Ryyan Alshebl floh 2015 nach Deutschland, bald ist er Bürgermeister in Ostelsheim.

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Es ist eine bemerkenswerte Karriere: Der Mann, der nun zum neuen Ortschef von Ostelsheim im Nordschwarzwald (Baden-Württemberg) gewählt wurde, ist erst 29 Jahre alt, er konnte außerdem die absolute Mehrheit der Stimmen abräumen.

Und Ryyan Alshebl ist Syrer. 2015 floh er aus seiner Heimat as-Suwaida nach Deutschland, ab 18. Juni regiert er den Ort mit seinen 2.500 Einwohnerinnen und Einwohnern.

Der Krieg und seine Flucht haben ihn stark geprägt. In den ersten zwei Jahrzehnten sei sein Leben so verlaufen, wie es sich "jeder ambitionierte junge Mensch hierzulande vorstellt", schreibt Alshebl auf seiner Website.

Studium der Bankbetriebslehre

Der Sohn einer Gymnasiallehrerin und eines Agraringenieurs, die der drusischen Glaubensgemeinschaft angehören, geht zur Schule, macht Matura und beginnt danach ein Studium der Bankbetriebslehre. Mit 21 Jahren jedoch ist Schluss damit.

Er habe die Wahl gehabt, sich "gezwungenermaßen zugunsten einer Kriegspartei im Krieg verheizen zu lassen" oder zu fliehen, sagt Alshebl. Er entscheidet sich zur "kalten, dunklen Flucht" und realisiert: "Alles, was selbstverständlich war, ist nicht mehr da." Das habe ihn etwas gelehrt, seither sei sein "Tun und Handeln von dieser Maxime dominiert": Man muss Verantwortung übernehmen.

In Deutschland kommt Alshebl zunächst in einige Sammelunterkünfte, schließlich landet er bei den Schwaben. Er lernt Deutsch, die Gemeinde Althengstett ermöglicht ihm eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten, und Alshebl kann seiner "Leidenschaft für Politik und Rechtsstaatlichkeit" nachgehen. Da er zu den Besten des Abschlussjahrgangs gehört, bekommt er vom Land Baden-Württemberg ein Stipendium im Rahmen der Begabtenförderung. Derzeit arbeitet er als Verwaltungsangestellter in Althengstett.

Parteiunabhängiger Kandidat

Bei der Bürgermeisterwahl trat der 29-Jährige als parteiunabhängiger Kandidat an, privat ist er jedoch Mitglied bei den Grünen. Privat steht jetzt, mit der neuen Aufgabe, auch eine Veränderung an: Alshebl will von Althengstett ins nahegelegene Ostelsheim ziehen.

Über seine Wahl am Sonntag sagte er: "Ostelsheim hat heute ein Zeichen der Toleranz und der Weltoffenheit für ganz Deutschland gesetzt." Digitalisierung, Familien- und Seniorenpolitik will der junge Syrer mit den Bürgerinnen und Bürgern besprechen – und das am liebsten "persönlich bei einem Kaffee oder Bier". (Birgit Baumann, 3.4.2023)