Neuer satirischer Roman von El Hotzo über Millennial-Karrieren.
Foto: Kiepenheuer & Witsch

Der Satiriker Sebastian Hotz, bekannt unter dem Pseudonym El Hotzo, bringt allein schon mit seinen kurzen Tweets viele Menschen zum Lachen. Er zählt insgesamt mehr als zwei Millionen Follower auf Twitter und Instagram. Jetzt hat er seinen Humor in einem Roman zusammengepackt. Mit Satire verpackt er lebensnahe Beobachtungen, die häufig auch die Arbeitswelt und Jobsituationen humorvoll kritisieren sollen.

So auch in seinem neuen Buch "Mindset", welches von jungen Millennials (Menschen, die um die Jahrtausendwende groß geworden sind) handelt, die sich als – relativ durchschnittliche – Protagonisten in der Spirale der Leistungsgesellschaft befinden. Oder besser gesagt: an ihr festhalten.

Wer kennt nicht einen von den unendlich vielen Coaches, Mentoren und Trainern, die in Workshops und Vorträgen zeigen wollen, wie jeder Mensch die Karriereleiter ganz einfach hochklettern kann. Wenn sie sich nur genug anstrengen. Das Wort Mindset hat deshalb in dem Buch eine ganz besondere Stellung. Es bringt die neoliberale Ansicht auf den Punkt, äußere Gegebenheiten hätten keinen Einfluss auf den Karriereweg, jeder könne ein Star werden. Wer dies nicht versucht, sei faul oder nicht willens genug.

Genau das verkörpert auch die Hauptfigur im Roman von El Hotzo: Maximilian Krach ist ein Mittzwanziger-Motivationscoach aus Gütersloh, der in unterschiedlichen deutschen Städten in Nordrhein-Westfalen in Hotelseminarräumen Kurse gibt für Menschen, "die was aus sich machen wollen". Denn Erfolg ist eben kein Glück, ist das Motto von Krach.

Sebastian Hotz erreichte mit satirischen Posts auf Twitter und Instagram Millionen Follower.
Foto: Max Sand

Der Protagonist hangelt sich von einer Selbstinszenierung zur nächsten, in Wirklichkeit sucht er als Durchschnittsbürger nur Anerkennung in einer schnelllebigen, kapitalistischen Welt. Er zeigt, was Social Media und die kompetitive Welt mit einem machen können: um jeden Preis erfolgreich, individuell und beneidenswert auszusehen. Betonung auf "auszusehen", denn in Wirklichkeit ist auch Krach, so wie viele in sozialen Medien, ein Hochstapler. Er fakt seine Instagram-Bilder, seine Luxusuhr ist eine Fälschung.

Doch der Roman zeigt auch, wie sehr dieses zwanghafte Streben nach Perfektion anstecken kann. Der zweite Protagonist, Mirko, ein durchschnittlicher IT-Servicemitarbeiter eines mittelständischen Unternehmens, entdeckt eines Tages das Kursprogramm von Maximilian Krach. Und auch in ihm kommt das Bedürfnis auf, aus dem langweiligen Bürotrott, in dem er sich unbeachtet und zu schüchtern vorkommt, auszubrechen.

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So wie Mirko gerade dasitzt, über das Handy gekrümmt, sein Tagesablauf nur daraus bestehend, seinen Blick von einem Bildschirm zum nächsten zu bewegen, an einen Job gefesselt, der zu gut ist zum Jammern und zu schlecht für alles andere, so ist Mirko wirklich ein Versager. Er wird genauso enden wie Angela, schrullig, ambitionslos, untrennbar mit dem eigenen Zahnrad im Uhrwerk verbunden, sich stetig selbst einredend, dass die eigene Aufgabe wichtig sei, nur um sich eines Tages unausweichlich eingestehen zu müssen, dass die Zeit, die er hatte, an ihn verschwendet worden war. Die unheimliche Wut, die ihm gestern Morgen an der Bushaltestelle in die Glieder gefahren war, steigt wieder hoch, hämmert ihm von innen gegen die Schläfe, versetzt jeden seiner Muskel in Bereitschaft für einen Kampf, der niemals kommen wird.

Dabei versteckt sich auch einiges an Kritik an der heutigen Arbeitswelt in der Geschichte. Mirko, der sich gefangen in einem sich nie verändernden Arbeitsprozess sieht, versucht die Geschäftsführung von neuen Ideen zu überzeugen. Er nimmt all seinen Mut zusammen, doch er bekommt nur uninteressierte Anteilnahme zurück.

Gleichzeitig herrscht aber die gesellschaftliche Ansicht, wer nicht mit Anzug in teuren Autos fahren kann, hat es im Leben zu nichts gebracht. Eine Art Respektlosigkeit von White-Collar-Jobbern gegenüber Arbeiterinnen und Arbeitern. Das lässt Maximilian Krach auch in seinem Workshop spüren. Er stellt einen einfachen Pizzaboten als Versager vor, als jemanden, der es als Schaf noch nicht in den Wolfspelz geschafft hat.

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[...] Dieser Typ hat keine Ambition, nichts, wofür sich das Altwerden lohnt, noch nicht mal wirklich etwas, wofür es sich morgens lohnt aufzuwachen.« »Dieser Typ«, Maximilian freut sich, diese Geschichte endlich mal wieder jemand Neuem erzählen zu können, endlich wieder jemanden dabeizuhaben, für den die bedeutungsschwangere Stille, die er jetzt Millisekunde für Millisekunde genüsslich auskostet, tatsächlich bedeutungsschwanger ist. Natürlich wirken die üblichen Besucher seiner Seminare immer pflichtbewusst abgeholt von seinem Vortrag, doch so wie ein Film am besten ist, wenn man ihn zum ersten Mal sieht, so sind es auch seine Vorträge. »Dieser Typ war ich.« Wie jedes Mal an dieser Stelle springen die Blicke des Publikums jetzt abwechselnd zwischen seinem Gesicht und dem des Pizzaboten auf dem Foto hin und her. Klar, der Kiefer ist nicht ganz so markant, die Wangenknochen nicht so edel definiert, die Haut von der Kälte des Regens und der Anstrengung des Radfahrens gerötet, doch die Ähnlichkeit ist unverkennbar. Maximilian, der menschgewordene Erfolg, der Wolf unter den Schafen, war an irgendeinem Punkt das, was er selbst als Versager bezeichnet.

Als Leserin wartet man eigentlich nur auf den Zeitpunkt, an dem Krach entlarvt wird. Auch weil er die Hotelrezeptionistin Yasmin ohne Grund respektlos behandelt – sie ist ja in seinen Augen auch nur eine Person, die es nicht weit geschafft hat.

In dem Roman zeigt Sebastian Hotz den Selbstinszenierungswahn der heutigen Zeit auf, wenn das Selbstbewusstsein sich nicht entwickelt hat und wenn der Alltagstrott zu groß ist. Die vielen ironischen Momente in dem Buch bringen all jene zum Schmunzeln, die sich selbst dabei schon erwischt haben, sich aufgrund anderer "Erfolgsstorys" nicht gut genug zu fühlen. Man liest heraus, dass Hotz lange Erfahrungen mit flotten, kecken Witzen hat – und wohl jetzt das Bedürfnis hatte, seinen Humor in eine richtige Geschichte zu verpacken. (Melanie Raidl, 5.4.2023)