Manchester, WM-Finale 2008 über 200 Meter Rücken: Markus Rogan (links) hat sich durchs Feld gepflügt und hängt am Ende auch Ryan Lochte um 0,07 Sekunden ab.

Foto: Getty Images/Alex Livesey

13. April 2008: Markus Rogan und die Freude über WM-Gold.

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"Um welchen Skandal handelt es sich denn?" Mit dieser Frage reagiert Markus Rogan auf die Kunde, dass für ihn am 13. April ein zumindest halbrunder Jahrestag ansteht. Dabei ist es gar kein Skandal, der sich jährt, sondern der größte Triumph, den Markus Antonius Rogan, wie die Eltern ihn nannten, in seiner Schwimmkarriere gefeiert hat. Olympiasilber hin, Olympiasilber her, WM-Gold mit Weltrekord, das ist dann doch eine Stufe höher. Das sieht auch Rogan so, wie er dem STANDARD sagt. "So schön die zwei Silbernen 2004 in Athen auch gewesen sind, der Zweite ist und bleibt der erste Verlierer."

Doch am 13. April 2008 war Rogan der Erste, da ist er ganz oben gestanden. Kurzbahn-Weltmeisterschaft in Manchester, Finale über 200 Meter Rücken: Eigentlich hat sich der Wiener drei Tage zuvor über 100 Meter mehr ausgerechnet, da aber nur Rang vier belegt. Zu diesem Rennen war eigens seine Freundin Christine Reiler angereist. Sie wollte, wie die Krone später berichten sollte, bei einem WM-Sieg Rogans zu ihm ins Becken springen, trug einen Bikini unter ihrem Kleid. Doch aus dem Sprung ins Becken wurde nichts, und Reiler reiste wieder ab.

Das Finale über 200 Meter steht erst am WM-Schlusstag an. Rogan rechnet sich gegen Ryan Lochte, den Emporkömmling aus Rochester, New York, wenig aus, hofft "bestenfalls auf Silber. Es kann aber auch Rang fünf werden." Lochte hat seinem US-Landsmann Aaron Peirsol und Rogan bereits des Öfteren das Wasser abgegraben. Mag sein, auch deshalb lässt Peirsol die Kurzbahn-WM aus, er konzentriert sich schon voll auf die Olympischen Spiele im August in Peking. Spoiler: Das zahlt sich für ihn aus.

Starkes Finish

Doch Lochte will es auch in Manchester wissen, immerhin hält er mit 1:49,05 Minuten den Weltrekord, der drei Jahre zuvor auch schon einmal Rogan gehört hat. Damals, 2005, sicherte sich der Österreicher in Triest den EM-Titel. Das war einerseits ein ganz anderes, weil klarerweise Amerikaner-loses Rennen, andererseits läuft das Finale in Manchester recht ähnlich ab. Denn auch 2008 taucht Rogan erst im Finish an der Spitze auf.

World Aquatics

Das WM-Finale ist ein Youtube-Klassiker, im englischen Kommentar ist die längste Zeit nur vom Australier Ashley Delaney die Rede, der freilich seinem wahnwitzigen Anfangstempo Tribut zollen und ohne Medaille bleiben wird. Erst nach fünf der acht Längen wird der Kommentator auf Rogan aufmerksam, der sich quasi durch das Feld gepflügt hat und am Ende mit Lochte um Gold fightet. In 1:47,84 Minuten schlägt der 25-Jährige an, er distanziert den zwei Jahre jüngeren Lochte um 0,07 Sekunden, verbessert dessen Weltrekord um 1,21 und seinen eigenen Europarekord um 2,02 Sekunden. Bronze geht an den Russen Stanislaw Donets (1:50,45), der Rogan über 100 Meter um acht Hundertstel die Bronzemedaille weggeschnappt hatte.

Lange Durststrecke

Österreichs Schwimmsport hatte nach Josef Selmeczy, der am 5. Juni 1912 in Wien über 400-m-Rücken auftrumpfte, mit Markus Rogan wieder einen Weltrekordler – und zum ersten Mal überhaupt einen Weltmeister. Heute lebt dieser Weltmeister mit seiner Frau Leanne und den zwei kleinen Söhnen in Los Angeles, er arbeitet als Psychotherapeut und schätzt bei allem, was ihm Kalifornien bietet, speziell eines: "die Anonymität."

Anonymität hätte er sich schon früher manchmal gewünscht, schließlich mangelte es seinem Werdegang auch an Rück- und Tiefschlägen nicht. Rogan hätte sich besser nicht mit italienischen Disco-Türstehern angelegt, wäre besser nicht über Hermann Maier hergezogen und schon gar nicht nach positivem Corona-Test in ein Flugzeug gestiegen. 2016, im Sportruhestand, fragte er sich in einem TV-Live-Interview, "ob nicht der eine oder andere Putin einen geblasen hat", weil Dopingsanktionen gegen Russland weitgehend aufgehoben worden waren. Das war am Rande der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro, wo freilich Lochte größeres Aufsehen erregte, als er in einer Tankstelle randalierte, vorgab, überfallen worden zu sein, aber überführt und gesperrt wurde.

Schon 2012, vier Jahre nach dem Höhepunkt in Manchester, hatte Markus Antonius Rogan seine Karriere beendet. An den Erfolg kam er nicht mehr heran, auch wenn er danach noch einen EM-Titel und weitere Medaillen einheimsen konnte. Der WM-Triumph samt Weltrekord war der Post 2008 sogar eine Sonderbriefmarke wert gewesen. Mittlerweile hat sich zu Rogans WM-Titel ein weiterer für Österreich gesellt, jener von Felix Auböck 2021 über 400 Meter Kraul in Abu Dhabi, ebenfalls auf der Kurzbahn. Doch dass die eine Briefmarke vielleicht ebenfalls Zuwachs bekommt, ist nicht absehbar. (Fritz Neumann, 12.4.2023)