Die Liebscher-Bracht-Methode gegen Schmerzen arbeitet mit sogenannten Osteopressurpunkten. Doch für diese gibt es keine wissenschaftliche Evidenz oder Studien.

Foto: Liebscher und Bracht

Hatten Sie jemals Schmerzen und haben online nach Hilfe gesucht? Dann kennen Sie die Videos von Liebscher & Bracht mit ziemlicher Sicherheit. Der Youtube-Gesundheitskanal des ausgebildeten Maschinenbauers Roland Liebscher-Bracht und seiner Frau Petra Bracht, Ärztin und Buchautorin zu veganer Ernährung, poppt sofort auf, wenn man Schmerzprobleme googelt. 1,9 Millionen Follower verzeichnet der Kanal der beiden. Die Videos versprechen schnelle und unkomplizierte Besserung von Schmerzzuständen mit unterschiedlichsten Ursachen, von Verspannungen über Kalkschulter bis Hallux rigidus.

Die beiden sind auch erfolgreiche Buchautoren. Ihre Titel wie "Die Artrose-Lüge", "Deutschland hat Rücken" oder "Abnehmen garantiert" sind Bestseller. Sie scheinen sehr erfolgreich in der Behandlung von Hilfesuchenden zu sein, ihre Firma hat rund 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und macht Millionenumsätze. Doch immer wieder gerät das Unternehmen in die Kritik.

So vertreibt es etwa auf seiner Homepage Schaumstoffpolster für rund 50 Euro oder sogar mehr als "Nackenretter", "Knieretter" oder "Rückenretter". Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen mahnte die Firma außerdem wegen irreführender Werbung zu ihren Nahrungsergänzungsmitteln ab, konkret wegen der Aussage: "Ob Gestresste, Schmerzgeplagte, Alt, Jung, Vegetarier, Veganer, Sportler oder Schwangere – unsere Premium-Nahrungsergänzungsmittel wurden für Menschen jeden Alters, in jeder Lebensphase und mit jedweden Lebensgewohnheiten entwickelt."

Die Verbraucherschützer hatten die Werbeaussage 2022 als unzulässig abgemahnt, da einige der verwendeten Inhaltsstoffe zum Beispiel allergische Reaktionen auslösen können und die zusätzliche Einnahme von Vitaminen bei bestimmten Personen schädliche Wirkungen hervorrufen kann, somit die Einnahme keinesfalls für "Menschen jeden Alters, in jeder Lebensphase und mit jedweden Lebensgewohnheiten" empfohlen werden kann. Das berichtet die deutsche "Zeitschrift für Physiotherapeuten".

Die Aussage fand sich jedoch Mitte Mai 2022 nahezu wortgleich wieder auf der Homepage. Dies werteten die Verbraucherschützer als kerngleichen Verstoß. Das Landgericht Frankfurt am Main bestätigte diese Rechtsauffassung im März 2023 und verhängte gegen Liebscher & Bracht eine Vertragsstrafe in Höhe von 4.000 Euro (Az. 3-10 O 64/22). Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ("FAZ") berichtet, dass sich die Betreiber auch nicht mehr selbst als "Schmerzspezialisten Nr. 1" bezeichnen oder ausschließlich sehr gute Kundenbewertungen auf der Firmenseite freigeben dürfen.

Fragwürdige Osteopressurpunkte

Die Beschwerde der Verbraucherzentrale kommt nicht aus heiterem Himmel. Die Therapieansätze von Liebscher & Bracht werden in der Branche generell sehr kritisch gesehen. Wichtigster Kritikpunkt: Ihnen fehle jede Wissenschaftlichkeit.

Roland Liebscher-Bracht hat laut eigenen Aussagen in den vergangenen 30 Jahren gemeinsam mit seiner Frau ein Konzept erforscht und entwickelt, mit dem man Schmerzen behandeln kann, weiß Constance Schlegl, Präsidentin von Physio Austria, dem Bundesverband der Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten in Österreich. Der selbsternannte Schmerzspezialist wartet dabei mit teilweise spektakulär anmutenden Ergebnissen seiner Behandlungsmethode auf und sagt, dass es ihm und mehreren Tausend nach seiner Methode ausgebildeten Schmerztherapeutinnen und -therapeuten gelinge, die Beschwerden von schmerzgeplagten Menschen in nur einer Therapiesitzung um bis zu 90 Prozent zu lindern. Wissenschaftliche Studien, die den Erfolg dieser Methode zeigen, gibt es aber nicht.

Die sensationellen Ergebnisse sollen über sogenannte Osteopressurpunkte gelingen, von denen die beiden 72 über das Skelett verteilt definiert haben. Man drückt diese Punkte, die Schmerzen verschwinden, lautet das Heilsversprechen. "Doch für diese Punkte gibt es keinen einzigen wissenschaftlichen Nachweis, weder in anerkannten medizinischen Suchmaschinen wie PubMed noch in der Cochrane-Library findet man Publikationen dazu", weiß Schlegl. Googelt man das Konzept, stößt man immer nur auf Seiten, die wiederum auf die Methode von Liebscher-Bracht referenzieren.

Behandlung ohne entsprechende Ausbildung

Die Liebscher-Bracht-Methode kann man auch erlernen. Ob man eine Berufsberechtigung für einen Gesundheitsberuf hat, scheint dabei aber nicht relevant zu sein. Schlegl berichtet, dass der Verband Physio Austria bereits vor einigen Jahren gegen Personen rechtlich vorgegangen ist, die mit der Liebscher-Bracht-Methode gearbeitet haben, aber keine entsprechende Grundausbildung und Qualifikation hatten.

Das Grundproblem bei der Liebscher-Bracht-Methode, sagt Schlegl, ist, "dass dabei definitiv Heilsversprechen abgegeben werden, und das ist nicht zulässig". Es gibt keine ordentliche Anamnese, wie es eine seriöse physiotherapeutische Vorgehensweise verlangt, um abzuklären, woher die Schmerzen kommen, wodurch sie ausgelöst werden und ob vielleicht ein ganz anderes Problem dahintersteckt.

Und auch die Youtube-Videos mit einfachen Tricks zur Schmerzlinderung findet Schlegl schwierig: "Es stimmt schon, den meisten tut einmal etwas weh, und man versucht, selbst etwas dagegen zu tun. Aber die Videos suggerieren, dass man jedes Problem mit ein paar einfachen Handgriffen in den Griff bekommen kann. Sie gaukeln vor, dass es für ein oft komplexes Problem eine schnelle Lösung gibt. Und das ist einfach unseriös." Darüber hinaus passiere genau das Gegenteil davon, was vermittelt werde, nämlich dass man damit die eigene Gesundheitskompetenz fördere: "Die Lösung ist bereits vorgegeben, es gibt keinen Spielraum. Und das schadet letztendlich der eigenen Gesundheitskompetenz."

Zu einseitige Betrachtung

Insgesamt fehle dem Liebscher-Bracht-Konzept die umfassende Betrachtung. "Schmerz ist mehr als nur das physische Empfinden. Das biomechanische Schmerzmodell, so wie es in der Physiotherapieausbildung gelehrt wird, bezieht auch Gesundheitskompetenz und Selbstwirksamkeit ein, geht auf Lebensstil, Medikamenteneinnahme und mehr ein." Liebscher-Bracht verwendet stattdessen Begriffe wie "Alarmschmerz", spricht von kaputter Wirbelsäule oder zerstörtem Knie. "Wir wissen aber, dass dieses Katastrophieren wirklich kontraproduktiv ist, es schürt Angst bei den Betroffenen und verstärkt die Chronifizierung von Schmerz", betont Schlegl.

Die positiven Berichte von Patientinnen und Patienten nach einer Liebscher-Bracht-Behandlung seien dabei durchaus nachvollziehbar: "Es gibt den Placeboeffekt, Zuwendung und Berührung lösen eine Reaktion aus. Ob die Ergebnisse tatsächlich nachhaltig sind, ist aber nicht klar." Oft seien sie Schmerzen nur kurzfristig weg. Das Drücken auf Osteopressurpunkte sei ähnlich, wie wenn man ein Schmerzmittel gegen Kopfweh nehme: Die Schmerzen sind zwar für eine Weile weg, aber die Ursache an sich ist nicht behoben.

Schlegl sieht aber durchaus auch etwas Positives an dem Trend, sich Hilfe für gesundheitliche Probleme auch im Internet zu suchen: "Wenn Menschen dazu animiert werden, sich mit ihrer Gesundheit auseinanderzusetzen, und sie Tools bekommen, die ihnen dabei helfen, ist das an sich gut. Aber daraus kann man einfach nicht ableiten, dass Schmerzen in wenigen Minuten kuriert werden können. Ich würde mich nie trauen, meinen Patientinnen und Patienten so ein Versprechen zu geben."

Natürlich finden sich im Liebscher-Bracht-Konzept bewegungstherapeutische Ansätze, doch die sind nicht neu, sondern einfach sehr marktpopulistisch aufbereitet, sagt Schlegl. "Das Konzept ist einfach nicht umfassend oder mit aktueller Evidenz hinterlegt. Sonst würde es sich ja in jeder Leitlinie zur Schmerzbehandlung finden." (Pia Kruckenhauser, 6.4.2023)