Selbstwirksamkeit ist eine wahre Superheldenkraft – es ist die innere Überzeugung, schwierige oder herausfordernde Situationen gut meistern zu können. Das lernt man idealerweise schon in der Kindheit. Aber man kann es auch später üben.

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Manchen Menschen gelingt einfach alles, egal was sie anpacken, egal wie schwierig es erscheint, egal in welchem Bereich. Dabei kann man mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass diese Menschen auch nicht per se klüger, geschickter oder begabter sind als der Durchschnitt. Aber es könnte sein, dass sie prinzipiell davon überzeugt sind, dass das, was sie anpacken, gelingt. Sie glauben an ihre Selbstwirksamkeit.

Dabei handelt es sich um die innere Überzeugung, schwierige oder herausfordernde Situationen gut meistern zu können – und dass das auch einen positiven Effekt hat. Immerhin ist die Sinnhaftigkeit der eigenen Handlungen ein relevanter Faktor. Wenn man etwas tut, will man auch das Gefühl haben, dass das etwas bewirkt. Die Begrifflichkeit geht auf den kanadischen Psychologen Albert Bandura zurück, der das Konzept in den 1970er-Jahren entwickelt hat.

Selbstwirksamkeit ist dabei selbstverstärkend. Denn wer an das Gelingen seiner Projekte glaubt, dem oder der werden sie auch eher gelingen – was wiederum den Glauben an das eigene Tun unterstützt. Kurz zusammengefasst: "Haben Menschen regelmäßig Erfolgserlebnisse, haben sie auch mehr Selbstwirksamkeitsgefühl", sagt die Psychologin und Glücks-Expertin Heidemarie Smolka.

Grundstein in der Erziehung

Der Grundstein für diesen Glauben an das eigene Tun wird bereits im Kleinkindalter in der Erziehung gelegt. Kinder probieren ständig ihre Fähigkeiten aus, wollen Neues lernen. Wenn ihnen etwas aus eigener Kraft gelingt, ist das ein verstärkendes Erfolgserlebnis. Eltern haben dabei die Aufgabe, ihre Kinder werken zu lassen – und die wohl vorkommenden Frustausbrüche, wenn etwa das Klettern auf das Sofa nicht gelingt, auszuhalten. "Manche Eltern räumen ihrem Nachwuchs die Hürden aus dem Weg. Dadurch haben die Kleinen aber weniger Möglichkeit, ihre Selbstwirksamkeit zu erleben", betont Smolka. Zwar täten Eltern das aus einer liebevollen Intention heraus, aber: "Selbstwirksamkeit entsteht erst durch das Verlassen der Komfortzone."

Gibt es keine Möglichkeit, sich selbst auszuprobieren, führe das im schlimmsten Fall zur erlernten Hilflosigkeit, sagt die Expertin. Dieses Konzept geht auf die amerikanischen Psychologen Martin E. P. Seligman und Steven F. Maier zurück, die es 1967 prägten. Es besagt, dass jemand durch negative Erfahrungen die Überzeugung entwickelt, dass er oder sie die Fähigkeit verloren hat, die eigene Lebenssituation zu verändern – und sich dafür selbst die Schuld gibt. "Man hat dann das Gefühl, egal wie sehr ich mich anstrenge, es bringt ohnehin nichts. Im Tierversuch hat man gesehen, dass dieses Gefühl zuerst zu Resignation führt und in der Folge auch zu Depression."

Lernen auf mehreren Ebenen

Das Erlernen von Selbstwirksamkeit passiert dabei auf mehreren Ebenen. Der direkte Erfolg, etwa wenn ein Kind es geschafft hat, auf das Sofa zu klettern, ist die unmittelbarste Erfahrung. Dieses Erleben ist natürlich nicht auf das Kleinkindalter beschränkt, es gilt für jeden Lebensabschnitt – nur ändern sich die erfolgreich absolvierten Aufgaben.

Ein weiterer Faktor für Selbstwirksamkeit ist die stellvertretende Erfahrung: Gelingt anderen Menschen eine Aufgabe, vor allem wenn deren Fähigkeiten mit den eigenen vergleichbar sind, traut man sich diesen Erfolg selbst auch eher zu. Deshalb sind auch Vorbilder so wichtig, betont Smolka: "Role-Models können große Wirkung zeigen. Dabei ist es egal, ob man die Person persönlich kennt oder nicht, wichtig ist in erster Linie die Identifikation und dass sie die Fähigkeit hat, die ich selbst entwickeln will. Das kann eine Tante sein, ein Celebrity, eine Politikerin, Pippi Langstrumpf oder sogar eine Zeichentrickfigur." Je größer übrigens die eigene Ähnlichkeit mit dem Vorbild ist, desto stärker ist auch die Beeinflussung.

Ebenso wichtig ist die verbale Ermutigung. Redet man jemandem gut zu und vertraut auf seine oder ihre Fähigkeiten, eine bestimmte Situation zu meistern, dann wird es dieser Person auch eher gelingen. Tatsächlich strengen sich die Menschen auch mehr an, um erfolgreich zu sein. Umgekehrt glauben Menschen weniger daran, eine Situation zu meistern, wenn offen an ihren Fähigkeiten gezweifelt wird. Insgesamt ist es aber wichtig, jemanden nicht unrealistisch zu fordern, das würde auf Dauer nur demotivieren.

Die Gene reden mit

Schließlich dürfte es auch noch genetische Ursachen für eine gut ausgebildete Selbstwirksamkeit geben. Ob man eher optimistisch oder pessimistisch durchs Leben geht, ist zum Teil genetisch bedingt. Zwillingsstudien legen nahe, dass etwa 20 bis 30 Prozent des Zugangs zum Leben angelegt sind, der Rest ist erlernt. Menschen, die eher optimistisch durchs Leben gehen, haben dabei eher das Gefühl, ein Erfolg liege an ihnen selbst. Smolka erklärt: "Sie denken sich, ich habe gelernt, deshalb habe ich auch die Prüfung geschafft. Pessimisten denken leichter, dass der Erfolg an äußeren Umständen liegt, beispielsweise weil der Professor nett war."

Umgekehrt denken Optimisten bei Misserfolg eher, dass die äußeren Umstände daran schuld seien, während pessimistischer gestimmte Personen die Gründe für ein Misslingen stärker bei sich selbst suchen. "Sie haben dadurch womöglich weniger Möglichkeit, Selbstwirksamkeit zu erfahren." Ganz abgesehen von genetischer Veranlagung sind aber auch hier Erziehung und Sozialisation prägend, weiß Smolka: "Wie wurde einem als Kind die Welt erklärt? Wie sehr wurde man ermutigt, Dinge auszuprobieren? Eltern können da mit den richtigen Ansätzen wirklich viel bewirken."

Die Komfortzone verlassen

Man ist diesen früh gelernten Prägungen aber nicht hilflos ausgeliefert. Smolka pocht darauf, in Selbstreflexion zu gehen: "Wie gehe ich mit mir selbst um? Habe ich die Fähigkeit, mir selbst auf die Schulter zu klopfen und stolz auf mich zu sein? Oder glaube ich eher, mein eigener Erfolg hängt von äußeren Faktoren ab? Wenn man sich solche Muster bewusst macht, ist das ein erster Ansatz zur Veränderung."

Dann kann man sich auch aktiv daranmachen, sie zu verändern. Ein wichtiger Teil des Weges zur Verbesserung der Selbstwirksamkeit ist das Austreten aus der eigenen Komfortzone. Smolka ermutigt: "Verlassen Sie die altbekannten Gefilde und gehen Sie in die Lernzone. Es muss ja nicht gleich die Panikzone sein, weil sie Bungee-Jumping machen. Aber probieren Sie Neues aus, auch wenn womöglich ein Misserfolg droht. Setzen Sie sich dem bewusst aus – und schauen Sie, wie weit Sie gehen können." (Pia Kruckenhauser, 16.4.2023)