Auch am zweiten Verhandlungstag im "BVT-Prozess" mussten die audiovisuellen Medien vor dem Großen Schwurgerichtssaal warten.

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Wien – "Wenn ich nicht gerade vor Gericht sitze, mache ich weiter meinen Job", stellt der Beamte aus dem Bundesamt für Asyl und Fremdenwesen (BFA) gegenüber dem Schöffensenat unter Vorsitz von Petra Schindler-Pecoraro klar. Er ist der Viertangeklagte im "BVT-Prozess" um die geheimdienstliche Operation "White Milk". Bei dieser verschaffte im Jahr 2015 das damalige Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) gemeinsam mit dem israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad einem syrischen General, der ein Gefängnis leitete und dort Kriegsverbrechen begangen haben soll, Asyl in Österreich.

Hierarchiekette auf der Anklagebank

Aus Sicht der Anklagebehörde, der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), war das aber Amtsmissbrauch. Denn der Soldat befand sich damals bereits in Frankreich im Asylverfahren, Österreich hätte das Prozedere daher gar nicht übernehmen dürfen. Fünf Männer wurden angeklagt, wie schon am ersten Prozesstag sind nur vier im Großen Schwurgerichtssaal erschienen. Denn der ehemalige BVT-Abteilungsleiter Martin W. soll erkrankt sein. Übrig bleiben also: ein Referatsleiter, der W. untergeben war, ein wiederum unter dem Referatsleiter rangierender Gruppenführer sowie dessen Untergebener. Und eben der Asylbeamte.

Der zweite Verhandlungstag beginnt zäh, da der Senat nach dem Antrag von Verteidigern über den Ausschluss der Öffentlichkeit entscheiden muss. Die Anwälte sehen die nationale Sicherheit gefährdet. WKStA-Vertreterin Ursula Schmudermayer spricht sich dagegen aus: Dass Hauptverhandlungen in der Öffentlichkeit stattfinden, sei ein hohes Gut, über den Fall selbst werde seit 2018 in den Medien berichtet.

Gericht lehnt Ausschluss der Öffentlichkeit ab

Fast eineinhalb Stunden berät der Senat, ehe der Antrag abgewiesen wird. Möglich seien höchstens temporäre Ausschlüsse bei einzelnen heiklen Fragen, begründet die Vorsitzende. Sie beginnt mit dem Viertangeklagten aus dem BFA. Der wurde am 6. Mai 2015 vom Drittangeklagten telefonisch kontaktiert. Dieser wollte wissen, wie man für den General Asyl bekommen könnte. Der Viertangeklagte antwortete wenige Minuten später mit einer von ihm nun selbst so bezeichneten "berüchtigten Mail", die aus Sicht der WKStA ein schlagender Beweis ist. Schrieb er doch, dass bei Fristenablauf, also "wenn der Akt zwei Monate liegen bleibt", Österreich automatisch zuständig sei.

Vor Gericht stellt dies der Angeklagte nun als missverständliche Formulierung dar. In einfachen Worten zusammengefasst argumentiert er so: Er habe dem BVT-Beamten nur diverse Möglichkeiten aufgezeigt. Dass sich Polizeidienststellen an ihn wandten, sei nicht ungewöhnlich gewesen, er ging also davon aus, dass der Staatsschutz schon einen Grund haben werde, den General nach Österreich zu holen. Mittlerweile sei dem Syrer seines Wissens nach das Asyl aberkannt worden, er werde aber weiter geduldet, da er nicht in seine Heimat abgeschoben werden könne.

"Logischer und rechtmäßiger Weg"

Aber, erklärt der Viertangeklagte weiter: Er habe seinem BVT-Gegenüber 2015 zu verstehen gegeben, dass sich dieser an die nächsthöhere Dienststelle im Asylbereich zu wenden habe. Erst wenn sein Direktor ihm das Okay gebe, könne das Verfahren überhaupt starten. "Das war der logische und rechtmäßige Weg."

Tatsächlich kann sein Verteidiger wohl zur Überraschung der WKStA-Vertreter eine Mail vom 13. Oktober des Vorjahres vorlegen, in der sowohl diese vorgesetzte Stelle als auch die Personalabteilung des Innenministeriums bestätigen, dass seine Handlung "nicht nur nicht rechtswidrig, sondern absolut rechtmäßig war". Auch das Kabinett von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) habe das so gesehen. Und während gegen ihn ermittelt wurde, habe er vom Bundespräsidenten eine hohe Auszeichnung erhalten.

Unterschiedliche Geheimhaltungsstufen

Für den Zweitangeklagten hatte die Sache Konsequenzen: Der Ex-BVT-Gruppenführer ist nun anderswo im Innenministerium tätig, wie er Schindler-Pecoraro berichtet. Er beruft sich darauf, seinen Vorgesetzten vertraut zu haben, dass alles rechtmäßig sei. Einen interessanten Einblick in den BVT-Zustand im Jahr 2015 bietet er dennoch: Wie sich herausstellt, hatte er nur eine Freigabe für Akten der Geheimhaltungsstufe "Geheim", während sein Untergebener, der Drittangeklagte, als "Streng geheim" klassifizierte Fälle behandeln durfte.

Warum er dann dennoch in der "streng geheimen" Operation involviert war und sogar nach Paris zu einem Treffen mit dem Mossad und einem französischen Nachrichtendienst mitflog? Die Stufen hätten sich nur auf die Bearbeitung von und Einsicht in Akten bezogen, bei Besprechungen seien sie nicht relevant gewesen, lautet die überraschende Erklärung.

Am Dienstag wird fortgesetzt. (Michael Möseneder, 17.4.2023)