Putz und Stingl in Steyr war zuvor ein griechisches Restaurant, ist jetzt ein tolles Wirtshaus.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Alle regen sich – mit vollem Recht – über das Wirtshaussterben auf, fast alle sind auch selbst ein bisserl mit schuld daran. In Steyr machen es zwei Köche jetzt umgekehrt und sperren einfach ein Wirtshaus auf, wo zuvor ein Grieche war. Und zwar mit quasi unverändertem Interieur: Das frühere Achilles, in einem Flachbau inmitten alter Bäume in der Steyrer Villengegend um die Stelzhamerstraße gelegen, war nicht zuletzt wegen der markant fließenden Formen des "Fischs" unverwechselbar, eines weiß gekalkten Konstrukts, das offenen Kamin, In-house-Portal und Schank samt Bar in sich vereinte und, aus der theoretischen Vogelperspektive, die Form eines Fisches nachahmte.

Klingt richtig wild, ist es auch. Aber auf durchaus gemütliche Art, speziell wenn Lukas Kapeller und Michael Schlöglhofer das Akustikproblem einmal in Angriff nehmen. Einstweilen aber haben sie mit dem Ansturm genug zu tun, der das neue Wirtshaus seit der Eröffnung im Februar mittags wie abends überrennt. Dabei steht bei den beiden schon die nächste Eröffnung an. Ein Restaurant mit 16 Sitzplätzen samt Mini-Hotel der exklusiven Sorte wird Ende Mai im ehemaligen Direktionsgebäude der Steyr-Werke aufsperren, mit "Fine Dining, wie wir es selber essen wollen", wie Kapeller ankündigt. Der kaum 32-Jährige hatte von 2010 bis 2016 ein vielbeachtetes Restaurant (Lukas) in Steyr, hat dann wegen Familiengründung zurückgesteckt und in Michael Schlöglhofer (Ex-Bootshaus Traunkirchen, Ex-Rahofer Kronstorf ...) jetzt einen kongenialen Partner gefunden, um neu durchzustarten.

Grießnockerlsuppe ist eine kräftige Rindsuppe mit saftigen, zartkrümeligen Nockerln.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Im Putz und Stingl kocht mit Andreas Priestner ein weiterer Rahofer-Mann, der zuletzt unter Florian Gintenreiter (bereitet gerade etwas Neues vor) die fantastische Küche des Kronstorfer Traditionshauses mitverantwortete. Im Putz & Stingl ist die Richtung eine Idee weniger aufwendig, aber kaum weniger überzeugend. Die Grießnockerlsuppe ist ein Schulbeispiel ihrer Art, mit kleinen, saftigen, zartkrümeligen Nockerln und, vor allem, mit einer Kraft und fettaugig unmittelbaren Intensität, wie sie nur Rindsuppen der wirklich ernsthaften, über Nacht gezogenen Art zusammenbringen. Gebackenes Kalbsbries ist aber auch ein guter Start in den Abend: Knusprige Glücksnuggets, innen wolkig flaumig, die sich unter ein bissl Vogerlsalat verstecken – der Erdäpfelsalat darunter entpuppt sich als akkurat gewürfelte Brunoise, noch ganz zart knackig, und mit eingelegten Radieschen garniert.

Stundenei mit Schwarzbrot-Croutons und Sauce béarnaise profitiert von kurz sautierten, köstlich knackigen Schwarzwurzeln. Die mehr als reichlichen Croutons aber werden mit ihrem Knoblauchduft schnell einmal zu viel – speziell, weil das Stundenei ganz ideal cremig auf den Punkt getroffen ist und derlei überdeftige Garnierung gar nicht nötig hat. Bei den Hauptspeisen fällt die Wahl zwischen schulmäßig souffliertem (aber auch sehr dünn geklopftem) Wiener Schnitzel, knusprigem – und dennoch auf den Punkt glasig gegartem! – Saibling mit Rollgerstl und geschmorter Rindsbacke mit Leinölerdäpfeln und Schwammerln schwer: Eines besser als das andere.

Vergessene Tradition

Am besten von allem aber ist, ultimativer Qualitätsbeweis, gerade die fleischlose Option: Der gedämpfte Sauerampfer-Spinatstrudel mit Schafskäse ist nicht nur eine elegante Verbeugung vor den zuvor ansässigen Griechen, sondern lässt auch noch die urösterreichische Tradition des gesottenen Strudels aufleben, der zarte Ziehigkeit und hauchfeines Schlutzen dem Knusper der ofengebackenen Variante entgegenstellt. Er wird mit zartem und doch bissfestem Blattgemüse gefüllt und mit Butterbröseln und reichlich frisch gebrockter Brunnenkresse garniert. Viel österreichisch köstlicher kann ein frühlingshaftes Essen kaum sein! (RONDO, Severin Corti, 14.4.2023)