Wer sich von Istrien bis Dalmatien, auf den vorgelagerten Inseln und an der Küste abseits touristischer Pfade bewegt, kann sie finden – Lost Places, Relikte der Vergangenheit, die große Geschichten erzählen. Bahnstrecken ohne Anschluss, Partisanengedenkstätten und Nazi-Bunker, Industriedenkmäler und Filmschauplätze, Luxushotels und Gefängnisinseln – sie alle sind im neuesten Werk der Lost-Places-Experten Georg Lux und Helmuth Weichselbraun versammelt. Augenzwinkernd und mit Tiefgang erzählen der Fotograf und der Autor in "Lost Places in Kroatien" von verlassenen Orten, über denen oft noch der Geist Josip Broz Titos schwebt.

Im ehemaligen Tanztempel Titanic in Split stehen die Discokugeln nicht nur still, sondern es gibt gar keine mehr. Der preisgekrönte Architekt der Anlage, Ante Svarčić, haderte bis zu seinem Tod damit, dass sie zum Lost Place verkam. Er entwarf die Disco Titanic als vertikale Stahlbetonbrücke zur Adria. In zwei Panoramaliften mit Blick aufs Meer und die gegenüberliegende Insel Brač konnten Hotelgäste zum Strand hinabschweben – bequem und beeindruckend zugleich sollte es sein.

Im Erdgeschoß befanden sich ein Restaurant und eine Bar mit insgesamt 380 Sitzplätzen, während der erste Stock und dessen Terrassen für den Nachtclub reserviert waren. Mit dem Zerfall Jugoslawiens war dann aber auch dort Sperrstunde.

Foto: Helmuth Weichselbraun

Ein einst exklusives Urlaubsresort als touristische Geisterstadt: In der malerischen Bucht von Kupari hat kein Hotel den Kroatienkrieg "überlebt". Die einstige Nobelherberge zehn Kilometer südöstlich von Dubrovnik ist innerhalb von nicht einmal vier Jahrzehnten zweimal im üblen Sinn drangekommen: 1991 wurde das Gebäude im Kroatienkrieg zerschossen und im Anschluss – wie viele Ruinen im Land – vergessen.

Foto: Helmuth Weichselbraun

Pleite ohne Ende: Die Politische Schule in Kumrovec, dem Heimatort des Machthabers Tito, hat den jugoslawischen Sozialismus zwar überdauert, folgt ihm nun aber konsequent in den Untergang. Die Politische Schule (korrekt und auf Kroatisch: Politička Škola Josip Broz Tito) war von Anfang an kein Erfolgsprojekt. Sie wurde 1981 zur Ausbildung angehender Politiker eröffnet – ein Jahr nachdem der allmächtige Staatschef Josip Broz Tito das Zeitliche gesegnet hatte.

Der letzte Kurs endete im Juli 1990. In diesem Jahr zerbrach auch der Bund der Kommunisten Jugoslawiens, und die Schule, die bis zu diesem Zeitpunkt von insgesamt etwa 1.500 Personen besucht worden war, wurde aufgelöst.

Foto: Helmuth Weichselbraun

Der erloschene Leuchtturm: Das spektakuläre Mahnmal für die Opfer des antifaschistischen Widerstands in den Wäldern von Petrova Gora wurde trotz 35 Jahren Bauzeit nie ganz vollendet. Jetzt dient es zweckentfremdet als Filmkulisse.

Foto: Helmuth Weichselbraun

Kalte Küche: Das Dorf Dolovo ist im wahrsten Sinn des Wortes ausgestorben. Zurück blieben großteils noch eingerichtete verlassene Häuser.

Foto: Helmuth Weichselbraun

Fossilienhöhle Gomilla: Der Erste Weltkrieg hinterließ am südlichsten Zipfel Istriens einen Blick in die Erdgeschichte. Soldaten der österreichisch-ungarischen Streitkräfte haben dort mit Sprengstoff Wände voller Fossilien "ausgegraben". Die künstliche Höhle und der "Gang" sind heute ein Lost Place mit Bonus. Denn bei den Fossilien von ungewöhnlicher Größe handelt es sich vor allem um Rudisten. Diese Muscheln schwammen vor 65 Millionen Jahren im Meer und bildeten durch ihre Ablagerungen Riffe.

Foto: Helmuth Weichselbraun

Endstation: Windschiefe Schienen der "Drunken Railway" führen im Nordwesten von Istrien in eine Gegend voller Industrieruinen. Bis 1966 förderte man hier tonnenweise Kohle, heute fehlt sie im sprichwörtlichen Sinn.

Foto: Helmuth Weichselbraun

Der in Split gestrandete Panzerzug kam im Krieg nie zum Einsatz.

Foto: Helmuth Weichselbraun

Malerische Umgebung, mörderisches Regime: Auf einer unbewohnten Insel ließ das Tito-Regime ein "Umerziehungslager" für politische Gegner errichten. Heute sind die weitläufigen Gefängnisanlagen eine Geisterstadt – und ein Symbol für schlampige Erinnerungskultur. Bis heute ist unklar, wie viele Häftlinge auf der Insel ums Leben gekommen sind.

Foto: Helmuth Weichselbraun

Portier aus Stein: Im Kanal des heiligen Antonius bei Šibenik, "ein Disneyland für Lost-Places-Fans", war man im Lauf der Jahrhunderte nicht nur dem Himmel, sondern manchmal auch der Hölle nahe. Aus der Festung St. Nikolaus konnte die Einfahrt in den Kanal überwacht werden.

Foto: Helmuth Weichselbraun

Ein Steg verbindet das Festland mit der Insel Školjić. Wer weiter zur Festung will, braucht, wenn nicht gerade Hochsommer ist, Gummistiefel. (max, 14.4.2023)

Foto: Helmuth Weichselbraun