Der Unternehmer Siegfried Wolf wittert gute Geschäfte in Russlands Autoindustrie. Er hat Putin in einem Brief einen Plan geliefert, um die Autoherstellung wieder hochzufahren.

Foto: FOTOKERSCHI.AT / KERSCHBAUMMAYR

Der österreichische Unternehmer und Porsche-Aufsichtsrat Siegfried Wolf will Russlands Autoindustrie wieder auf die Beine helfen. Wolf hat dem russischen Präsident Wladimir Putin einen Brief geschrieben, in dem er einen konkreten Vorschlag macht, wie zwei russische Autowerke wieder hochgefahren werden können. 270.000 Fahrzeuge visiert Wolf mit seinem Vorhaben an.

"Unter den heutigen schwierigen Bedingungen", schreibt Wolf, gebe es in Russland einen Mangel an hochwertigen Autos. Sein "neues Investitionsprojekt zur Wiederaufnahme der Produktion von Pkw" könne "dieses Problem lösen". Das berichtet das Magazin "Der Spiegel", dem laut eigenen Angaben der Brief auch vorliegt.

Geld und Plan

Wolf möchte seinen Plan für die Autoindustrie gemeinsam mit dem führenden russischen Autobauer GAZ umsetzen. Dafür braucht er die 60 Milliarden Rubel (rund 800 Mio. Euro), um die er Putin in dem Brief bittet. Für sein Vorhaben wolle er zwei Werke nutzen, deren Produktion seit Frühjahr 2022 teilweise ruht. Darunter eine Fabrik in Kaluga südwestlich von Moskau die VW gehört.

Dieses Werk ist seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine nur noch eingeschränkt in Betrieb. Eine "grundsätzliche Einigung mit dem Topmanagement von Volkswagen" sei bereits erfolgt, heißt es in dem Schreiben. Spätestens im März werde die Entscheidung "vom Aufsichtsrat des Konzerns endgültig genehmigt".

Doch hier hakt es. VW zeigt an dem Vorhaben scheinbar kein Interesse und distanziere sich laut "Spiegel" von Wolfs Vorstoß: Der Vorstand habe "keinerlei Kenntnis" über seinen Brief "und dessen irritierenden Inhalt", heißt es in dem Magazin. Anfang März hatte VW zudem beschlossen, das Werk in Kaluga solle an die Autohandelsgruppe Avilon gehen. Wenige Tage später beschlagnahmte ein Gericht in Nischni Nowgorod auf Antrag der GAZ-Gruppe die Vermögenswerte von Volkswagen in Russland, schreibt der "Spiegel". Auch Wolfs Unternehmen PromAvtoKonsalt hatte sich für den Kauf des VW-Werks interessiert.

Der Autozulieferer Schaeffler aus Herzogenaurach hat sein Russland-Geschäft jedoch an PromAvtoKonsalt verkauft.

Brief rund ein Jahr alt

Unklarheiten gibt es bezüglich des Zeitpunkts, an dem der Brief versankt wurde. Der "Spiegel" berichtet, er stamme vom Jänner. Ein Sprecher von Wolf dementiert dies jedoch auf STANDARD-Anfrage: Der Brief sei jedenfalls älter, grob geschätzt ein Jahr – wobei sich der Sprecher nicht festlegen und auch keine weiteren Details nennen will. Entscheidend aus Sicht von Wolfs Sprecher: Der Brief sei zu einem Zeitpunkt versandt worden, an dem – wiewohl es jedenfalls nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine stattfand – noch "gewisse Unsicherheit" hinsichtlich der internationalen Sanktionen gegen Russland geherrscht habe. Der Sprecher hält fest, dass Wolf keine Geschäfte plane in Bereichen, die von Sanktionen betroffen sind. Den Brief wollte er gegenüber dem STANDARD nicht offenlegen.

Gutes Netzwerk

Wolf zählt zu den wohl mächtigsten Vertretern der europäischen Autoindustrie. Der ehemalige CEO von Magna International sitzt in den Kontrollgremien des deutschen Zulieferers Schaeffler sowie der Porsche SE, der milliardenschweren Holding der Porsches und Piëchs, zu der auch Volkswagen gehört. Wolf verfügt über ein sehr gutes Netzwerk – in Russland. Das machte den Manager für viele Unternehmen attraktiv. Es heißt, dass kaum ein Wirtschaftsboss aus dem deutschsprachigen Raum vergleichbar gute Kontakte in Russland hätte – zu Konzernchefs, Oligarchen und zu Putin – wie Wolf.

Viele Jahre lang war Wolf im Reich von Oligarch Oleg Deripaska in unterschiedlichen Führungspositionen tätig, auch als Verwaltungsratschef der russischen GAZ Group. Bis Ende 2022 war Wolf dort im Aufsichtsrat, er hält nach wie vor rund zehn Prozent der Aktien. Deripaska hingegen steht seit 2018 auf der Sanktionsliste der USA und mittlerweile auch auf jener der EU. Die USA halten Deripaska vor, unter anderem über die GAZ Group Geld für Putin gewaschen zu haben. Die EU setzte im Februar eine Tochter der GAZ auf ihre Sanktionsliste; sie soll die russische Armee mit Fahrzeugen beliefert haben, die im Ukrainekrieg eingesetzt werden. (rio, bpf, joge, 7.4.2023)