Sie sind immer wieder für einen Aufreger gut. Die neuen schwarz-blauen Koalitionäre in St. Pölten schaffen es regelmäßig, breite Debatten und viel Empörung auszulösen – und zwar besonders in sozialen Medien. Den jüngsten Anlass dafür bot der Beschluss des niederösterreichischen Wohn- und Heizkostenzuschusses durch die Landesregierung.

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat diesen Seite an Seite mit ihrem nunmehrigen Stellvertreter und FPÖ-Chef Udo Landbauer am Dienstag präsentiert. Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher dürfen sich über eine Einmalzahlung ob der gestiegenen Energie- und Wohnkosten freuen, die sich an der Anzahl der Personen im Haushalt und der Einkommenshöhe bemisst. Für Kritik sorgt aber, wer alles davon angeblich ausgeschlossen sein soll.

Landbauer hielt schon in der Pressekonferenz und dann auch auf Facebook fest, dass im Gegensatz zu Maßnahmen der Bundesregierung in Niederösterreich "Asylwerber und Inhaftierte nichts bekommen". Eine Anspielung an den Klimabonus der Bundesregierung. Den Klimabonus erhielten im vergangenen Jahr nämlich auch einige Tausend Asylwerber und Gefängnisinsassen, österreichweit wohl um die 17.000 Personen.

Kein Geld für Türkinnen und Türken?

Noch einschränkender klang die Presseaussendung des Landes zu dem Thema: Dort hieß es gar, dass antragsberechtigt nur österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger seien sowie jene Personen mit Hauptwohnsitz in Niederösterreich, die diesen gleichgestellt sind. Die Wortwahl klingt fast so, als wären nur Österreicherinnen und Österreicher sowie EU-Bürgerinnen und -Bürger anspruchsberechtigt und nicht Drittstaatenangehörige.

Was gilt nun und für wen?

Laut Auskunft der Landesregierung wird bei der Regelung auf EU-Recht abgestellt werden – und zwar konkret darauf, ob Bürger anderer Länder Österreichern "sozialrechtlich gleichgestellt" sind. Das trifft auf große Gruppen zu.

Darunter fallen etwa EU-Bürger aus anderen Staaten, die hier arbeiten, aber auch Unionsbürger, die seit fünf Jahren in Österreich sind, aber nicht arbeiten. Und auch Drittstaatsangehörige, die seit fünf Jahren legal im Land leben, etwa mit einer dauerhaften Niederlassungsbewilligung, haben Anspruch auf die Leistung, erklärt Michael Fuchs vom Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung in Wien.

Ausgenommen wäre vom Zuschuss also etwa ein türkisches Paar, das soeben erst nach Niederösterreich gezogen ist. Der Restaurantbetreiber aus der Türkei, der seit zehn Jahren hier lebt, oder der bosnische Mechaniker, der hier geboren wurde, nicht.

Ausschlussgründe sehr eingeschränkt

Bei genauerem Hinsehen dürften auch die anderen Ausschlussgründe nur wenige Menschen betreffen. Zunächst zu den Inhaftierten. Laut Justizanstalt Stein im niederösterreichischen Krems, der immerhin größten Strafvollzugsanstalt Österreichs, trägt keine der dort inhaftierten Personen Energiekosten oder Wohnkosten im klassischen Sinn selbst.

Genauer gesagt: Wohl müssen sich die Häftlinge an den Kosten des Vollzugs beteiligen, dafür wird ihnen eine Pauschale vom Lohn abgezogen, den sie für Arbeiten im Gefängnis erhalten. Aber Rechnungen für Miete oder Energie erhält dort niemand, auch fürs Essen wird nicht gezahlt. Und: Einen elektronisch überwachten Hausarrest in der eigenen Wohnung, also eine Fußfessel, gibt es dort auch nicht. Selbst wenn die Regelungen bezüglich der Fußfessel in anderen Justizanstalten in Niederösterreich anders ausgestaltet sind, dürfte der tatsächliche Kreis jener Betroffenen, die leer ausgehen und ihren Lebensunterhalt laufend decken müssen, also überschaubar sein.

Was können sie umsetzten? Johanna Mikl-Leitner und Udo Landbauer.
Foto: Christian Fischer

Bei den Asylwerbern, von denen Landbauer spricht, dürft es ähnlich sein. Jene unter ihnen, die in Grundversorgung sind, kümmern sich entweder selbst um ein Quartier oder werden in organisierten Unterkünften, etwa von der Caritas, untergebracht. Sofern sie in einer organisierten Unterkunft leben, erhalten den Wohnkostenzuschuss des Landes die Unterkunftgeber. Gestiegene Heiz- und/oder Mietkosten belasten also die Unterkunftgeber und nicht die Asylwerber.

Sofern die Menschen privat wohnen, müssen sie selbst für Wohnkosten und Heizung aufkommen. Aber: Laut Herbert Langthaler, dem langjährigen Experten bei der Asylkoordination, wohnen in Niederösterreich Asylwerber in der Grundversorgung nur sehr selten privat. Da die Asylwerber wenig Geld in der Grundversorgung bekommen, müssen sie sich bei privater Wohnungsmiete meist in Wohngemeinschaften zusammentun. Niederösterreich kürzt in solchen Fällen aber das Geld für die Betroffenen – im Gegensatz etwa zu Wien.

Somit bleiben also wohl konkret wenige Fälle übrig, die ausgeschlossen werden. Ein Unterschied zum Klimabonus ist eben, dass der Bonus eine Pro-Kopf-Zahlung war, der Heizkostenzuschuss aber von den drei Kriterien Hauptwohnsitz, Haushaltsgröße und Bruttohaushaltseinkommen abhängt.

Außer Empörung nichts gewesen?

Es ist nicht das erste Mal, dass unklar ist, wie viel Substanz hinter der Ankündigung der neuen Landesregierung steht. Im schwarz-blauen Arbeitsübereinkommen ist vorgesehen, dass Deutsch in Pausen und auf dem Schulhof "durch Aufnahme in die schulautonom zu beschließenden Hausordnungen" gefördert werden soll. Wie Lehrervertreter sagen, ist das unrealistisch: Die Hausordnungen sind eben autonom zu beschließen und keine Vorgabe. In der Praxis, sagen Lehrerinnen und Lehrer, lasse sich Kontrolle nicht durchsetzen. "Das kann man nicht umsetzen, geschweige denn kontrollieren", sagt etwa Wolfgang Bodai, Direktor der HTL Hollabrunn und Sprecher der BHS-Direktorinnen und -Direktoren.

Für nicht durchführbar gehalten wird auch die Ankündigung der Landesregierung, Corona-Strafen, die auf als verfassungswidrig aufgehobenen Bestimmungen beruhten, an die Betroffenen zurückzuzahlen. Der Verfassungsjurist Heinz Mayer sagt, dass dies rechtlich gar nicht zulässig wäre. Wenn jemand eine Strafe bekommt und sich nicht dagegen wehrt, wirke diese rechtskräftig. Die Aufhebung einer Bestimmung durch das Höchstgericht wirke immer nur in die Zukunft, rechtskräftig abgeschlossene Verfahren bleiben bestehen. Und selbst die ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler meinte: "Für mich geht sich das weder als Juristin noch als Verfassungsministerin aus."

Offenbar ist der Koalition (oder auch nur der FPÖ?) recht viel daran gelegen, mit Ankündigungen viel Staub aufzuwirbeln. Was sich damit konkret ändert, ist dabei vielleicht gar nicht immer so wichtig. (András Szigetvari, 12.4.2023)