Mountainbike-Profi Stefan Schlie hat den Uphill Flow Trail im Trailcenter Wien mitgestaltet und zeigte bei der Eröffnung vor, wie man ihn richtig fährt.

Foto: Markus Frühmann / Bosch

Motor macht's möglich: Droppen mit nur einer Radlänge Anlauf.

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Einen Rockgarden bergauf in Angriff zu nehmen war eine neue, aber sehr witzige Erfahrung.

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An diesem Hindernis – den fünf Stufen hintereinander – scheiterte am Eröffnungstag selbst Meister Schlie.

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Mit der richtigen Technik sind auch solche Absätze bergauf problemlos fahrbar.

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Ganz oben warten noch spaßige Holzhindernisse wie diese Wippe, die 1990er-Feeling aufkommen lässt.

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Wien/Mauerbach – Drops, Rock Garden und Anlieger sind klassische Features, die man von Downhill-Mountainbikestrecken kennt. Im Trailcenter Wien kann man diese Hindernisse nun auch bergwärts unter die Stollen nehmen. Auf dem ersten eigens dafür gebauten Uphill Flow Trail im Wienerwald warten insgesamt sieben Technikpassagen auf ambitionierte E-Biker und -Bikerinnen. In Zusammenarbeit mit dem deutschen E-Motoren-Hersteller Bosch, der Begriff "Uphill Flow" stammt aus der Marketingabteilung des Unternehmens, wurden auf knapp 200 Höhenmeter allerlei Herausforderungen gebaut, die es mit der richtigen Fahrtechnik zu überwinden gilt.

Das STANDARD Video-Team hat den neuen Uphill Flow Trail ebenfalls getestet und berichtet hier darüber.

Wer immer noch meint, E-Bikes seien lediglich Aufstiegshilfen für Unsportliche, wird auf dieser Strecke eines Besseren belehrt. Bosch-Testimonial und mehrfacher MTB-Trial-Vizeweltmeister Stefan Schlie stand beim Trailbau als Berater zur Seite und hilft nun auch virtuell bei den sieben Technikpassagen mit praktischen Tipps. Denn mittels QR-Code kann an jeder Station ein kurzes Schulungsvideo aufgerufen werden, in dem Schlie die nötigen Fertigkeiten erklärt, die es braucht, um den Trail bestmöglich zu bezwingen. Zugleich weist der Deutsche darauf hin, wie man das Pouvoir seines E-Bikes bestmöglich nutzt.

Entdecken, was im E-Bike steckt

Auch beim Pressetermin anlässlich der Trail-Eröffnung war Schlie, der den Trail mitgestaltet hat, zugegen und leitete die Journalisten bei einer Testfahrt an. Die erste Station am Weg nach oben ist der sogenannte Boost Drop. Dieses Hindernis verdeutlicht, wie man den kraftvollen E-Antrieb nutzen kann, um etwa einen Drop zu springen, bei dem man nur eine Kurbelumdrehung Anlauf hat.

Dazu stellt man sich mit seinem E-Bike genau eine Radlänge hinter der Absprungkante auf und fährt mit dem "schlechten Fuß" zuerst an. Nach einer halben Kurbelumdrehung ist man an der Kante und kann nun kraftvoll mit dem "guten Fuß" ins Pedal treten, um ausreichend Kraft und Schwung für den Absprung zu erhalten. Nun nur nicht aufs Lenkerhochziehen vergessen, und schon "droppt" man mühelos über die Kante. Beim Boost Drop stehen zwei Höhenvarianten zur Verfügung, die kleinere auf der rechten Seite kann auch problemlos "überrollt" werden, sollte der Absprung nicht glücken.

Über Stock und Stein

Weiter geht es über den kurvig-flowigen Trail zur "Rock Line" – einem klassischen Steinfeld, wie man es vom Downhillen kennt. Nur dass es diesmal von unten nach oben geht. Und wie bergab ist auch hier Geschwindigkeit der Schlüssel, allerdings zeigt Schlie vor, wie man diesen nötigen Schwung ohne volle Kurbelumdrehungen am E-Bike erreichen kann. Denn gerade im verblockten Fels läuft man bei falschem Pedal-Management – so nennt man beim E-Biken die richtige Pedalstellung – Gefahr, den Schwung durch Aufsetzer am Untergrund zu verlieren. Daher empfiehlt sich im Rock Garden die Technik der kleinen Pedal-Anstupser, die am E-Bike schon genug Vortrieb liefern können, um selbst über große Felsstufen zu manövrieren.

Beim Praxistest waren für die meisten einige Versuche nötig, um in einem Zug durch die Rock Line zu gelangen. Der Parcours ist zudem so gebaut, dass es mehrere mögliche Linien mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden gibt. Schnell zeigte sich, dass diese spaßige Herausforderung den Ehrgeiz in den Bike-Journalisten weckte. Niemand wollte sich die Blöße geben, das Hindernis nicht zu schaffen. Dementsprechend lange dauerte es, bis alle die Felsen einmal durchfahren haben.

Wie Bouldern am Radl

Das Bergauf-Trialen über den Uphill Flowtrail ist mit der Boulderdisziplin im Klettersport vergleichbar. So wie man dort Technik üben kann, ohne den Faktor Höhe, der vielen Angst bereitet, so lässt sich hier Fahrtechnik ohne den für viele beängstigenden Faktor Geschwindigkeit trainieren. Und gelingt es nicht, setzt man einfach den Fuß ab und versucht es erneut. Die Sturzgefahr ist sehr gering, und passiert doch einer, so ist es meist nicht mehr als ein harmloses Umkippen.

Wie herausfordernd die neue Uphill Line im Trailcenter Wien ist, zeigte sich am "Stairway to the Top". Das ist eine Aneinanderreihung unterschiedlich hoher und unterschiedlich weit auseinander liegender Stufen, die es zu überwinden gilt. Vor allem das Set der letzten fünf, sehr steilen Stufen war erwies sich an diesem Eröffnungstag als unlösbar. Selbst Trial-Profi Schlie musste sich geschlagen geben. Durch den Regen waren die Rundhölzer an den Stufen zu feucht, sodass man einfach nicht genug Traktion auf Hinterrad brachte. Trotz zig Versuchen schaffte es niemand bis ganz oben.

Scheitern als Ansporn

Für Profiradler Schlie ein positives Scheitern, wie er erklärte: "Es ist gut, wenn die Line Herausforderungen bietet, die man nicht beim ersten Mal schafft. Das weckt den Spieltrieb." Er selbst kann sich auch nach Jahrzehnten im Sattel dank E-Bikes immer neu fürs Uphillen begeistern, wie er erzählte. Dass es heute immer noch Vorbehalte gegen diese Spielart des Mountainbikens gibt, quittierte er mit einem Schulterzucken: "Wer meint, das sei kein Sport, der kann sich gerne hier am Trail versuchen." Oben angelangt, so ist sich der Osnabrücker sicher, werde das niemand mehr behaupten.

Wie gekonnt sich ein über 20 Kilogramm schweres E-Mountainbike bewegen lässt, zeigte Schlie dann in den Flow-Passagen, wo er sein Bike nur am Hinterrad balancierend um die Kurve bewegte. Wie das geht, erklärte er mit Physik: Am Scheitelpunkt der Kurve muss die Pedalstellung so sein, dass man mit dem "guten Fuß" in Startposition ist und so richtig Druck machen kann. Dann schiebt das Rad aus der Kurve heraus nach oben und mit etwas Geschick fährt man schwungvoll nur am Hinterrad bergauf. Der ideale Social-Media-Angeber-Foto-Move, wie sich zeigte.

Holzspielplatz mit Nostalgiefaktor

Ganz oben warten zum Abschluss noch ein paar gezimmerte Northshores, also Holzhindernisse. Das mit Abstand lustigste Element ist die Wippe, die einen sofort in die wilden 1990er-Jahre zurückversetzt, als Skinnies und Co noch Alltag auf Trails waren. Auf der Wippe gilt es, sich langsam bis zum Kipppunkt vorzzutasten, um dann mitsamt dem Holzkonstrukt nach vorne abzusinken und wieder auf den Trail abzurollen. Ein sehr ungewohntes, aber überaus spaßiges Vergnügen. Im Anschluss bieten zwei steile Holzrampen noch einmal Gelegenheit, alles aus dem E-Bike rauszuholen, das der Motor hergibt.

Das Beste an einem Uphill Flowtrail ist, dass danach erst der Downhill wartet und somit doppeltes Vergnügen garantiert ist. Im Trailcenter Wien stehen neben der beschriebenen neuen Uphill Flow Line insgesamt elf Strecken in verschiedenen Schwierigkeitsgraden bergab zur Verfügung. Die unmittelbare Nähe Großstadtanbindung ermöglicht An- und Abreise ohne Auto oder Öffis, gerade für E-Biker. Das sei auch ein Hauptgrund dafür gewesen, wie man seitens Bosch erklärt, den ersten Uphill Flow Trail Österreichs in Wien zu bauen und nicht in einer alpinen Bikedestination. So können sich Wiener E-Biker wohnortnahe auf ihren Sommerurlaub im Hochgebirge vorbereiten und hier für das Abenteuer am Berg trainieren.

Natürlich kann der Uphill Flow Trail auch ohne Motorunterstützung in Angriff genommen werden. Allerdings ist das Traildesign auf E-Bikes ausgerichtet, und wer nicht unbedingt Wadeln aus Stahl hat, wird bei den einzelnen Passagen relativ schnell an seine physischen Grenzen stoßen. Wie anstrengend die Bergfahrt über den Parcours selbst mit Motor ist, zeigte sich nach der ersten Proberunde. Wer das nicht glauben kann, dem sei der Selbstversuch empfohlen. Es macht wirklich sehr viel Spaß. (Steffen Kanduth, 17.4.2023)