Der Letzten-Generation-Aktivistin droht eine Ausweisung aus Österreich.

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Die deutsche Klimaaktivistin Anja Windl wurde am Donnerstag vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einvernommen. Ihre Ausweisung wird wegen der Teilnahme an Klimaprotestaktionen der Gruppe Letzte Generation geprüft. Die Befragung dauerte mehr als drei Stunden und zog sich bis in den frühen Nachmittag hinein. Um eine Entscheidung ging es für Windl beim heutigen Termin bei der Behörde in Leoben noch nicht, es war eine Vorladung zur Einvernahme. Dabei habe man ihr das Gefährdungspotenzial, das aus Sicht der Behörden von ihr ausgehe, erörtert, sagt die Klimaaktivistin zum STANDARD.

Windl wurde am Donnerstag in Leoben einvernommen
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Die Beamten hätten detailliert abgefragt, was sie in Österreich mache. Zudem habe man ihr eine dicke Akte mit Anschuldigungen präsentiert. "Der Beamte wusste auch von jedem Interview, das ich gegeben habe, und hat mich mit Aussagen daraus konfrontiert, bei welchen Aktionen ich dabei war", sagt Windl. Aufgrund der verhinderten Aktion der Letzten Generation beim Neujahrskonzert würde gegen sie zudem wegen Gemeingefährdung ermittelt. "Es hat mich überrascht, dass das Ermittlungsverfahren in dieser Causa noch nicht ganz vom Tisch ist", sagt sie. Die Beamten würden argumentieren, dass die Aktion zu einer Massenpanik führen hätte können.

Die Aktivistin wertet die BFA-Vorladung aber generell eher als "Einschüchterungsversuch", wie sie sagt. "Ich glaube, es ist der Versuch, an einer Person, die relativ medienpräsent ist, ein Exempel zu statuieren." Mit einer tatsächlichen Ausweisung aus Österreich rechnen sie und ihr Anwalt nicht. Sie wolle jedenfalls nicht klein beigeben, sagt Windl. "Ich denke mir da eher, jetzt erst recht!"

Bisher keine rechtskräftige Strafe

Die 26-Jährige, die in Klagenfurt studiert und in Graz wohnt, hatte nach ihrer Teilnahme an Klimaprotesten in Wien und Klagenfurt Post von den Behörden erhalten – und eine Ladung zur "Einvernahme hinsichtlich Prüfung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme". Im Vorfeld der Befragung hatte sie sich überzeugt gezeigt, alle Voraussetzungen für einen Aufenthalt in Österreich zu erfüllen. Eine rechtskräftige Strafe gegen sie liege bislang nicht vor, auch alle möglichen Verwaltungsstrafen seien aktuell in Beeinspruchung. Auch Windls Anwalt Marcus Hohenecker hatte im Vorfeld der Einvernahme betont, dass man sich mit juristischen Mitteln gegen das Vorgehen der Behörden wehren wolle.

Das Innenministerium hatte bereits am Donnerstag auf STANDARD-Nachfrage wissen lassen, dass man zu Einzelfällen aus Datenschutzgründen keine Auskunft erteile. Im Ressort verwies man auf die geltende Rechtslage: Eine Ausweisung könne nur verhängt werden, wenn entweder eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gegeben sei oder kein Aufenthaltsrecht vorliege, weil etwa Unterhaltsmittel oder eine Krankenversicherung fehlten.

Expertenkritik an Behörden

Der Europarechtler Walter Obwexer von der Universität Innsbruck äußerte sich im Ö1-"Mittagsjournal" am Donnerstag kritisch zum behördlichen Umgang mit der Klimaaktivistin. Bloße Verwaltungsübertretungen könnten selbst bei Rechtswirksamkeit kein Grund für eine Ausweisung sein. Dafür bräuchte es eine schwere Straftat, wie etwa "eine ganz schwere Körperverletzung oder einen Mord oder Raub, und dann auch noch die Gefahr, dass eine weitere Straftat begangen wird", sagte der Jurist. Selbst eine schwere Straftat samt rechtskräftiger Verurteilung reiche demnach nicht aus, wenn keine Gefahr einer wiederholten Straffälligkeit bestehe. (Martin Tschiderer, 6.4.2022)