Die Partei Gerb von Ex-Premier Bojko Borissow gewann knapp.

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Die klientelistische Partei Gerb von Ex-Premier Bojko Borissow gewann am Sonntag knapp die Wahlen in Bulgarien. Sie kam vorläufigen Ergebnissen zufolge auf 26,5 Prozent der Stimmen, gefolgt von den Reformkräften ("Wir setzen den Wandel fort" und "Demokratisches Bulgarien") mit 24,5 Prozent. An dritter Stelle liegt die rechtsextreme Pro-Kreml-Partei "Wiedergeburt" (14,1 Prozent), gefolgt von der als korrupt verschrienen "Bewegung für Rechte und Freiheiten" (13,7 Prozent) und den Sozialisten (8,9 Prozent). Auch die Partei des Entertainers Slawi Trifonow hat den Wiedereinzug mit 4,1 Prozent geschafft.

Die fünften Parlamentswahlen innerhalb von nur zwei Jahren ergaben keine klare Koalitionsoption. Möglich ist aber, dass die Reformkräfte eine Gerb-Minderheitsregierung im Parlament unterstützen – also keine formelle Koalition bilden, weil sie dies ausgeschlossen haben, aber zumindest gemeinsame Projekte wie die dringend notwendige Justizreform vereinbaren.

Spaltung

Hristo Ivanow von der Partei Demokratisches Bulgarien meinte in der Wahlnacht: "Die Ergebnisse bestätigen, dass unsere Gesellschaft stark gespalten ist, und das ist ein ernstes Problem. Demokratie ist ein Gespräch zwischen denen, die anderer Meinung sind. Das Votum sagt uns, dass wir lernen müssen, dieses Gespräch zu führen."

Borissow sprach sich bereits vor der Wahl für "eine Regierung zwischen den ersten beiden politischen Kräften" aus. Unklar ist bislang, ob er selbst Regierungschef werden möchte, was die Unterstützung der Reformkräfte erschweren würde. Diese könnten zudem die Minderheitsregierung jederzeit zu Fall bringen. Eine Minderheitsregierung der Gerb, die von den Reformkräften ermöglicht wird, erfordert schwierige Kompromisse und wird bei vielen Wählern der Reformparteien auf Ablehnung stoßen.

Die andere mögliche Option für die Gerb, eine Regierung mit der "Bewegung für Rechte und Freiheiten" und den Sozialisten wäre für Borissow von Nachteil, weil sie auch in der EU ein Imageproblem hätte – zumal die Sozialisten als prorussisch und queerfeindlich gelten.

Notwendige Stabilität

Eine stabile Regierung ist dringend notwendig. Denn in Bulgarien gab es in den letzten zwei Jahren nur kurze Zeit eine gewählte Regierung unter dem Reform-Premier Kiril Petkow. Ansonsten regierte in der Praxis Präsident Rumen Radew, der Technokraten-Regierungen ernannte. Die Gesellschaft ist tief gespalten zwischen prowestlichen Reformkräften und Beharrungskräften, die den Status quo – und die korrupten Praktiken – beibehalten wollen.

Auch geopolitisch ist Bulgarien entzweit. Viele Bürgerinnen und Bürger unterstützen den Kreml, auch im Krieg gegen die Ukraine. Die Kreml-Propaganda spielte auch im Wahlkampf eine zentrale Rolle. So wurde etwa fälschlicherweise behauptet, dass Bulgarien Soldaten in die Ukraine schicken wolle und die Euro-Einführung im Jahr 2024 oder 2025 schädlich sei. Diese Angstpolitik nutzte vor allem der rechtsextremen "Wiedergeburt" (Adelheid Wölfl, 3.4.2023)