Verschwörungserzählungen sind nur sehr schwer angreifbar. Karl Popper illustrierte den Mechanismus einst am Beispiel der von ihm wenig geschätzten Psychoanalyse Freuds: Ein Patient erinnert sich an seine frühe Kindheit? Ein Beweis für ihre psychologische Bedeutung. Er erinnert sich nicht? Dann hat er die Erinnerung verdrängt, ebenfalls ein Beweis für ihre Bedeutung.

Ein Poster, dass verschiedene Verschwörungserzählungen versammelt. Besonders beliebt ist die Idee, dass die Medien "lügen".
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Gewisse Erzählungen haben zu jedem Einwand eine Antwort parat und lassen sich dementsprechend schwer kritisieren, selbst wenn sie womöglich falsch sind. Eine neue im Fachjournal "Plos One" erschienene Metastudie von Forschenden des Universitätscolleges Cork in Irland hat nun das Problem von psychologischer Seite aus betrachtet und untersucht, wie sich der Glaube an unbegründete Verschwörungserzählungen angreifen lässt.

Dazu nahm man 25 zuvor zu dem Thema publizierte Studien mit in Summe 7.179 Probandinnen und Probanden unter die Lupe. Darin waren unterschiedlichste Maßnahmen untersucht worden, von einfachen Gegenargumenten bis hin zu spezieller Vorbereitung im Hinblick auf die Schulung des analytischen Denkens.

Fakten haben keine Wirkung

Das Ergebnis: Nur etwa die Hälfte der untersuchten Maßnahmen zeigte überhaupt Wirkung gegen Verschwörungserzählungen, und vielfach war diese Wirkung kaum relevant. Nur eine Handvoll der Maßnahmen hatte zumindest einen moderaten Effekt.

Die Wirksamkeit und Sicherheit von Corona-Impfungen ist durch Studien gut erwiesen. Gegner lassen sich von diesen Argumenten aber nicht beeindrucken, wie eine neue Studie zeigt.
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Die klassischen Strategien erwiesen sich weitgehend als wirkungslos. "Die intuitive Lösung, um unbegründeten Verschwörungsvorstellungen entgegenzutreten, besteht darin, Fakten und Argumente zu präsentieren, die der Verschwörungserklärung widersprechen", sagt Erstautor Cian O'Mahony. Doch das funktioniere nicht. Auch Maßnahmen, die die Empathie der Menschen ansprechen sollten, zeigten sich ebenso wirkungslos wie das Lächerlichmachen von Verschwörungserzählungen. Generell sei keine Maßnahme gefunden worden, die effektiv bei Menschen wirke, die bereits an Verschwörungserzählungen glaubten. Letztere scheinen auch auf psychologischer Ebene weitgehend gegen Kritik immun zu sein.

O'Mahony empfiehlt stattdessen, vor dem Kontakt mit Verschwörungserzählungen aktiv zu werden: "Unsere Analyse zeigt, dass die Förderung einer analytischen Denkweise und die explizite Vermittlung von Fähigkeiten zum kritischen Denken eine vielversprechendere Methode zur Bekämpfung von Verschwörungsvorstellungen ist." Konkret müsse vorab der Blick auf die Widersprüche in Verschwörungserzählungen geschult werden – also gerade jener "kritische Blick", den Verschwörungsgläubige selbst gern für sich in Anspruch nehmen. Am wirkungsvollsten sei ein dreimonatiger Kurs gewesen, der die Unterschiede zwischen wissenschaftlichen und pseudowissenschaftlichen Praktiken aufzeigte.

Österreich besonders betroffen

Für Österreich ist das Ergebnis keine gute Nachricht, sind hier doch Verschwörungserzählungen bereits weitverbreitet. Über 16 Prozent einer 2022 befragten Gruppe stimmten damals Botschaften der aus den USA stammenden QAnon-Bewegung zu. In Deutschland waren es immerhin noch etwas über zwölf Prozent. Der Sozialpsychologe Roland Imhoff erklärt, dass Menschen, die ein Gefühl mangelnder Kontrolle oder sozialer Marginalisierung haben, besonders anfällig sind, gleich an eine Reihe unterschiedlicher Verschwörungserzählungen zu glauben. Auch Arbeitslosigkeit oder dauerbefristete Arbeitsverträge spielen eine Rolle. Profitiert haben davon hierzulande vor allem rechtsextreme Gruppierungen.

Das Team aus Cork betont, es habe bereits viele Studien gegeben, die negative Auswirkungen von Verschwörungsglauben dokumentierten, aber wenige darüber, wie der Glaube daran reduziert werden könne. Dementsprechend wichtig sei die neue Überblicksstudie. "Auch wenn es derzeit kein Patentrezept gibt, das die durch Verschwörungsvorstellungen verbreiteten Fehlinformationen vollständig eindämmen kann, zeigt unsere Untersuchung einige vielversprechende Trends für die künftige Forschung auf", sagt O'Mahony. Und fügt hinzu: "Unser Ziel ist es nicht, der Öffentlichkeit vorzuschreiben, was sie zu glauben oder nicht zu glauben hat, sondern sie durch diese Interventionen zu ermutigen, Verschwörungsvorstellungen kritisch zu prüfen und selbst zu entscheiden, was sie glauben soll." (Reinhard Kleindl, 6.4.2023)