Seit Monaten sind die sogenannten Klimakleber der Letzten Generation auch in Österreich und Deutschland unterwegs. Eine ihrer Forderungen: Tempo 100 auf Autobahnen.

Foto: ALEXANDER DANNER

Die deutsche Teilorganisation der Klimaschutzbewegung Fridays for Future wirft den Aktivisten der Letzten Generation vor, mit ihren Aktionen die Gesellschaft zu spalten. Die Klimakrise brauche gesamtgesellschaftliche Lösungen, sagte die Sprecherin von Fridays for Future Germany, Annika Rittman, der Deutschen Presse-Agentur. "Die finden wir nicht, indem wir Menschen im Alltag gegeneinander aufbringen."

Auslöser der Kritik war eine Protestaktion der Letzten Generation vergangene Woche in Hamburg. Aktivisten hatten sich vor einem Tunnel auf der Straße festgeklebt. Davon seien insbesondere Pendlerinnen und Pendler betroffen gewesen, "die es sich weder leisten können, in der Hamburger Innenstadt zu wohnen, noch durch den mangelnden Ausbau den ÖPNV (Öffentlichen Personennahverkehr, Anm.) nehmen können", kritisierte Fridays for Future.

Einfache Klimaschritte

Obwohl sich Fridays for Future und die Letzte Generation für Klimaschutz einsetzen, unterscheiden sie sich in ihrer Vorgehensweise stark. Beide fordern die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels und den Ausstieg aus Öl, Kohle und Gas. Fridays for Future möchte außerdem, dass Klimaschutz in der Verfassung verankert wird und Treibhausgasemissionen bis 2030 auf netto null gesenkt werden. Dabei setzt die Organisation vor allem auf weltweite Klimastreiks, die regelmäßig in Form von Demonstrationen stattfinden.

Bei der letzten Generation hingegen konzentriert man sich auf Forderungen, die schnell umgesetzt werden können. "Schaffen wir die einfachsten Klima Schritte nicht, haben wir keine Chance unsere Lebensgrundlage zu sichern", ist auf der österreichischen Webseite der Bewegung zu lesen. Neben Tempo 100 auf Autobahnen will man die Zusage von Bundeskanzler Karl Nehammer und Vizekanzler Werner Kogler, keine neuen Öl- und Gasprojekte voranzutreiben.

Fridays will breite Masse ansprechen

Größere Aufmerksamkeit erreichten die Klimaproteste ab 2018, als Greta Thunberg ihren "Schulstreik fürs Klima" vor dem Parlament in Stockholm begann. Mittlerweile haben auch in Österreich tausende Menschen an den Fridays-for-Future-Demonstrationen teilgenommen – und zwar nicht nur Schülerinnen und Schüler. Fridays for Future spreche mit seinen Klimastreiks bewusst die breite Masse an, sagte die Sprecherin der österreichischen Teilbewegung, Klara König, der APA.

Die Letzte Generation hingegen will mit ihren Aktionen keine Zustimmung, sondern vor allem Aufmerksamkeit generieren. Seit letztem Jahr polarisieren die Aktivisten in ganz Europa mit ihren Protestaktionen, wenn sie Bilder in Museen mit Suppe anschütten oder sich auf Straßen festkleben – wie aktuell in Graz. Sie bezeichnen sich selbst als "gewaltfreie Widerstandsgruppe, die sich nicht mehr ignorieren lässt".

Autor: Solidarität mit der Letzten Generation steigt

Nach Blockaden in den Osterferien vor dem Elbtunnel will die deutsche Gruppe in der letzten Aprilwoche Straßen in Berlin blockieren. "Ab Montag, dem 24. April, bringen wir Berlin friedlich durch Straßenblockaden zum Stillstand", heißt es auf der Webseite. Friedlich – denn Gewaltfreiheit ist wichtiges Prinzip der Bewegung. Bei Fridays for Future Germany befürchtet man, dass durch die Aktion – wie letzte Woche in Hamburg – Pendlerinnen und Pendler betroffen sein werden, die keine Alternative zum Auto haben.

Dass die Proteste der Letzten Generation die Bereitschaft zum Klimaschutz verringern, dieser These kann Benedikt Narodoslawsky, Autor des Buches "Inside Fridays for Future" und Journalist bei der Wiener Wochenzeitung "Falter", nichts abgewinnen. Viel eher sei die Solidarität mit der Letzten Generation im Lauf der Zeit gestiegen. "Die Leute sehen, dass die Proteste etwas bringen, weil nicht nur über die Proteste, sondern auch über Klimapolitik berichtet wird."

Klima weiter Gesprächsthema

Die Letzte Generation habe es mit ihren Aktionen geschafft, die Klimathemen trotz der vielen anderen aktuellen Krisen im Gespräch zu halten – etwas, womit sich Fridays for Future in den letzten Monaten schwergetan habe. "Die große Stärke von Fridays sind die Massendemonstrationen", sagt Narodoslawsky. Deren Höhepunkt fand vor der Pandemie statt; seitdem demonstrieren zwar immer noch Zehntausende, die Zahlen bewegen sich aber in einer anderen Dimension als zuvor.

Anfang März fand der letzte Klimastreik mit über 30.000 Teilnehmenden in Österreich statt.
Foto: Heribert CORN

Solange die Proteste gewaltfrei ablaufen, findet der Experte auch radikale Aktionen in Ordnung. "Die Klimakrise bedeutet einen riesigen gesellschaftlichen Wandel, daher muss auch die Klimabewegung vielfältig sein."

Österreichische Gruppe bleibt neutral

Die österreichische Fridays-for-Future-Bewegung will sich in dem Streit nicht auf eine Seite schlagen. Die Methode könne man gutheißen oder auch nicht, kritisieren solle man aber die Regierungen, heißt es in einem Statement. "Wenn die österreichische Regierung die Klimakrise mit sozial gerechtem Klimaschutz bekämpfen würde, dann wären solche störenden Aktionen auch nicht notwendig."

In Österreich sei die Situation insgesamt anders als in Deutschland, sagt Narodoslawsky. Fridays for Future habe sich mit der Besetzung der Stadtstraße in Wien ab August 2021 selbst radikalisiert, und auch personell überschneiden sich die beiden Gruppen in Österreich. Eine der Gründerinnen der Letzten Generation in Österreich, Martha Krumpeck, war beispielsweise zuvor selbst bei Fridays for Future engagiert. (Magdalena Frei, 13.4.2023)