In der Studierendenvertretung der Wiener Fachhochschule Campus kam es zu einem Rassismus-Eklat mit eher unüblicher Rollenverteilung.

Foto: Heribert Corn

Die Amtszeit an der größten Fachhochschule des Landes währte nicht einmal eine Woche. Erst vergangenen Mittwoch wurde Lubna Morad von der sozialistischen Mehrheit der Studierendenvertretung an die ÖH-Spitze der FH Campus gewählt – doch schon am Osterwochenende musste der VSStÖ ihren Rücktritt vermelden. Dazwischen lag ein Rassismus-Eklat mit eher unüblicher politischer Rollenverteilung.

Denn entrüstete Worte über Diskriminierung und auf allen Kanälen verbreitete "Zeichen gegen Rassismus" kamen in diesem Fall von der Aktionsgemeinschaft (AG), also der ÖVP-nahen Studierendenorganisation. Die AG verließ, ebenso wie das parteiunabhängige Team FHCW, am Mittwoch die ÖH-Sitzung aus Protest gegen Morad als neue rote Vorsitzperson – dieser geschlechtsneutrale Begriff für die Funktion wird im ÖH-Diskurs so verwendet, zumal er dem Wunsch von Lubna Morad als Transperson entspricht.

Herabwertung und Communitys

Die Vorwürfe: Morad habe den türkischstämmigen bundesweiten AG-Spitzenkandidaten Muhammed Durmaz als "Kanake" angeredet. Durmaz empfand das naheliegenderweise als Herabwertung seiner Herkunft, wie er öffentlich kundtat. Außerdem habe Morad an anderer Stelle die muslimische Community an der FH durch einen Vergleich mit Neandertalern herabgewürdigt.

Tatsächlich bestätigt Morad dem STANDARD, beide kritisierten Aussagen getätigt zu haben. Es sei "natürlich total legitim", dass sich Durmaz durch die Bezeichnung als "Kanake" beleidigt fühlte, räumt Morad ein und berichtet, sich in der Zwischenzeit persönlich entschuldigt zu haben. Zur Erläuterung der diffamierenden Wortwahl will Morad jedoch festhalten, selbst eine sogenannte "südländische Person" zu sein: "In meiner Community verwenden wir den Begriff untereinander als empowernde Selbstbezeichnung und nicht als Beleidigung." Die Begrüßung mit "Kanake" sei daher eigentlich als verbindender Hinweis auf einen gemeinsamen biografischen Hintergrund gemeint gewesen.

Aufgewühlte Privatnachricht

Vielschichtiger sei auch der Kontext des Neandertaler-Vergleichs. Die Worte seien in einer Ausnahmesituation im Rahmen einer bilateralen Konversation mit einer damaligen Vertrauten gefallen, so Morad. "Ich bin eine muslimische Transperson und wurde in einem unter Muslim*innen bestehenden Gruppenchat transfeindlich angegangen." Davon verletzt und aufgewühlt "habe ich in einer höchst persönlichen Nachricht darüber geredet, dass ich mich bei den Muslim*innen an der FH unwohl fühle", schreibt die abgetretene ÖH-Vorsitzperson dem STANDARD. Im Zuge dieser Audionachricht, die später leider geleakt worden sei, habe sie sich zu dem Neandertaler-Sager – den sie heute als Fehler einstuft – hinreißen lassen.

Die Aktionsgemeinschaft begrüßt Morads Rücktritt und erblickt darin einen Erfolg der ÖH-Opposition an der FH Campus. Für den VSStÖ, der seit Jahren auf antirassistisches Uni-Engagement setzt, ist die Causa naturgemäß heikel. Es werde zu den Vorfällen baldigst eine interne Aufarbeitung geben, kündigt die rote Studierendenfraktion an, die sich bereits bei den Betroffenen entschuldigt hat.

Wer Morad nachfolgt, steht noch nicht fest. Eine allzu lange Amtszeit kann es aber auch für die kommende Führungsperson nicht werden, denn durch die nahenden ÖH-Wahlen von 9. bis 11. Mai werden die Karten jedenfalls neu gemischt.

Antritt freiheitlicher Studenten erneut geprüft

Apropos: An diesem Dienstag tritt wieder die bundesweite ÖH-Wahlkommission zusammen. Auf der Tagesordnung steht die endgültige Entscheidung, ob der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) zur Wahl antreten darf. Vergangene Woche hatte die Wahlkommission – wie der STANDARD berichtete – den Antritt der blauen Fraktion im ersten Anlauf abgelehnt, weil es Unstimmigkeiten in deren Einreichung gab.

In der Zwischenzeit hat der aktuell einzige RFS-Mandatar in der Bundesvertretung, Matthias Kornek, dem STANDARD seine Sicht auf das Malheur dargelegt. Er selbst habe dem RFS, wiewohl er seit einem Jahr "kaum Kontakt" mit der Organisation pflege, "selbstverständlich alle notwendigen Dokumente rechtzeitig zur Verfügung gestellt" und seine Unterstützungserklärung für das neuerliche Antreten gerne abgeliefert. Der RFS habe allerdings vergessen, das formal erforderliche Schreiben, das die Funktion des Zustellungsbevollmächtigten überträgt, an die Kommission zu schicken. Das sei mittlerweile nachgeholt worden, einem Antreten stehe nichts mehr im Wege.

RFS-Mandatar begründet Abwesenheiten

Und wie begründet Kornek seine Abwesenheit bei sämtlichen Sitzungen der ÖH-Bundesvertretung der Jahre 2022 und 2023? Er sei "an den Sitzungstagen terminlich eingebunden und teilweise gar nicht in Österreich" gewesen, schreibt er auf Anfrage und verweist darauf, eine Ersatzperson nominiert zu haben. Laut den offiziellen Protokollen war jedoch auch diese Person seit mehreren Semestern nicht mehr in den Sitzungen der österreichweiten Vertretung zu sehen.

Kornek erblickt im Fehlen der rechten Fraktion allerdings keinen Schaden: Da freiheitliche Anträge ohnehin von der linken Mehrheit abgelehnt würden, seien "die Auswirkungen der Nichtanwesenheit sehr begrenzt beziehungsweise nicht vorhanden". (Theo Anders, 11.4.2023)