Ab wann sich Homo sapiens im Laufe seiner Geschichte mit halluzinogenen Substanzen ein wenig Ablenkung verschaffte, ist nicht ganz klar. Da aber Drogenkonsum auch im Tierreich nicht unüblich ist, lässt sich guten Gewissens davon ausgehen, dass sich unsere Vorfahren wohl immer schon zudröhnten, wenn sich die Gelegenheit dazu ergab. Direkte Nachweise menschlichen Drogenkonsums aus vorgeschichtlicher Zeit sind allerdings recht rar – sehen wir einmal von der frühesten Wein- und Bierproduktion ab, die ziemlich weit in die Geschichte zurückreichen.

Einen besonders alten Beweis für Trips in der Bronzezeit entdeckte ein Team spanischer Forschender um die Prähistorikerin Elisa Guerra-Doce (Universität Valladolid), ihres Zeichens Expertin für die Anthropologie des Rausches und Autorin eines einschlägigen Standardwerks ("Las drogas en la prehistoria"). Ihre neueste Studie im Fachblatt "Scientific Reports" zeigt, dass Menschen, die vor etwa 3.000 Jahren auf der spanischen Insel Menorca lebten, Halluzinogene als Teil ihrer Rituale verwendeten.

Die innerste Kammer der Höhle Es Càrritx, wo die Funde gemacht wurden.
Foto: ASOME-Universitat Autònoma de Barcelona.

Bewiesen wurde das mittels einer relativ neuen Methode zum Drogennachweis: Die Forschenden analysierten nämlich Haarsträhnen, die in der Höhle Es Càrritx gefunden worden waren, auf einschlägige Substanzen. Und siehe da: Es fanden sich gleich drei Alkaloide, von denen bekannt ist, dass sie veränderte Bewusstseinszustände hervorrufen: Ephedrin, Atropin und Scopolamin.

Die Grotte war erst 1995 von Höhlenforschern entdeckt worden und enthält die sterblichen Überreste von mehr als 200 Menschen, die dort im Laufe von sechs Jahrhunderten begraben worden waren, zuletzt etwa vor 2.800 Jahren.

Viele der dort beigesetzten Personen ihnen waren über mehrere Generationen miteinander verwandt. Und es dürfte vermutlich Standesunterschiede gegeben haben: Denn nur die Haare bestimmter Personen wurden rot gefärbt, in Behälter aus Holz und Horn gelegt und in eine separate, versiegelte Kammer weiter hinten in der Höhle gebracht.

So könnte sich das Einfärben der Haare der Verstorbenen abgespielt haben.
Oriol Garcia i Quera, ASOME-Universitat Autònoma de Barcelona.

Diese Haarsträhnen stammen aus der Zeit vor etwa 3.000 Jahren. Die Analysen mittels Flüssigkeitschromatographie und Massenspektroskopie führten dann zum eindeutigen Ergebnis beziehungsweise zum positiven Drogentest. Doch was hatten die Menschen damals konsumiert? Welche Art von Trips hatten sie durchgemacht? Und wie regelmäßig hatten sich sich die Alkaloide eingeworfen?

Alraunenernte im Mittelalter.
Gemeinfrei

Atropin und Scopolamin kommen natürlich in der Familie der Nachtschattengewächse vor. Das lässt auf den Konsum von Alraune (Mandragora autumnalis), Bilsenkraut (Hyoscyamus albus) Stechapfel (Datura stramonium) oder nacktsamigen Meerträubel (Ephedra fragilis) schließen, die allesamt auf Menorca vorkommen. Diese Pflanzen können Delirien, Halluzinationen und eine veränderte Sinneswahrnehmung hervorrufen. Ephedrin wiederum ist ein aus bestimmten Strauch- und Kiefernarten gewonnenes Rauschmittel, das Erregung, Wachsamkeit und körperliche Aktivität steigern kann.

Ein Büschel der untersuchten Haare.

Laut den Analysen lässt die Verteilung der Drogenspuren in den Haaren zudem darauf schließen, dass die Substanzen über einen Zeitraum von einem Jahr und lange vor dem Tod konsumiert wurden. Hinsichtlich der Art der Trips könnte die Form der Holzbehälter aufschlussreich sein, in denen die Haarsträhnen gefunden wurden: Sie bestehen aus drei miteinander verbundenen konzentrischen Kreisen, die Augen darstellen könnten – als Metapher für innere Visionen im Zusammenhang mit einem drogeninduzierten veränderten Bewusstseinszustand.

Die Forschenden vermuten, dass womöglich aufgrund kultureller Veränderungen vor etwa 2.800 Jahren die Holzbehälter in der Höhlenkammer versiegelt wurden, um diese alten Traditionen zu bewahren und vor dem Zugriff anderer Menschen zu verbergen. "Wenn Menschen an Drogen denken, glauben viele, dass es sich um eine moderne Praxis handelt", resümiert Guerra-Doce. "Diese einzigartigen Funde sprechen eine andere Sprache." (Klaus Taschwer, 13.4.2023)