Viele Versicherungen nehmen Öl und Gas aus ihren Produkten heraus. Bei LNG fehlt es oft noch an einer klaren Politik, sagen Kritiker.

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Der Klimawandel ist auch in der Finanzwelt zu einem bestimmenden Thema geworden. In den vergangenen Jahren wurden mehrere Allianzen geschaffen, um institutionelle Investoren Richtung Klimaneutralität zu bewegen. Das Ziel ist meist, alles aus den Portfolios zu entfernen, was der nachhaltigen Klimaschonung schaden würde. Auch die EU hat mit der Taxonomie Vorgaben für die Finanzwelt geschaffen – auch um die Transformation der Unternehmen zu finanzieren. So weit das Ziel.

Die Realität zeigt derzeit aber ein anderes Bild. Die Zurich Versicherung gab am Mittwoch bekannt, dass sie aus der Net-Zero-Insurance-Alliance austritt. Diese Allianz wurde im Juli 2021 unter dem Dach der Vereinten Nationen ins Leben gerufen. Die acht Gründungsmitglieder Axa, Allianz, Aviva, Generali, Munich Re, Scor, Swiss Re und Zurich waren zum Zeitpunkt der Gründung davon überzeugt, dass die globale Versicherungs- und Rückversicherungsbranche eine Schlüsselrolle beim Übergang zu einer widerstandsfähigen, klimafreundlichen Wirtschaft spielen kann. "Alle Mitglieder werden sich messbare und wissenschaftlich fundierte Klimaziele setzen, die alle fünf Jahre aktualisiert werden sollen", hieß es 2021 in der Erklärung.

Konzentration auf eines Tool

Die Zurich begründet ihren Rückzug nicht wortreich. Man wolle sich als Haus weiter darauf konzentrieren, die Kunden auf dem Weg zu mehr Klimaschutz zu unterstützen, heißt es. Orientieren werde man sich an der eigenen "Standardisierten Methode zur Messung und Offenlegung von Treibhausgasemissionen", heißt es aus dem Konzern.

Erst vergangene Woche hatte der weltgrößte Rückversicherer Münchener Rück seinen Ausstieg aus der Net-Zero-Insurance-Alliance bekanntgegeben. Münchener-Rück-Chef Joachim Wenning hatte Bedenken geäußert, dass die Regulierungsbehörden Absprachen in der Branche zum Verhalten gegenüber Klimasündern blockieren könnten.

"Die Möglichkeiten, im Schulterschluss der Versicherungsindustrie weltweit Dekarbonisierungsziele zu verfolgen, ohne materielle Kartellrechtsrisiken einzugehen, sind nach unserer Einschätzung so begrenzt, dass es wirksamer ist, unsere Klimaambition zur Reduktion der globalen Erderwärmung selbstständig als Unternehmen weiterzuverfolgen", erklärte Wenning.

Eigene Vorschriften

In Branchenkreisen ist zu hören, dass ein Beitritt zu so einer Allianz möglicherweise das Geschäftsmodell schneller und deutlicher beeinflusse, als es den Unternehmen lieb sei. Andererseits fehlen klare Vorgaben der Allianz etwa im Bereich der Ausstiegsziele von Öl und Gas.

Ein Thema, mit dem auch die Zurich zu kämpfen hat. Beim Schweizer Versicherer mangle es selbst noch immer an einer innovativen Öl- und Gaspolicy. Neue Öl- und Gasfelder werden aus der Versicherung aktuell nicht ausgeschlossen. Anders hingegen die Münchener Rück, die seit 2020 klare Dekarbonisierungsziele für das Versicherungsgeschäft, die Kapitalanlagen und für den eigenen Betrieb festgeschrieben hat. So wurde zuletzt etwa die East African Crude Oil Pipeline nicht versichert. "Die Öl- und Gaspolicy der Münchener Rück geht derzeit sogar weit über das hinaus, was die Insurance-Alliance vorschreibt", sagt Regine Richter, Finanzexpertin bei der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald. Mängel sieht die Expertin aber bei aktuellen Projekten. "Neue LNG-Pipelines und -Kraftwerke sind nicht ausgeschlossen", sagt Richter. Hier erwarte man sich noch eine striktere Ausgestaltung der hauseigenen Policy.

In Summe steckt in dem Thema auch eine Gratwanderung. Schließen große Häuser die Rückversicherung etwa von Gaspipelines aus, wird es für betroffene Unternehmen am Markt eng. Sie monieren: Solange es Gas im Energiemix braucht, müsse man auch versicherbar sein. (Bettina Pfluger, 8.4.2023)