Das Treffen mit dieser Parlamentssprecherin ist nicht so umstritten: Tsai hört im Parlament in Belmopan, Belize, Valerie Woods zu.

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Trifft sie ihn, oder trifft sie ihn nicht? Seit Wochen schon waren Spekulationen im Gange, ob es zum Treffen zwischen Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen und dem Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, kommen werde. Der hochrangige US-Vertreter, seines Zeichens Dritter in der US-Rangliste – nach Präsident Joe Biden und seiner Vize Kamala Harris –, hatte bereits vor Wochen angekündigt, dass er die Staatschefin der umstrittenen Insel bei einem ihrer Zwischenstopps in den USA treffen würde. Erst am Dienstag kam schließlich die Bestätigung aus dem taiwanischen Präsidentenamt.

McCarthys Büro selbst gab am Montag bekannt, dass das Treffen am Mittwoch in der Ronald-Reagan-Präsidentenbibliothek nahe Los Angeles über die Bühne gehen wird. Anwesend werden Vertreter beider großen US-Parteien sein, also nicht nur von McCarthys Republikanern, sondern auch den Demokraten. China, beziehungsweise Taiwan im Speziellen, ist eines der wenigen Themen in den USA, bei denen es im Großen und Ganzen einen überparteilichen Schulterschluss gibt.

In China wird so ein Treffen jedoch als Provokation aufgenommen. Denn Peking sieht in Taiwan abtrünniges Territorium. Kontakte zwischen hochrangigen Vertretern Taiwans und den USA, die als wichtige Schutzmacht der Insel in Südostasien gelten, sind Peking ein Dorn im Auge.

"Katastrophale Fehler"

So warnte Peking am Dienstag McCarthy, dass man nicht "katastrophale Fehler" wiederholen solle, so eine Mitteilung des chinesischen Konsulats in Los Angeles. Damit spielte das Konsulat auf ein Treffen von McCarthys Vorgängerin Nancy Pelosi mit Tsai an, das vergangenen Sommer in Taiwan stattgefunden hat. Peking reagierte auf den Besuch mit wochenlangen Militärübungen um die Insel.

Ein großer Unterschied ist jedoch, dass Pelosi damals selbst nach Taiwan reiste. Das hatte ursprünglich auch McCarthy geplant. Dem Vernehmen nach wurde der Plan nach Besprechungen mit der taiwanischen Regierung aber geändert, um Peking zu besänftigen. Tsai befindet sich gerade auf dem Rückweg von einer Lateinamerikareise, bei der sie zwei der letzten diplomatischen Verbündeten Taiwans, nämlich Guatemala und Belize, besucht hat. Beim Zwischenstopp in den USA soll es nun zu dem Treffen kommen.

Tsai Ing-wen bekräftigte auf ihrem Trip unter anderem die diplomatischen Beziehungen mit Belize.
Foto: Reuters/TAIWAN PRESIDENTIAL OFFICE

Dass die Planänderung Peking aber nicht ausreicht, machte die Volksrepublik bereits im Vorfeld klar. Ein Treffen mit Tsai würde alle "chinesischen Menschen gegen den gemeinsamen Feind vereinen", hieß es weiter vom Konsulat. Der Zwischenstopp in L.A. sei eine "politische Show".

Die USA betonen, dass derartige Transits Routine seien. China solle daher nicht überreagieren. US-Außenminister Antony Blinken forderte China am Mittwoch auf, die Spannungen nicht weiter anzuheizen. "Das heißt im Klartext, dass Peking den Transit nicht als Vorwand für Maßnahmen zur Verschärfung der Spannungen (...) nutzen sollte", sagte Blinken in Brüssel. Durchreisen von hochrangigen taiwanesischen Politikerinnen und Politikern seien nichts Neues. "Sie sind privat, sie sind inoffiziell", so Blinken.

Das Weiße Haus kommentierte die Reise bisher nicht. So ist die Art und Weise, wie der Trip angekündigt wurde oder eben nicht, bereits Teil der komplizierten und delikaten US-Taiwan-Beziehungen im Angesicht Chinas. Tsai selbst war während ihrer Amtszeit bereits sechsmal in den USA. Bisher kam es dabei aber zu keinem öffentlichen Zusammentreffen mit hochrangigen US-Vertretern.

China reagiert mit Machtdemonstration

China werde die Entwicklungen genau verfolgen und seine Souveränität "entschlossen und energisch verteidigen", hieß es am Dienstag außerdem vom chinesischen Außenministerium. Am Mittwoch folgte eine erste Machtdemonstration: Eine Gruppe chinesischer Kriegsschiffe um den Flugzeugträger Shandong sei in den Gewässern südöstlich Taiwans, teilte das Verteidigungsministerium im Taipeh mit.

Nach taiwanischen Angaben drangen bereits in den vergangenen Tagen mehrere chinesische Militärflugzeuge in die Luftverteidigungszone (ADIZ) ein, was aber im Rahmen der seit Monaten üblichen Beobachtungen ist. Die Luftverteidigungszone ist nicht taiwanischer Luftraum, sondern eine Zone, in der sich militärische Flugzeuge zur Überwachung identifizieren müssen.

Chinas Kritik an Tsais Reise in die USA sei "zunehmend absurd" geworden, ließ das Verteidigungsministerium in Taipeh außerdem wissen. Taiwan werde demnach nicht nachgeben.

Wie schon beim Besuch Pelosis im Sommer stellt man sich in Taipeh auch jetzt wieder die Frage: Nutzt ein derartiges Treffen Taiwan und der regierenden Demokratischen Fortschrittspartei (DPP), oder schadet es mehr? Tsais Amtszeit neigt sich dem Ende zu. Im kommenden Jänner finden Präsidentschaftswahlen statt. Die Oppositionspartei KMT pflegt traditionell einen Peking-freundlicheren Kurs zu fahren. Deren ehemaliger Präsident Ma Ying-jeou beendet gerade eben eine ausgedehnte Chinareise. Wer in Taipeh im nächsten Jahr an die Macht kommt, wird somit richtungsweisend für die Zukunft der Beziehungen zwischen Peking und Taipeh sein. (Anna Sawerthal, 5.4.2023)