Sie sind ein Ärgernis, so unbeliebt, dass sie in Paris jetzt verbannt werden. Alternativen zum Privatauto sind jedoch notwendig und willkommen, sagen Barbara Laa und Ulrich Leth, wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Verkehrswissenschaften der TU Wien, in ihrem Gastkommentar.

Aus dem Pariser Stadtbild werden Leih-E-Scooter verschwinden. Einen sinnvollen Platz in einem nachhaltigen Verkehrssystem einer Stadt könnten sie aber dennoch haben.
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Paris hat nach einer Befragung der Bürgerinnen und Bürger entschieden, Leih-E-Scooter aus der Stadt zu verbannen. Die Ablehnung fiel mit 89 Prozent sehr hoch aus, die Wahlbeteiligung mit 7,5 Prozent sehr gering. Dieses Ergebnis zeigt einerseits, dass die Leih-E-Scooter bei einem Teil der Bevölkerung sehr unbeliebt und sogar gefürchtet sind. Es zeigt andererseits aber auch, dass das Thema dem Großteil der Bevölkerung überwiegend egal ist. In Paris waren schon in den letzten Monaten und Jahren strengere Nutzungsregeln eingeführt worden, wodurch sich die öffentliche Meinung aber offensichtlich nicht wesentlich verbessert hat.

Verschärfte Regeln

Auch Wien versucht ab Mai mit neuerlich verschärften Regeln dem Chaos Herr zu werden. Während Salzburg und Graz den Leih-E-Scootern von Beginn an einen Riegel vorgeschoben haben, wurde in Wien und Linz ein liberalerer Zugang gewählt und das neue Sharing-Angebot zugelassen. Aufgrund diverser Beschwerden über chaotisch abgestellte E-Scooter, illegales Befahren der Gehsteige, Gefährdung von Fußgängerinnen und Fußgängern und steigender Unfallzahlen haben diese Städte die Regeln sukzessive verschärft.

Durften die Gefährte in Wien anfangs analog zu Fahrrädern auch auf Gehsteigen, die breiter als 2,5 Meter sind, abgestellt werden, wurde die Breite später auf vier Meter angehoben. Ab Mai dürfen die Leih-E-Scooter überhaupt nur mehr auf ausgewiesenen Stellflächen oder in der Parkspur abgestellt werden. In verkehrsberuhigten Bereichen wie Fußgängerzonen wird die Fahrgeschwindigkeit bereits jetzt gedrosselt. Und in Wien wird die Anzahl der Leih-Scooter in der Innenstadt und innerhalb des Gürtels limitiert, also dort, wo das Öffi-Angebot ohnehin lückenlos vorhanden ist. Die Vergabe der Konzessionen an vier Anbieter ist gerade im Laufen.

Es wird sich zeigen, ob das Geschäftsmodell der Verleihfirmen auch unter den neuen Rahmenbedingungen – fixe Stellplätze statt Free-Floating-Betrieb, Fokus auf weniger dicht besiedelte Randbezirke statt auf touristenreiche Innenstadtbezirke – funktioniert.

Schlechte Ökobilanz

Neben den Ärgernissen der herumliegenden Scooter und Sicherheitsbedenken ist auch der Beitrag der Leih-E-Scooter zur Mobilitätswende und zur Dekarbonisierung des Verkehrs nach wie vor fraglich. Anbieter bewerben die Scooter gerne als nachhaltige Verkehrsmittel, die den CO2-Ausstoß im Verkehr senken. Studien im europäischen Kontext zeigen jedoch, dass Fahrten mit dem E-Scooter am häufigsten Wege ersetzen, die sonst zu Fuß oder mit den Öffis zurückgelegt worden wären – in der Ökobilanz also schlechter abschneiden.

Einer Studie aus Paris zufolge waren es gerade einmal vier Prozent der E-Scooter-Fahrten, die einen Autoweg ersetzten, weitere sechs Prozent eine Taxifahrt. Unter den derzeitigen Bedingungen sind E-Scooter also nur bedingt eine Bereicherung für nachhaltige Mobilität in der Stadt. Sie konkurrieren mit umweltfreundlichen Verkehrsarten und steigern Konflikte auf den engen Flächen, die diesen zugewiesen sind. Wie es wohl wäre, wenn nicht zwei Drittel der Straßenflächen wie heute für Autos, sondern allen anderen Verkehrsarten zur Verfügung stünden?

"Während über 7000 Leih-E-Scooter in Wien diskutiert wird, bleibt der Elefant im Raum unbehelligt."

Bei aller berechtigten Kritik und dem Versuch, die "Kinderkrankheiten" der neuen Mobilitätsform in den Griff zu bekommen, sollten wir die Verhältnismäßigkeit nicht aus den Augen verlieren: Während über ausgewiesene Parkzonen mittels Geofencing und über eine automatische Geschwindigkeitsdrosselung der 7000 Leih-E-Scooter in Wien diskutiert wird, bleibt der Elefant im Raum unbehelligt – die 700.000 in Wien zugelassenen Pkws, die abgestellt Unmengen an öffentlichem Raum einer sinnvollen, multifunktionalen Nutzung entziehen, die teilweise auf Gehsteigen geparkt werden, Radwege versperren und vielerorts die Tempolimits überschreiten.

Nachhaltiger Verkehr

In der Debatte droht der Sündenbock E-Scooter den Fokus auf einen Nebenschauplatz zuverschieben. Während die Anzahl und Nutzung der privaten Pkws reduziert werden muss, um die Klimaziele einzuhalten, könnten E-Scooter – zweckmäßig eingesetzt – einen Platz im nachhaltigen Verkehrssystem einer Stadt haben.

Es ist zu erwarten, dass die Pariser Entscheidung positive Auswirkungen auch auf die Situation in Wien haben wird. Die Verleihfirmen werden wohl noch stärker darauf achten, dass sich die Nutzerinnen und Nutzer ihrer Gefährte regelkonform verhalten, um Negativschlagzeilen und in letzter Konsequenz eine Verbannung aus der Stadt zu vermeiden.

Alternativen zum Auto

Generell sind Alternativen zum ineffizienten, lauten, gefährdenden Privatauto dringend notwendig und willkommen. Wir werden in Zukunft noch viel mehr davon sehen. Die Aufgabe der Politik ist es, die Rahmenbedingungen für neue Mobilitätsformen so auszugestalten, dass sie ihre Vorzüge im Mobilitätsmix ausspielen können. Die nicht minder große Aufgabe der Verkehrsplanung ist es, die Flächenumverteilung zugunsten nachhaltiger, sozialverträglicher, sicherer und gesundheitsfördernder Verkehrsmittel vorzunehmen. (Barbara Laa, Ulrich Leth, 7.4.2023)