Am Mittwoch kam in den Gemäuern der Festung Kufstein ein Stein ins Rollen. Zumindest symbolisch in Form einer von Tirol, Südtirol und Bayern unterzeichneten Absichtserklärung für ein grenzüberschreitendes Verkehrsmanagement auf dem Brenner-Korridor. Sie sieht ein Ende der von Tirol implementierten und den Nachbarregionen heftig kritisierten Blockabfertigungen vor.

Die Blechlawine soll demnach nicht nur tageweise, sondern permanent dosiert und so gelenkt werden. Konkret durch ein Slot-System, das großräumig auf der Strecke zwischen Rosenheim und Trient zur Anwendung kommen soll. Frächter und Speditionen sollen in diesem System Termine für ihre Durchfahrt buchen. Ist die Kapazitätsgrenze erreicht, müsse entweder auf die Schiene oder auf einen anderen Tag umdisponiert werden, hatte es ursprünglich geheißen. Ende vergangenen Jahres hatte eine von Südtirol in Auftrag gegebene Studie dem Slot-System sowohl rechtliche als auch technische Machbarkeit attestiert.

Ziehen in der Transitfrage neuerdings an einem Strang: Die Landesoberhäupter von Bayern, Tirol und Südtirol.
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Umweg bevorzugt

Das Transitthema ist verfahren. Obwohl es oft nicht die kürzeste Strecke ist, wählen viele Frächter die Route über den Brenner durch Tirol. Knapp 2,5 Millionen Lkws donnerten laut Autobahnbetreiber Asfinag im vergangenen Jahr durch das Bundesland. Tirol wehrt sich seit Jahren mit eindämmenden Maßnahmen wie Fahrverboten und eben Blockabfertigungen, die nicht nur zu Staus in den Nachbarregionen, sondern regelmäßig auch zu politischen Verwerfungen führten.

Doch an diesem Mittwoch präsentierten sich die Landeschefs der betroffenen Regionen – Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP), der bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und der Landeshauptmann Südtirols, Arno Kompatscher (SVP) – nach einem Gipfeltreffen in trautem Frieden und seltener Einigkeit. Sie lobten das "nachbarschaftliche Denken", frohlockten über einen "Neuanfang" und einen "massiven Anstoß" – ganz neue Töne in der gewöhnlich durch Drohgebärden dominierten Debatte.

Signal nach jahrelanger Funkstille

Die Sache hat allerdings einen Haken, denn umsetzen können die Landeschefs besagtes gemeinsames digitales Verkehrsmanagement nicht, dies fällt in die Zuständigkeit der Nationalstaaten. Laut Expertinnen und Experten ist ein Staatsvertrag notwendig. Österreich signalisierte bereits Zustimmung – ob Deutschland und Italien nachziehen, ist indes ungewiss.

Erst kürzlich hatte Italiens Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) die EU-Kommission offiziell aufgefordert, ob der Fahrverbote und transiteinschränkenden Maßnahmen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einzuleiten. Rückenwind bekam er dabei von seinem deutschen Amtskollegen Volker Wissing (FDP).

Es gehe jetzt darum, "gestaltend und steuernd" einzugreifen, mahnte Tirols Landeshauptmann Mattle. Dafür brauche man die Nationalstaaten: "Wir können das nicht alleine stemmen." "Das ist ein Angebot für eine Lösung an die Nationalstaaten", schlug Söder in dieselbe Kerbe. Kompatscher nahm dann auch die EU-Kommission in die Pflicht. Sie solle eine "aktive Vermittlerrolle" einnehmen.

Ein gewohntes Bild am Brenner.
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Keine neue Erfindung

Ein Slot-System ist im Übrigen keine Neuerfindung, sondern bereits Teil eines 2019 zwischen Wien und Berlin paktierten Abkommens. Dass dieses noch nicht umgesetzt ist, führte Söder auf diplomatische Spannungen zwischen Bayern und Tirol zurück. Man könne zwar in eine Richtung "funken, aber wenn der Apparat ausgeschaltet ist, bringt das nichts", meinte er. "Wir haben einige Jahre Funkstille gehabt. Jetzt senden wir ein wichtiges Signal." Ein Signal auch an die in Berlin regierende Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP. Das Verkehrsministerium war zuvor jahrelang in CSU-Hand.

Man werde "in kurzer Zeit vom Reden ins Tun kommen", versprachen die Politiker. Einen genauen Zeitplan wollten sie nicht nennen. Stattdessen wurde auf die Arbeitsgruppen verwiesen, die in der kommenden Woche erneut tagen würden. (Maria Retter, 12.4.2023)