Die Einrichtung erklärt, sie habe erst vor zwei Wochen von den Ermittlungsbehörden über die Vorwürfe der anonymen Anzeige erfahren. Man wolle alles tun, um die Aufklärung des Falls zu unterstützen

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Nach der Einleitung von strafrechtlichen Ermittlungen zu einem möglichen Missbrauch in einer Wiener Betreuungseinrichtung für Menschen mit Behinderungen – ein Betreuer soll mit einer zunächst 17-Jährigen wiederholt Sex gehabt und diese angeblich sogar geschwängert haben – zeigt man sich bei der betroffenen Einrichtung erschüttert. "Wir sind aus allen Wolken gefallen", hieß es am Freitag gegenüber der APA.

Einer anonymen Anzeige zufolge, die in der zweiten März-Hälfte von der Staatsanwaltschaft Wien aufgegriffen wurde, soll ein Betreuer die Jugendliche bzw. junge Frau zwischen 2016 und 2019 missbraucht haben. "Wir haben vor rund zwei Wochen etwa zeitgleich von der Ermittlungsbehörde und vom Fonds Soziales Wien, dem die Anzeige auch zugegangen ist, von den Vorwürfen erfahren. Wir haben bis dahin von den Vorwürfen keine Kenntnis gehabt", teilte ein Sprecher der Einrichtung dem STANDARD mit.

Widerspruch zu Inhalten der Anzeige

Man wisse auch nicht, um welche junge Frau es sich handle, da ihre Identität aus den vorliegenden Informationen nicht hervorgehe. Man unterstütze die Strafverfolgungsbehörden und kooperiere vollumfänglich, Unterlagen seien bereits übergeben worden, erste Einvernahmen hätten stattgefunden.

Allerdings bezweifelt die Einrichtung die in der anonymen Anzeige dargestellten Abläufe insofern, als der tatverdächtige Betreuer nur bis 2016 in der Einrichtung tätig gewesen sei und danach nachweislich nicht mehr beschäftigt wurde. Folglich habe – abgesehen von einem allfälligen außerberuflichen Setting – gar kein Gelegenheitsverhältnis mehr bestanden, weiter in Kontakt mit der Klientin zu kommen bzw. zu bleiben, wurde versichert. Zum STANDARD hieß es: "So wie in der Anzeige konkret geschildert, kann sich die Geschichte nicht zugetragen haben." Die Einrichtung bietet Jugendlichen eine Werkstätte und Tagesstruktur, allerdings keine Rund-um-die-Uhr-Betreuung.

Strafrechtliche Ermittlungen

Die Ermittlungen laufen hinsichtlich des Ex-Betreuers in Richtung sexuellen Missbrauch einer psychisch beeinträchtigten Person (§ 205 StGB) und Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung (§ 205a StGB). Daneben sieht sich die Leiterin des Standorts dem Vorwurf der Begünstigung (§ 299 StGB) und der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung (§286 StGB) ausgesetzt. "Es besteht der Verdacht, dass die Straftat vertuscht wurde, da diese anzeigepflichtig gewesen wäre", heißt es dazu in der Anzeige, die der APA vorliegt. Das Naheverhältnis zwischen dem Betreuer und der Klientin habe am Standort die Runde gemacht, die beiden hätten sogar die Wohnung eines männlichen Klienten für Kontakte genutzt, wird dort behauptet. Trotz des Geredes habe die Leiterin die Sache nicht zur Anzeige gebracht und die Verdachtslage nicht den zuständigen Behörden – etwa dem Jugendamt – gemeldet.

Derzeit keine Schritte gegen Leiterin

Diese Darstellung wies die Einrichtung am Freitag als "unwahr" zurück. Am Standort sei das angebliche Verhältnis zwischen einer Klientin und einem Betreuer "nie Thema gewesen". Die Vorwürfe seien insofern schwer zu verifizieren, als in der Anzeige der Name der Betroffenen nicht genannt wird und man daher deren Identität noch gar nicht kenne. "Die Staatsanwaltschaft wird das objektiv prüfen. Wenn irgendetwas dran ist, stehen wir dafür gerade. Wir haben dazu aber derzeit weder konkrete Informationen noch Anhaltspunkte". Folglich habe man die Leiterin vorerst auch nicht dienstfrei gestellt, da mit momentanem Wissenstand von keinem Fehlverhalten auszugehen sei. (APA, ta, 7.4. 2023)