Paco und Belén sind sich alles andere als einig. Seit Tagen diskutieren sie über Leihmütter. Nicht etwa dass der Beamte und die Angestellte in einem Großunternehmen kurz vor der Rente in Erwägung ziehen, eine andere Frau ein Kind für sie austragen zulassen, es geht um einen Fernsehstar, der dies getan hat: Ana Obregón, 68, Moderatorin, Sängerin und Schauspielerin, die unter anderem immer wieder das neue Jahr im öffentlichen Fernsehen einläutet, hat eine Leihmutter im US-amerikanischen Miami unter Vertrag genommen.

Die kleine Anita kam vor drei Wochen zur Welt und entzweit schon ein ganzes Land. "Das ist einfach ungeheuerlich. Leihmutterschaft ist in Spanien schließlich verboten", sagt Paco. "Ich rufe einfach nur Olé. Sie kann es sich erlauben, und sie hat es getan", sagt Belén.

Oma und Enkelin Obregón auf dem "¡Hola!"-Cover.
Foto: Reuters/Doce

Großmutter einer Vollwaise

Nicht nur, dass Obregón das heimische Gesetz umgangen hat, sie vermarktet auch ihre Entscheidung auf dem Titelblatt des Klatsch- und Tratschblattes "¡Hola!". Zuerst mit Fotos, wie sie das Baby in Miami in Empfang nahm, und dann eine Woche später mit der Nachricht, die das Ganze noch pikanter macht. Das Sperma, das zum Einsatz kam, war das des mit 27 Jahren an Krebs verstorbenen Sohnes von Obregón, Aless. Die Fernsehdiva ist damit die Großmutter des Kindes, das sie in den USA für rund 200.000 Dollar in Auftrag gegeben hat. "Es war der letzte Wunsch von Aless, ein Kind von sich auf die Welt zu bringen. Diesen Wunsch zu erfüllen hat mich am Leben gehalten", verteidigt die Moderatorin ihre Entscheidung.

"Ihr Sohn wollte eine kinderreiche Familie", hat Belen aus den unzähligen Fernsehdebatten zum Thema Obregón gelernt. "Völlig verrückt. Sie hat angekündigt, dass sie in Erwägung zieht, weitere Kinder mit dem Sperma ihres Sohnes in Auftrag zu geben", beweist auch Paco, dass er den Fall im Detail verfolgt.

Kind gekauft

Die beiden sind nicht die Einzigen hier in der kleinen Metzgerei in der Altstadt von Madrid, die das Thema aufmerksam verfolgen. "Sie hat Geld und hat sich ein Kind gekauft, so als wäre es irgendein Luxusartikel", sagt Rentnerin Carmen. "Wenn sie ein Kind will, um nicht alleine zu sein, wie sie sagt, hätte sie ja auch eines adoptieren können", fügt sie hinzu. "Und das Ganze zahlt sich für sie auch noch aus, indem sie Exklusivstorys an die Presse verkauft", sagt Carmen und erinnert daran, dass Obregón auch die Trauer um ihren verstorbenen Sohn monatelang auf den Titelblättern von "¡Hola!" zur Schau stellte. Als eine Art "Truman-Show" beschreibt die wichtigste Tageszeitung Spaniens, "El País", das Verhalten Obregóns dieser Tage. Die kleine Anita "verliert ihre Privatsphäre, um an der Obregón-Show teilzunehmen", heißt es im Artikel.

Auch aus der Politik kommt Kritik am Vorgehen der Fernsehgröße. Am härtesten ging Gleichstellungsministerin Irene Montero mit Obregón ins Gericht. "Leihmutterschaft ist Gewalt gegen Frauen", erklärt die Politikerin aus den Reihen der linksalternativen Unidas Podemos. Leihmutterschaft habe mit "Armut und Diskriminierung" zu tun.

Ana Obregón hat sich ein Enkelkind machen lassen. Das Foto zeigt die Schauspielerin bei einer Veranstaltung vor zehn Jahren.
Foto: AP/Kudacki

Moral und Religion

"Sie soll doch machen, was sie will", sagt Fleischer Pedro, während er ein Stück filetiert. Sein Armband mit den spanischen Nationalfarben zeigt, dass er wohl nicht zur Wählerschaft der regierenden Linkskoalition gehört. "Jetzt hat sie eine Enkelin. So als hätte ihr Sohn ihr eine hinterlassen." Dass es die nicht gibt, liegt wohl nicht zuletzt daran, dass die Ex des Sohnes noch keine Kinder wollte.

"Immerhin wird es der Kleinen an nichts fehlen", meint Pepa, Verkäuferin in einem Supermarkt, die weiß, wie schwer es ist, mit zwei Kindern als Normalverdiener in Madrid über die Runden zu kommen. "Und dass sie schon so alt ist als Mutter? Die kleine Anita wird doch eh mit einem Kindermädchen aufwachsen", glaubt Pepa. "Sie hat gemacht, was viel mehr Leute tun würden, wenn sie das Geld hätten", ist sie sich sicher.

"Diese Señora macht etwas, was hier illegal ist, und lässt es legal erscheinen", sagt ein anderer Kunde, Enrique, der in der Gewerkschaftszentrale arbeitet. Er selbst lehnt Leihmutterschaft ab, "aus moralischen, nicht aus religiösen Gründen", wie er mehrmals betont. "Nur weil es dieser Señora in den Kram passt, diskutiert jetzt ein ganzes Land über Leihmutterschaft, etwas, was längst geklärt ist. Ich ignoriere diese Señora einfach", beendet er seine Ausführungen. Leicht wird dies nicht werden. Denn die Klatschpresse wird Obregóns Mutterglück wohl weiterhin ausführlichst begleiten. (Reiner Wandler aus Madrid, 12.4.2023)