Bodenschleppnetze liefern über 30 Prozent des Fisches in der EU – gelten aber auch als besonders schädlich für Lebensräume im Wasser.

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Ein schweres, langes Netz zieht seine Spur über den Meeresboden. Es gräbt sich tief in den Sand hinein, nimmt alles mit, was sich auf dem Meeresboden oder knapp darüber befindet. Gefangen werden soll, je nach Einsatzgebiet, Flunder, Scholle und Seezunge sowie Kabeljau oder Shrimps. Mit ins Netz gehen allerdings auch viele andere Arten – zum Beispiel Rochen, Seerobben, Schildkröten sowie Vögel, die sich verheddern. Der Großteil des Beifangs wird später, tot, ins Meer zurückgeworfen.

Sogar in mehr als der Hälfte jener Zonen, die EU-Staaten als Meeresschutzgebiete ausgewiesen haben, wird so gefischt. Diesen Einsatz von Bodenschleppnetzen in Schutzzonen will die EU-Kommission ab 2030 verbieten – und stößt dabei auf Widerstand aus einigen Mitgliedsstaaten, unter anderem aus Spanien und Frankreich, aber auch aus Deutschland.

Warum das Thema für so viel Zündstoff sorgt, ist schnell erklärt: Die Fischerei mit Bodenschleppnetzen sorgt für über 30 Prozent der Fische, die in der EU gefangen werden – und unter anderem auch nach Österreich verkauft werden. "Die Nachfrage nach Protein in sämtlichen Formen wird steigen", wehrt sich die im März 2022 gegründete Interessensvertretung European Bottom Fisheries Alliance (EBFA) gegen den Vorstoß. "Die Millionen Tonnen Fisch, die Bodenschleppnetze jedes Jahr an Land holen, müssen erhalten bleiben."

Globales Abkommen

Derzeit sind rund zwölf Prozent der europäischen Meeresflächen als Schutzgebiete ausgewiesen. Laut der europäischen Biodiversitätsstrategie soll dieser Anteil bis 2030 auf 30 Prozent ausgedehnt werden. Das hat die EU auch gegenüber der Uno vergangenen Dezember zugesichert, als die Welt sich auf das globale Artenschutzabkommen einigte. Bis 2030 sollen 30 Prozent der Landes- und Meerflächen geschützt sein, heißt es dort. Der neue Aktionsplan der EU-Kommission, der etwa das Fischen mit Bodenschleppnetzen in Meeresschutzgebieten stoppen soll, ist eines der Puzzlestücke, mit denen dieses Abkommen umgesetzt werden soll.

Denn die große Frage bei den 30 Prozent bleibt: Wie genau sollen diese Gebiete geschützt werden? Seit Jahren kritisieren Umweltorganisationen, viele Meeresschutzgebiete weltweit – auch in Europa – seien bloße Papiertiger. "Wir riskieren, im Meer Fake-Umweltschutz zu betreiben. Wir können nicht noch mehr Papierparks einrichten", warnt Nicolas Fournier von der NGO Oceana. "Viele Lebewesen nutzen den Meeresboden, um Nahrung zu finden oder sich fortzupflanzen. Mit Bodenschleppnetzen werden wichtige Lebensräume zerstört", ergänzt er.

Fischer auf einem niederländischen Schiff fischen Seezunge und Flunder.
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So viel CO2 wie die Luftfahrt

Außerdem bindet der Meeresboden große Mengen an CO2 – die schweren Netze sorgen dafür, dass Teile davon wieder frei werden. Etwa zeigte eine Studie 2021, die im Fachjournal Nature veröffentlicht wurde, dass der Einsatz von Bodenschleppnetzen weltweit für so viel CO2 im Ozean sorgt wie die Flugindustrie in der Luft. Das beschleunigt, dass die Meere versauern – und immer weniger CO2 aus der Luft speichern. Unter den zehn Staaten, die mit ihren Bodenschleppnetzen das meiste CO2 freisetzen, sind sechs EU-Staaten – sowie auch Großbritannien und Norwegen. Ganz oben auf der Liste steht China, gefolgt von Russland.

Spätestens im Frühjahr 2024 müssen die EU-Staaten Strategien einreichen, wie sie den Aktionsplan der Kommission umsetzen werden und ihre Fischerei nachhaltiger aufstellen wollen. Ein Verbot für das Fischen mit Bodenschleppnetzen in Schutzgebieten lehnen der französische und der spanische Fischereiminister jedoch ab. Sie argumentieren, der Schritt würde dazu führen, dass mehr Fisch importiert werden müsse – aus Regionen, in denen laschere Regeln gelten. Die Kommission geht von einem anderen Szenario aus: Sie rechnet damit, dass die verbesserte Nachhaltigkeit die Importe um nur rund zwei Prozent steigern würde.

"Es wird so viel Angstmache um Fischereibeschränkungen betrieben", so Fournier von Oceana. "Dabei geht es derzeit bloß darum, Schutzgebiete auch tatsächlich zu schützen, damit sie ihre Aufgabe im Meer erfüllen können." (Alicia Prager, 11.4.2023)