Era 100 und Era 300 sind die neuen Speaker-Flaggschiffe von Sonos.

Die Ankündigung ist zumindest vollmundig. Nicht weniger als eine Revolution des Musikhörens soll sich in der Pappschachtel befinden. Der Inhalt: der neue Era 300 von Sonos. Und dieser WLAN-Lautsprecher verspricht dank Spatial Audio und Dolby-Atmos nicht weniger als echten Raumklang. Ja, der Speaker soll klingen, als würde die Band selbst vor einem stehen und live im Wohnzimmer ein Konzert geben. Stimmt das? Und wie schlägt sich der kleine Bruder namens Era 100 im Vergleich? Das versuchen wir im Test herauszufinden.

Endlich Trueplay für Android

Doch davor steht die Einrichtung, und diese funktioniert wie bei Sonos üblich recht mühelos: Mit wenigen Fingerwischern sind die beiden Speaker ins heimische WLAN eingebunden. Von frustrierenden Erlebnissen wie beim letzten Test blieben wir diesmal zum Glück verschont.

Explosionsdarstellung des Era 300.
Foto: Sonos

Eine erste Neuerung springt sofort ins Auge: Mit der Era-Generation kommen auch Android-User endlich in den Genuss von Trueplay. Dabei gibt der Speaker unterschiedliche Töne von sich und ermittelt über das Smartphone den idealen Raumklang. Bislang war diese Funktion nur für Besitzer von iPhones verfügbar. Die Mikrofone von Android-Smartphones seien zu unterschiedlich, hieß es bislang von Sonos. Wahrscheinlich ist auch das der Grund, warum Trueplay auf dem Xiaomi Mi11T erst gar nicht funktionieren wollte. Oder es war doch einmal mehr die Sonos-App, die eigenartiges Verhalten an den Tag legte, denn am nächsten Tag funktionierte plötzlich auch das Trueplay-Feature.

Sinnvolle Konnektivität mit Dongle-Makel

Die neue Lautsprechergeneration wurde von Sonos darüber hinaus erstmals mit Bluetooth ausgestattet. Ausgezeichnet! Auch ein USB-C-Port findet sich an der Rückseite. Durch diesen ist es möglich, sowohl den Era 300 als auch den Era 100 ins kabelgebundene Netzwerk einzubinden. Leider versteckt Sonos auch den 3,5-mm-Klinkenanschluss hinter einem 25 Euro teuren USB-C-zu-Klinke-Adapter. Dazu kommt natürlich das Sonos-Markenzeichen: der Multiroom-Support, bei dem sich die neuen Speaker keine Blöße geben. Mit nur einem Fingertippen sind Gruppen erstellt und wieder aufgelöst. Davon könnten sich andere Hersteller gerne inspirieren lassen. Ja, wir meinen euch, Amazon.

Die Era-Serie gibt es auch in Schwarz.
Foto: Sonos

Über einen Kippschalter an der Rückseite lässt sich das Mikrofon ein- und ausschalten. Besonders hervorgetan hat sich die touchsensitive Rille zur Einstellung der Lautstärke. Gleitet man mit dem Finger langsam darüber, wird die Lautstärke in kleineren Schritten angepasst. Streichen wir schnell darüber, gibt es größere Sprünge, falls die Nachbarn spontan an der Zimmerparty teilhaben möchten.

Party hard mit Handbremse

Und die Zimmerparty inszeniert der Era 300 perfekt. Im Inneren sind zwei Frontlautsprecher, zwei Seitenlautsprecher, zwei Woofer und ein nach oben feuernder Tweeter verbaut. Für unser etwa 20 Quadratmeter großes Testbüro wirkt das fast schon ein wenig überdimensioniert – damit wird der Era 300 spielend fertig. Tatsächlich macht auch der Era 100 hier eine gute Figur, weshalb wir aus Platzgründen eher zum schlanken Regallautsprecher greifen würden.

Kommen wir zum eigentlichen Feature, dem Raumklang des Era 300. Dieses funktioniert nur über WLAN und setzt ein Konto bei Apple Music oder Amazon Music voraus. Dabei zeigt sich das übliche Problem mit Atmos-Musikstücken: Man muss sie erst einmal finden. Auch fünf Monaten nach unserem letzten Test hat sich nichts getan, und die Anbieter haben immer noch nicht nachgebessert. Wer in den Genuss von 3D-Sound kommen möchte, muss immer noch mühsam händisch suchen.

Na, welcher Song von Coldplay unterstützt Dolby Atmos? Es ist "My Universe". Warum die Stücke immer noch nicht gekennzeichnet sind, wird wohl ein ewiges Rätsel bleiben.
Foto: Screenshot Sonos App

Das ist natürlich nicht die Schuld von Sonos – der US-Hersteller war sogar so nett und schickte eine Liste mit Atmos-Musikstücken zum Probehören mit.

Hat man erst einmal einen passenden Song gefunden, ist der Effekt schon im ersten Takt merkbar. Die Drums in "Believer" von Imagine Dragons befinden sich klar links, während Sänger Dan Reynolds genau in der Mitte der Bühne verortbar ist. Ja, das Gefühl, die Band sei mit im Raum, wird tatsächlich hervorragend vermittelt. Hier hat Sonos definitiv nicht zu viel versprochen. Danach wirken in normalem Stereo abgemischte Musikstücke deutlich flacher. Note: Für diese Form der schwarzen Technomagie gibt es ein sattes Sehr gut!

Musikalisch gibt es also nichts zu meckern. An dieser Stelle hätten wir gerne auch die Gaming-Performance des Era 300 angesprochen. Denn Spiele wie "Call of Duty: Modern Warfare 2" unterstützen ebenfalls Raumklang. Leider lag unserem Testgerät kein Adapter für den Klinkenanschluss bei, und über Bluetooth gibt es die Funktion nicht. Schade.

Die unheilige Allianz zweier Software-Ausgeburten

Bleibt der Era 300 also nur noch zum Musikhören, und das macht die Hardware, wie bereits erwähnt, großartig. Doch leider verhagelt die Software einmal mehr den Spaß. Nein, schlimmer noch: Die Sonos-App holt sich Verstärkung ausgerechnet von der Ausgeburt, die Amazon in Form der eigenen Musik-App auf die unschuldige Menschheit losgelassen hat. Böse Zungen behaupten ja, die Amazon Music App sei der Grund, warum der Dienst nie eine ernsthafte Konkurrenz für den Platzhirschen Spotify sein kann. Der Tester ist die üblichen Spinnereien von Amazons Musikservice jahrelang gewohnt und diesbezüglich schon recht schmerzbefreit. Eigentlich.

Welch unheilige Allianz die Amazon Music App in Verbindung mit der auch nicht gerade berühmten Software aus dem Hause Sonos eingeht, schreit aber nach einem Exorzisten. Nur ein Beispiel: Die Amazon-App bietet eine Cast-Funktion. Damit kann man Musik direkt an smarte Lautsprecher oder den Smart-TV streamen. Eigentlich eine feine Sache, doch ausgerechnet in Kombination mit dem Prunkstück des neuen Sonos-Line-ups verweigert die Funktion jeden Dienst. Nach einigen zähen Ladesekunden meldete sich nur die Alexa-Stimme mit den wenig zufriedenstellenden Worten: "Wir haben Probleme, deine Musik wiederzugeben" – als wäre der Tester da nicht selbst draufgekommen.

Was will uns der Text weiß auf weiß sagen? Ach ja, es ist mal wieder eine Fehlermeldung der Sonos-App.
Foto: Screenshot Sonos App

Alternativ bleibt die Möglichkeit, die Integration von Amazon Music in der Sonos-App zu nutzen. Die Lust darauf dürfte den meisten Anwenderinnen und Anwendern aber schnell vergehen, denn hier werden nicht einmal die elementarsten Basisfunktionen geboten. Selbst die Suchfunktion spuckt bei der Suche nach "Come Together" von den Beatles nur das Œuvre der Band aus, den Song muss man selbst aus der Liste hervorkramen.

Ach ja, in der App wird ebenfalls nicht angezeigt, ob es sich bei der ausgewählten Musik über einen Atmos-Track handelt – das sieht man erst später im Wiedergabescreen, was das eigentliche Killerfeature, na ja, killt. Dass es eine derartige User-Experience durch die Qualitätskontrolle schaffen konnte, ist leider ebenfalls nur mit schwarzer Magie zu erklären.

Fazit: Zwischen zauberhaft und höllisch

Ach herrje, Sonos, ihr macht einem das Testerdasein nicht leicht. Das fängt damit an, dass ich eigentlich Fan der Produkte bin und deshalb besonders aufpassen muss, immer objektiv zu bleiben. In puncto Soundqualität gibt es auch nichts zu meckern, und was Sonos da bei den Era 300 und 100 in ein schlankes und preislich gehobenes, aber nicht absurd teures Paket geschnürt hat, ist beeindruckend.

Doch sobald die Software ins Spiel kommt, haut mir Sonos die rosarote Fanbrille gewaltsam von der Nase. Warum will mir die App ständig gruselige Deutschpop-Radiosender andrehen? Warum funktioniert die Cast-Funktion nicht? Wieso kann die Suchfunktion bei der Eingabe "Beatles Come Together" nicht einfach den Song anzeigen, sondern zwingt mich erst wieder zum händischen Herumsuchen? Wieso funktioniert das endlich auch für Android verfügbare Trueplay nicht auf Anhieb? In der Software treten eklatante Designschwächen zutage, die es bei einem derartigen Produkt aus dem höherklassigen Segment nicht geben dürfte. Fairerweise muss man aber auch dazusagen, dass viele Hersteller an der Begleit-App zu guter Hardware scheitern. Siehe den Test zur Sennheiser Ambeo Soundbar.

Wer damit leben kann und die Sonos Era 300 oder 100 so konfiguriert, dass man auf die App so weit wie möglich verzichten kann, bekommt großartige Speaker. Der Era 300 dürfte wahrscheinlich der beste WLAN-Lautsprecher mit Raumklang auf dem zugegeben noch recht überschaubaren Markt sein. Der Era 300 ist mit einem Preis von 499 Euro aktuell eine Investition in die Zukunft und die Hoffnung, dass die Streaminganbieter Apple und Amazon endlich Raumklang-Inhalte kennzeichnen.

Wer auf derartige Wetten verzichten kann und den schlanken und mit 279 Euro auch um einiges günstigeren Regallautsprecher sucht, macht mit dem Era 100 sicher nichts verkehrt, auch wenn der kleine Bruder weniger von der verführerischen Zauberkraft abbekommen hat als der Era 300. (Peter Zellinger, 16.4.2023)