Als ÖVP-Fraktionsführer im Untersuchungsausschuss provozierte Hanger mit kantigen bis fragwürdigen Aussagen Schlagzeilen.

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Eine Klage der "Tagespresse" gegen den ÖVP-Politiker Andreas Hanger sorgte im Sommer 2021 für einige Aufregung und Erheiterung. Das Satiremagazin warf Hanger vor, in Wahrheit ein verdecktes Satireprojekt zu sein und so dem echten Satireportal "Tagespresse" das Wasser abzugraben. Das verstoße gegen den "lauteren Wettbewerb".

Die "Tagespresse" scheiterte mit dem Ansinnen wenig später vor Gericht und zog die Klage zurück. Alle Beteiligten nahmen es mit Humor, selbst ÖVP-Politiker Hanger sprach von einem guten Marketinggag und einem "humorvollen Beitrag in der politischen Debatte".

Einzig der Disziplinaranwalt der Rechtsanwaltskammer fand die Aktion offenbar weniger lustig. Nachdem bei der Kammer eine Anzeige einlangte, pochte der Disziplinaranwalt auf ein Disziplinarverfahren – und das wird es nach einer aktuellen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs nun auch geben (OGH 27.3.2023, 24 Ds 16/22w). Denkbar wäre eine Geldstrafe gegen den Anwalt, der Ausgang des Verfahrens ist aber völlig offen.

"In Wahrheit Satire"

Die Kammer der Anwältinnen und Anwälte hat ein strenges Disziplinarrecht, das "Ehre und Ansehen" des Berufsstandes wahren soll. Diese "Ehre" sah ein Anwaltskollege offenbar verletzt, als er von der Klage erfuhr. Er setzte eine Sachverhaltsdarstellung auf und übermittelte sie Anfang August 2021 an die Rechtsanwaltskammer Wien.

Der Disziplinarrat wird sich nun im Kern mit zwei Vorwürfen beschäftigen. Zum einen habe der Anwalt mit der Klage gegen das "Sachlichkeitsgebot" verstoßen. In der Klagsschrift gegen Hanger formuliert er etwa: "Der Beklagte (Anm.: ÖVP-Politiker Hanger) geriert sich als Politiker und nützt diese seine Stellung aus, um in Wahrheit Satire zu betreiben und zu verbreiten. Damit täuscht er einerseits das Publikum und gräbt, bildlich gesprochen, andererseits der klagenden Partei (Anm.: der "Tagespresse") das Wasser ab."

Der zweite Vorwurf gegen den Anwalt lautet, dass er die "Tagespresse", "nicht ausreichend über die möglichen (Kosten-)Folgen bei Prozessverlust (...) aufgeklärt" hätte. Woher dieser Vorwurf stammt, kann sich der Anwalt auf Nachfrage des STANDARD nicht erklären. Die Mandantschaft (Anm.: die "Tagespresse") habe diesen Vorwurf nicht erhoben, sie sei auch umfassend über die Prozesskosten informiert worden. Eine weitergehende Stellungnahme möchte der Anwalt aufgrund des laufenden Verfahrens nicht abgeben.

Klage zugelassen

Die "Tagespresse" wollte mit ihrer Klage erreichen, dass Hanger einen drei mal vier Zentimeter großen Anstecker trägt, auf dem gut sichtbar ist, dass er ein Satiriker und kein Politiker ist. Das Handelsgericht Wien hatte das Verfahren Anfang August zugelassen, was selbst bei Anträgen üblich ist, die inhaltlich von vornherein aussichtslos sind. Hanger zwang das dazu, sich vor Gericht zu äußern und zu erklären, warum er kein Satiriker sei.

Im September wies das Handelsgericht das Ansinnen der Tagespresse in einem Vorverfahren zurück. Hanger und die "Tagespresse" stünden in "keinem Wettbewerbsverhältnis." Im Oktober zog die "Tagespresse" die Klage dann endgültig zurück. Die Begründung der Satirezeitung: Die Justiz habe alle Hände voll zu tun, um "den türkisen Sumpf trockenzulegen" und brauche die Ressourcen.

Diszplinarverfahren bei der Rechtsanwaltskammer treiben immer wieder seltsame Blüten. Anfang des Jahres wurde eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bekannt, in der er eine Disziplinarstrafe von 4.000 Euro gegen einen Anwalt bestätigte, der im Fernsehen in einem Bordell auftrat. 2022 musste ein Anwalt eine Strafe zahlen, weil er sich als Taxler ausgegeben hatte. Im selben Jahr hagelte es eine Geldbuße von 1.500 Euro gegen einen Anwaltsanwärter, der einen Staatsanwalt als "Arschloch" bezeichnet haben soll. (Jakob Pflügl, 10.4.2023)