Und Gérard Depardieu? Keiner der Vorwürfe ist wahr, lässt sein Anwalt die Öffentlichkeit wissen.

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Ach, Gérard! Wir alle kennen doch diesen Haudegen, er ist uns an Herz gewachsen, in all den Jahren. Was für ein Lebemann, Wein, gutes Essen, und – na ja, man darf es zwar nicht mehr sagen, aber egal, der Mann ist schließlich Franzose! – Frauen.

Depardieu soll 13 Frauen in den Jahren 2004 bis 2022 sexuell oder verbal belästigt haben
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Gérard Depardieu verzeiht man wirklich vieles, offenbar sogar Schlimmes. Seit längerem sind Vergewaltigungsvorwürfe gegen den französischen Schauspieler bekannt, ebenso laufend übergriffiges Verhalten gegenüber Frauen. Nun wurde es durch einen Bericht des Onlineportals "Mediapart" konkreter: 13 Frauen werfen ihm sexuelle Übergriffe während Dreharbeiten zu elf Filmen, die zwischen 2004 und 2022 gedreht wurden, vor. Die Frauen arbeiteten als Maskenbildnerinnen, Schauspielerinnen oder Produktionsmitarbeiterinnen. Das alles katapultiert uns quasi in eine Zeit vor dem Herbst 2017. Richtig, da war doch was: MeToo ging los.

Es gibt nichts zu sehen, gehen Sie weiter

"Lass gut sein, ist doch Gérard": Das bekamen die Frauen immer wieder zu hören, wenn sie sich beschwerten. Sprich, es war irgendwie okay, dass Gérard seine Hände in die Unterhosen dieser Frauen steckte, sie zwischen den Beinen, an Po und Brüsten begrapschte oder aufdringlich grunzte. Und wenn man sich beschwerte, bekam man zu hören: Bitte, der ist nun mal so, der Gérard. Wie enttäuschend und entwürdigend sich dieses Abwiegeln und verständnisvolle Kleinreden für die Betroffenen anfühlen musste, kann man ahnen.

Nur die Regisseure und Produzenten von einem der elf Filme gaben zu, von Depardieus massiv übergriffigem Verhalten etwas mitbekommen zu haben. Alle anderen, bei zehn Filmen!, wollen nichts gesehen haben. Seltsam, es scheinen aber doch Gérard alle zu kennen. Was denn jetzt?

Keine rechtlichen Schritte

Das ist ein exemplarisches Beispiel, warum wir im Kampf gegen sexualisierte Gewalt so langsam vorankommen. Runterspielen, rechtfertigen und wegsehen. Die logischen Folge? Keine der 13 Frauen hat rechtliche Schritte gegen Depardieu eingeleitet. Angesichts dessen, wie bereits auf anderen und niederschwelligeren Ebenen mit derartigen Vorwürfen umgegangen wird, ist das alles andere als verwunderlich.

Es ist deprimierend. Und es zeigt auf, was sich ändern muss. Sexualisierte Gewalt im Arbeitsumfeld funktioniert umso besser, wenn es eine stillschweigende Komplizenschaft gibt. Die wegsieht oder abwiegelt, wenn Opfer sich melden. Je mehr Leute hinsehen, je mehr Rückhalt die Betroffenen bekommen, desto weniger kommen die Täter:innen durch. Denn sonst bleibt es weiter ein Risiko, den Kolleg:innen beizustehen. (Beate Hausbichler, 17.4.2023)