Mittlerweile rückt beinahe jedes Jahr ein anderer technologischer Trend in den Fokus der breiten Masse. Mit dem Aufkommen von ChatGPT steht 2023 unbestritten im Zeichen von künstlicher Intelligenz (KI). Immer mehr Menschen wird dadurch bewusst, wie stark verbreitet diese Technologie in unserem Alltag bereits ist – im Smartphone, in Suchmaschinen, in sozialen Medien oder bei der Wetterprognose, um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen.

Aber auch auf die Stadtplanung in Wien könnte KI künftig Auswirkungen haben, wie ein Forschungsprojekt am Austrian Institute of Technology zeigt. "Da geht den ganzen Tag der Wind", dafür wäre die Bundeshauptstadt wohl auch ohne STS und der berühmten Zeile des Hits Fürstenfeld bekannt. Mit smartem Städtebau sollen Wind, der durch die Gassen pfeift, und andere planerische Probleme bei Sanierungen oder Neubauten deutlich reduziert werden können. Weil so viele Faktoren ineinandergreifen, ist Städtebau aber eine hochkomplexe Angelegenheit. Welche Auswirkungen hat eine größere Grünfläche, wie ändern sich Fußgängerbewegungen, und was passiert, wenn ein Gebäude aufgestockt wird? Am AIT wurde ein System entwickelt, das Effekte von Änderungen blitzschnell berechnet und übersichtlich anzeigt. Entscheidungen der Planer werden also sofort sichtbar.

Maschinen arbeiten mit künstlich neuronalen Netzen, die dem menschlichen Gehirn ähneln.
Foto: Getty Images/iStockphoto

"Schnell und dumm"

"Ein Computer ist unglaublich schnell, genau – und dumm. Der Mensch ist unglaublich langsam, ungenau – und schlau. Die Kombination davon kann erstaunliche Dinge bewirken", sagt Laborleiter Angelos Chronis. KI und spezifische Computermodelle würden es den Planern ermöglichen, komplexe Daten zu Klima, Wind, Verkehr und Co zu verwenden, um Auswirkungen in Echtzeit darzustellen und Entscheidungen zu treffen. So ließe sich verhältnismäßig einfach ein Kompromiss für alle beteiligten Parteien finden.

Künstliche Intelligenz bringt zahllose neue Möglichkeiten mit sich, da sind sich alle einig. Das erzeugt allerdings auch viel Unmut und Angst. Wie aus einer Umfrage der Unternehmensberatung PwC hervorgeht, sehen 37 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher ihren Arbeitsplatz durch KI gefährdet. Drei Viertel der 1.001 Befragten fürchten, dass die Technologie negative Auswirkungen auf den Bildungsbereich haben könnte.

Der aktuelle KI-Hype fördert zudem bei vielen Menschen ein stärkeres Bewusstsein, was den Umgang mit den eigenen Daten angeht. Auch die äußerst treffsicheren Produktvorschläge von Amazon oder Facebook verlieren an Beliebtheit.

Empfehlung ohne Tracking

Genau da möchte Danube.ai ansetzen. Das Wiener Start-up hat eine sogenannte Empfehlungs-KI entwickelt, die zwar personalisierte Produktempfehlungen abgibt, das allerdings ohne den Einsatz von Cookies oder Log-in- und Registrierungsprozesse.

Was das genau bedeutet? Ein prominenter Kunde von Danube.ai ist die Vergleichsplattform Geizhals. Wählt man dort etwa ein Smartphone aus, empfiehlt die KI anhand der Eigenschaften dieses Modells und der Mausbewegungen weitere Handys und macht die Vorschläge mit jedem Klick konkreter. "In maximal drei Interaktionen schlägt das System ein passendes Produkt vor. Man erspart sich, Filter oder andere Größen zu definieren, um sich dann erst recht durch lange Produktlisten durcharbeiten zu müssen", sagt Geschäftsführerin Sabine Walch. Die KI erkenne die Präferenzen, es sei ähnlich wie bei einem Gespräch im Geschäft, wenn man dem Verkäufer sagt, was einem wichtig ist.

Danube.ai will Kundinnen und Kunden passende Produkte empfehlen, allerdings ohne dabei umfassend Daten zu sammeln.
Foto: Screenshot Geizhals

Weil keine persönlichen Daten im Spiel sind, kommt es laut Unternehmensangaben auch zu keinen Verzerrungen in den Ergebnissen, dem vielzitierten Bias. Die Software sei zudem mit der DSGVO und dem EU-AI-Act konform. Weitere Geschäftsfelder erhofft sich Walch im Medien- und im HR-Bereich, um zielgerichtetere Vorschläge zu machen.

Stürze erkennen

Auch in Bereichen, an die man beim Stichwort künstliche Intelligenz nicht unbedingt gleich denkt, kommt sie zum Einsatz. Etwa in Pflegeeinrichtungen zur Erkennung und Prävention von Stürzen. Im Jahr 2007 wurde das Unternehmen Cogvis als Spin-off der TU Wien gegründet und hat sich auf altersgerechte Assistenzsysteme spezialisiert und einen intelligenten 3D-Sturzsensor entwickelt. Mehr als 1300 Sensoren sind derzeit in 140 Pflegeeinrichtungen in Österreich im Einsatz. Laut Cogvis wurden mit deren Hilfe bereits über 50.000 Stürze erkannt und über eine Million Alarme ausgelöst.

Die Software analysiert das Geschehen im Raum und löst bei kritischen Bewegungen Alarm aus. "Um Stürze zu verhindern, analysieren wir den gesamten Aufstehprozess von Bewohnerinnen und Bewohnern, damit ihnen Pflegekräfte rechtzeitig zu Hilfe eilen können", heißt es seitens Cogvis. In einem Zeitraum, in dem Pflegekräfte 100 Stürze wahrnehmen, würden die 3D-Sensoren 230 Vorfälle erkennen. Eine Analysefunktion hilft, den Sturzhergang zu rekonstruieren, um das System weiter lernen zu lassen. Die Algorithmen sind außerdem auch auf Abwesenheitserkennung, Aggressions- oder Suizidprävention trainiert: Sie erkennen aggressive Verhaltensmuster und schlagen Alarm, wenn gefährdete Personen länger als 20 Sekunden vor einem Fenster stehen.

Cogvis hat laut eigenen Angaben bereits mehr als 50.000 Stürze erkannt.
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Auch im Kampf gegen die Corona-Pandemie spielte KI-Technologie eine Rolle. Anyline hat Smartphones das Lesen beigebracht, und deren Scan-Technologie kam unter anderem bei den PCR-Tests von "Alles gurgelt" zum Einsatz. Aktuell läuft es allerdings weniger gut, Anyline kündigte kürzlich 25 Mitarbeiter – ein Fünftel der Belegschaft.

Unabhängig davon glaubt der Staat an die Technologie. Unternehmen, die mit KI-Lösungen einen gesellschaftlichen Nutzen stiften, werden unterstützt. Die staatliche Förderbank AWS begleitet im Rahmen des "Vertrauenswürdige KI"-Programms Unternehmen für acht bis zwölf Monate. Dazu gibt es eine Förderung in Höhe von maximal 200.000 Euro. In puncto Vertrauenswürdigkeit orientiert man sich bei der AWS an den ethischen Leitlinien der EU.

Dieses Angebot richtet sich freilich nicht nur an Wiener Unternehmen, größtenteils haben die Start-ups aber hier ihren Sitz. Aktuell nehmen etwa Xund (medizinische Datenanalyse), Ireen (Immobilienverkauf), Xebris (Verkehrsdatenmanagement) oder Strucinspect (Inspektion Bauwerke) an dem Programm teil.

WienGPT im Entstehen

In einem Artikel über KI darf ein Chatbot nicht fehlen. Wer Fragen zum Leben in Wien hat, kann sich an den WienBot wenden. Vergangenes Jahr lieferte er 3,1 Millionen Antworten, das entspricht knapp sechs pro Minute. Bisher kamen dabei aber menschlich generierte Texte zum Einsatz – mit maschinellem Lernen hatte all das bisher nichts zu tun.

Entwicklungspläne gibt es allerdings. Sindre Wimberger, Erfinder des WienBots, arbeitet an einem "WienGPT" – einer möglichen Weiterentwicklung des WienBots. Bei Qualitätssicherung, Daten- und Diskriminierungsschutz gebe es aber noch Klärungsbedarf, sagt er. "Selbstbewusst formulierte, falsche Antworten, wie man sie bei ChatGPT erlebt, müssen wir vermeiden." Auch solle verhindert werden, dass WienGPT Anleitungen für strafbare Handlungen liefert – zum Beispiel, wie man ein Parkpickerl fälscht, meint Wimberger augenzwinkernd. Um sicherzustellen, dass der Bot nur aktuelle und richtige Auskünfte liefert, soll WienGPT vorrangig mit den Informationen der Webseite der Stadt Wien (www.wien.gv.at) arbeiten. (Andreas Danzer, Lisa Haberkorn, 5.4.2023)