Fußball und andere Ballsportarten können auch heute noch Kultcharakter annehmen. Der Ausspruch "Rapid ist Religion" kündet davon ebenso wie die Verehrung von Lionel Messi, dem von seinen Fans in Stadien – modernen Kathedralen – mit Rufen seines Namens und Verneigungen messiasgleich gehuldigt wird. Und dass kürzlich für gebrauchte Basketballschuhe von Michael "Air" Jordan kürzlich mehr als zwei Millionen Dollar bezahlt wurden, lässt sich auch nur mit einem Kult erklären.

Ein Pelota-Spieler in historischer Tracht in Aktion. Das Foto dieser Demonstration stammt vom 1. April anlässlich eines Staatsbesuchs in Guatemala.
Foto: AP / Moises Castillo

Im Vergleich zu den Ballspielen der präkolumbischen Zeit sind solche Formen der Anbetung allerdings eher harmlos. Denn bei so gut wie allen mittelamerikanischen Völkern war das Spiel als Teil des Ritus weniger Spaß als blutiger Ernst. Nicht selten ging es dabei buchstäblich um Leben und Tod.

Eines der Zentren der Maya – und ihres Ballspiels, das heute auch "Pelota" (spanisch für "Ball") genannt wird – war die heutige Ruinenstätte Chichén Itzá auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán. Der dortige Ballspielplatz gilt als der größte, der bisher entdeckt wurde; allein auf Yucatán waren das 500.

Ein legendäres Spiel aus dem Jahr 894

Mexikanische Archäologen des Instituto Nacional de Antropología e Historia (Nationales Institut für Anthropologie und Geschichte, INAH) haben in Chichén Itzá kürzlich einen besonderen Fund gemacht: Sie stießen bei Ausgrabungen auf eine große Steinscheibe, die an ein bestimmtes, wohl besonders legendäres Spiel erinnert.

Ausgehend von dem in der Inschrift genannten Datum – es handelt sich um das Jahr 894 unserer Zeitrechnung, 992 Jahre vor der bislang letzten Fußball-WM in Mexiko – stammt die Scheibe aus der endklassischen Maya-Periode.

Die große Steinscheibe, die an ein großes Spiel vor mehr als 1.100 Jahren erinnert.
Foto: Instituto Nacional de Antropología e Historia

"In dieser Maya-Stätte ist es sehr selten, eine Hieroglyphenschrift zu finden, geschweige denn einen vollständigen Text", erklärt der Archäologe Francisco Pérez Ruiz: "Das ist seit mehr als elf Jahren nicht mehr passiert." Entdeckt wurde die "Anzeigetafel" mit einem Durchmesser von 32,5 Zentimetern und einem Gewicht von 40 Kilogramm in der sogenannten Casa Colorada ("Rotes Haus"). Dieser Gebäudekomplex mit rot bemalten Innenräumen verfügte über einen eigenen Pelota-Platz, der allerdings deutlich kleiner war als das riesige Hauptspielfeld von Chichén Itzá.

Schwerer Ball, strenge Regeln

Das "Pelota" oder eigentlich "pitzi" der Maya ist mit heutigen Ballspielen kaum vergleichbar, wobei sich die Regeln über die vielen Jahrhunderte immer wieder änderten. Laut einer der gängigen Überlieferungen durfte der Ball aus Kautschuk, der mitunter auch die Asche verstorbener Maya-Herrscher enthielt, nie den Boden berühren. Die Spieler mussten das relativ schwere Spielgerät also immer in der Luft halten, durften es aber nur mit Schultern, Hüfte oder Ellenbogen berühren.

Am Rand des großen Spielfelds von Chichén Itzá – Zuschauer waren nur sehr begrenzt zugelassen – waren in sechs Meter Höhe steinerne Ringe angebracht. Durch diese Ringe musste der kiloschwere Ball geschlagen werden. Die Mannschaft, der das am häufigsten gelang, gewann das Spiel. Die Spieler trugen dabei Schutzausrüstungen aus Leder oder Holz an verschiedenen Körperteilen, um sich vor Ball und Gegner zu schützen. (Auch bei den Maya dürfte es bereits Profis gegeben haben.)

Team Gefieder gegen Schlangenturban

Auf der nun gefundenen Steintafel stehen sich zwei Spieler – vermutlich die "Kapitäne" – in Schutzausrüstung gegenüber: Einer trägt einen gefiederten Kopfschmuck und eine Schärpe mit einem blumenförmigen Element. In einer Linie mit dem Gesicht befindet sich eine Schriftrolle, die als Atem oder Stimme gedeutet wird. Der gegnerische Spieler trägt einen Kopfschmuck, der von den Archäologen als Schlangenturban gedeutet wird und der in Chichén Itzá bereits mehrfach gefunden wurde.

Die Ruinen von Chichén Itzá werden heute wieder für Rituale aller Art genützt, hier zur Feier der Tagundnachtgleiche im Frühjahr. (Die zu opfernden Spieler wurden vermutlich von der Treppe des Tempels im Hintergrund hinuntergestoßen.)
Reuters / LORENZO HERNANDEZ

Die Identität der auf der Scheibe abgebildeten Spieler ist (noch) nicht bekannt. Das gilt auch für den Ausgang des Spiels. Die Forschenden hoffen aber, dass weitere Analysen der Inschrift sowohl die Art des Wettkampfs als auch das Resultat klären könnten.

Ziemlich sicher ist nur, dass auf die Verlierer des Spiels der Tod wartete. Zumindest der Kapitän oder gleich die ganze Verlierermannschaft wurden den Göttern geopfert. Eine der Methoden bestand darin, die Spieler mit festen Seilen zusammenzuschnüren und sie wie einen Ball unzählige steile Stufen der Tempelpyramiden hinunterzustoßen. (tasch, 12.4.2023)