In ihrem Gastkommentar fordert Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec attraktive Rahmenbedingungen für Menschen, die in der Pension weiterarbeiten wollen.
Die Bundesregierung hat erkannt, dass Pensionistinnen und Pensionisten ein wertvoller Expertenpool im "Ruhemodus" sind. In einer Arbeitsgruppe zum Thema Arbeitsmarktreform – in der ich als Präsidentin des Seniorenrates auch vertreten bin – sollen Möglichkeiten erarbeitet werden, wie man einerseits pensionsberechtigte Seniorinnen und Senioren länger im Arbeitsprozess halten und wie man sie andererseits dazu motivieren kann, aus dem Ruhestand in den "Unruhestand" zu wechseln.
Wobei – an der Motivation liegt es nicht. Derzeit sind knapp 90.000 Menschen im "Unruhestand", arbeiten also in der Pension weiter – Tendenz stark steigend. Und das, obwohl die Rahmenbedingungen nicht wirklich attraktiv sind. Das muss sich dringend ändern! Wichtig ist mir dabei festzuhalten: Mir geht es freilich nicht darum, dass Seniorinnen und Senioren in Zukunft länger arbeiten sollen, sondern darum, dass diejenigen, die wollen, das auch zu fairen Konditionen können.
Drei Stellhebel
Ich sehe drei große Stellhebel am Arbeitsmarkt, die gleichzeitig zu betätigen und vor allem gleichwertig zu behandeln sind, weil sie ineinandergreifen:
Erstens müssen wir es Menschen ermöglichen, gesund bis zum gesetzlichen Pensionsantritt arbeiten zu können. Dafür brauchen wir alternsgerechte Arbeitsplätze, mehr Gesundheitsprävention und ein Aufeinanderzugehen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Mehr Wertschätzung auf der einen, aber auch mehr Bereitschaft für Umschulungen auf der anderen Seite und mehr Flexibilität auf beiden Seiten.
Zweitens muss es attraktiver werden, über den gesetzlichen Pensionsantritt hinaus zu arbeiten. Im aktuellen Bonus-Malus-System entscheiden sich die Menschen eher für die Frühpension als fürs Weiterarbeiten. Zu- und Abschläge anzugleichen und anzuheben kann hier ein Anreiz sein.
Drittens muss sich Arbeit in der Pension stärker lohnen. Wer heute in der Pension arbeitet, dem bleibt netto weniger als die Hälfte übrig. Hier braucht es spürbare Verbesserungen, etwa die Abschaffung der Pensionsbeiträge für Arbeit in der Pension, Absetz- oder Steuerfreibeträge. Denn eines ist klar: Niemand arbeitet in der Pension und zahlt mehrere Hundert Euro an Abgaben mit dem Ziel, das Pensionskonto um ein paar Euro zu erhöhen.
Das Thema "Arbeit in der Pension" ist übrigens das beste Beispiel dafür, was im aktuellen Diskurs falsch läuft. Anstatt das Fachwissen pensionierter Arbeitskräfte als eine Quelle gegen den Fachkräftemangel zu sehen, werden Arbeitslose gegen Pensionistinnen und Pensionisten ausgespielt. Anstatt die Chance zu sehen, den Wissenstransfer zwischen den Generationen zu fördern, werden unbegründete Verdrängungsängste geschürt.
Neue Realität
So werden wir mit den aktuellen Herausforderungen nicht fertig werden. Hinzu kommt, dass Frauen ab 60 den Arbeitsmarkt "aufmischen" werden. Und das ist gut so! Die Anhebung des gesetzlichen Frauenpensionsalters auf 65 Jahre in den kommenden zehn Jahren ist ein Schritt hin zu gleichen Karrierechancen. Bisher galten Frauen am Arbeitsmarkt früher als "alt" und wurden ab Mitte 50 bei gleicher Qualifikation eher zur PVA als in Vorstandsetagen geschickt.
Der Arbeitsmarkt – und damit auch die Reformgruppe – müssen diese neue Realität berücksichtigen und Vollzeit besonders für Frauen attraktiver machen, insbesondere durch den Ausbau von Kinderbetreuung und Pflege. Sonst bleibt Teilzeit für viele Frauen weiterhin Lebensmodell statt Übergangslösung und die Formel "Halbe Arbeit = halbe Pension = drohende Altersarmut" verschiebt sich einfach nur um fünf Jahre nach hinten. (Ingrid Korosec, 7.4.2023)