Tareq Nazmi (als König Heinrich) und Tomasz Konieczny (als Telramund).

Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Jetzt heißt es also, Baba zu sagen zu Andreas Homokis Deutung des Lohengrin. Wirklich warm damit geworden ist das Wiener Publikum in den letzten zehn Jahren nicht. Der Regisseur und Intendant des Zürcher Opernhauses hat Brabant ins Alpenland verpflanzt, genauer: in einen holzverkleideten, fensterlosen Veranstaltungsraum.

Dort findet Lohengrin in einem unblutigen Geburtsakt Eingang in eine Gesellschaft mit hohem Lederhosen- und Dirndlaufkommen. Homokis Lohengrin in Lodengrün ist kein Geniestreich.. Aber wird man dieser Inszenierung vielleicht dennoch nachtrauern?

Ab April kommenden Jahres wird man an der Staatsoper stattdessen eine Salzburger Regiearbeit von Jossi Wieler und Sergio Morabito sehen, in der Richard Wagners romantische Oper als Krimi präsentiert wird. Zum Vorspiel entsorgt Elsa ihren Bruder, den Thronfolger Gottfried, in einem Kanal. Lohengrin wird als flapsiger Antiheld gezeichnet, der Elsa zur Ablenkung von ihrer Mordtat gerade recht kommt. Aber hat Wagner die Herzogstochter tatsächlich als Gewaltverbrecherin und den Gralsritter als unbedarften Nerd charakterisiert?

Südländische Glut

Omer Meir Wellber präsentiert den Lohengrin am Samstagabend mit südländischer Glut. Das schwebende Gralsmotiv zu Beginn lässt der Musikdirektor der Volksoper behände und mit körperlicher Sinnlichkeit musizieren, bar jeder Metaphysik; Wagners Utopismus der Reinheit geht dabei flöten. Das Staatsopernorchester spielt stimmungsstark und leidenschaftlich auf, nur der Beginn des dritten Aufzugs gerät etwas platt und gehetzt. Auch der agile Chor beglückt mit einer enormen emotionalen Bandbreite. Mitreißend das "Gesegnet soll sie schreiten" zur Hochzeit. Da muss es reichlich Proben gegeben haben.


Piotr Beczała in bester Verfassung als Lohengrin.

Bei Piotr Beczała ist jeder Ton glückbringende Perfektion, der glutvolle Lohengrin des Bayreuth-Erprobten passt zur leidenschaftlichen Lesart Wellbers. (Klaus Florian Vogt präsentiert die Titelpartie mehr als reine Unschuld vom Gralsritterlande.)

Als routinierte und etwas gleichförmige Elsa verleiht Camilla Nylund der Jungfrau eine mütterliche Komponente. Mehr scharfkantige Dämonie hätte man sich von Nina Stemmes Ortrud gewünscht, dringlich Tomasz Koniecznys Telramund, nobel Tareq Nazmis König Heinrich. Heftiger Jubel, nur bei Wellber einige Buhrufe. (Stefan Ender, 16.4.2023)