Abschied von der gedruckten Ausgabe 2023 geplant: "Wiener Zeitung"-Umbau beschäftigt Nationalrat – und private Medienhäuser.

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Wien – Das Ende der gedruckten"Wiener Zeitung" beschäftigt inzwischen den Nationalrat, kommende Woche tagt der Verfassungsausschuss. Das Gesetz über die künftige Finanzierung als Onlinemedium und Journalismusausbildung durch die Republik ist als Initiativantrag eingebracht – und beschäftigt die private Medienbranche. Der Zeitungsverband VÖZ prüft die geplante Beihilfe wettbewerbsrechtlich.

"Wir überprüfen das rechtlich"

VÖZ-Präsident Markus Mair bestätigt auf STANDARD-Anfrage, dass der Zeitungsverband analysiere, ob die geplante öffentliche Subvention für die "Wiener Zeitung" als Onlineportal nicht den Wettbewerb mit privaten Onlineportalen verzerrt: "Wir überprüfen das rechtlich."

Beim Zeitungsverband VÖZ äußerte man sich auf Anfrage zu der rechtlichen Prüfung von Dienstagmittag bisher nicht.

Fall für die EU

Staatliche Beihilfen sind von der EU genehmigungspflichtig. Die EU-Kommission prüft, ob solche Beihilfen nicht den Wettbewerb verzerren. Auf Beschwerden privater Medien hin führte die EU etwa in den 2010er-Jahren ein Beihilfeverfahren gegen die Republik Österreich wegen der GIS-Gebühren. Kronehit-Geschäftsführer Philipp König drohte zuletzt mit einer Beschwerde, wenn das gerade verhandelte ORF-Gesetz nicht ausreichend auf den Markt und die privaten Anbieter Rücksicht nehme.

Der Wiener Rechtsanwalt Johannes Öhlböck, spezialisiert auf Wirtschaftsrecht, sah sich den Initiativantrag von ÖVP und Grünen zur "Wiener Zeitung" auf Bitte des STANDARD genauer an. Der Antrag geht davon aus, dass die geplanten Aktivitäten eine "nicht-wirtschaftliche Tätigkeit" darstellen und deshalb den Tatbestand von Beihilfen nicht erfüllten.

Skeptisch beurteilt Öhlböck den Verweis auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus 2011 (C 138/11) in dem Zusammenhang. Diese Entscheidung betraf eine Firmendatenbank, erklärt er. Sie besagt: Es handle sich nicht um eine wirtschaftliche Tätigkeit, wenn ein Hoheitsträger die von Unternehmen wegen gesetzlicher Meldepflichten gemeldeten Daten im Firmenbuch speichert und Dritten Einsicht gewährt.

"Nicht wirklich vergleichbar"

Öhlböck: "Meines Erachtens ist dieser Sachverhalt nicht wirklich mit dem in Rede stehenden Vorhaben bei der 'Wiener Zeitung' vergleichbar. Ob die Begründung hält, die der Initiativantrag erwähnt, lässt sich damit aus heutiger Sicht nicht sagen."

Einsicht in Firmendaten klingen nicht nach den Plänen für die "Wiener Zeitung": 7,5 Millionen Euro sieht der Gesetzesentwurf für ein Onlinemedium mit zumindest zehn Printausgaben pro Jahr vor, sechs Millionen für Journalismusausbildung und eine Startuphilfe. Am ehesten klingt noch eine zudem geplante Verlautbarungsplattform des Bundes, für die weitere drei Millionen vorgesehen sind.

"Kultur und Erhalt des kulturellen Erbes" zählen zu möglichen Ausnahmen vom Beihilfenverbot, die die EU-Kommission genehmigen kann: "Hinsichtlich der Wiener Zeitung könnte argumentiert werden, dass es sich um die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt, mithin ein Kulturgut, handelt", erklärt Öhlböck. Die Kommission wende die Vorschrift unmittelbar auf Kulturbeihilfen an.

Neue Beihilfen sind der EU zu melden: "Sie prüft und entscheidet in der Folge, ob die Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar ist, wobei ihr ein weitgehender Ermessensspielraum zukommt. Der sicherste Weg wäre damit wohl die Notifikation der Beihilfe an die Kommission", erklärt Öhlböck.

Der STANDARD fragte bei Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) am Dienstag an, ob die geplante Beihilfe zur Finanzierung der "Wiener Zeitung" als Onlinemedium sowie ihrer Journalismusausbildung inzwischen von der EU notifiziert ist. Eine inhaltliche Antwort steht bisher aus.

Massiv staatlich geförderte Konkurrenz

Eike Kullmann, Vorsitzender der Journalismusgewerkschaft, setzt sich vehement für den Erhalt der "Wiener Zeitung" ein. Der nun von den Regierungsparteien geplante Umbau zum direkt staatlich finanzierten Onlinemedium wäre jedoch eine "staatlich massiv geförderte Konkurrenz zu privaten Medienunternehmen". Und wenn ein Onlinemedium "Wiener Zeitung" keine Konkurrenz zu privaten Medien würde, weil sie nicht wie bisher aktuell berichte, einordne und kommentiere, sondern Regierungsinformationen als "reines Propagandamedium" verbreite – "dann belügt die Regierung die Öffentlichkeit über ihre Pläne".

Sich Gedanken machen, "ob das auf dem Markt zulässig ist"

Nikolaus Forgó, der an der Medienentwicklung sehr interessierte Vorstand des Instituts für Technologie- und Immaterialgüterrecht an der Uni Wien, kommentiert die Pläne für öffentliche Subventionen auf STANDARD-Anfrage grundsätzlich: "Wäre ich ein Mitbewerber, würde ich mir Gedanken machen, ob mit öffentlichem Geld finanzierte Digitalangebote und gelegentliche Druckausgaben sowie Journalismusausbildung nicht eine Art von Beihilfe ist – und ob das auf dem Markt zulässig ist." (fid, 13.3.2023)