiener Zeitung" beschäftigt derzeit rund 40 Journalistinnen und Journalisten. Wie viele nach den Umbauplänen gehen müssen, ist noch unklar. Eine Arbeitsgruppe tüftelt am Neustart des Mediums. (omark, 3.4.2023)