Er ist da. Der neue Moskwitsch wird gefeiert. Gerade werden die rot-weißen Luftballons aufgehängt, die die Kunden willkommen heißen. Der Autosalon am Stadtrand von Moskau war früher der örtliche VW-Händler, der Verkäufer, der uns den neuen Moskwitsch zeigt, trägt noch das VW-Abzeichen am Revers. Und eigentlich ist der Moskwitsch auch kein russisches Auto, sondern ein chinesischer SUV. Original russisch ist lediglich der Schriftzug auf der Fronthaube.

Alexander war früher Berufskraftfahrer, ist russische, europäische und japanische Autos gefahren. Jetzt will er für den STANDARD das neue Fahrzeug testen. Sein erster Eindruck: "Das Auto macht insgesamt einen angenehmen Eindruck. Es ist sehr sparsam in der Stadt, der Kraftstoffverbrauch beträgt aufgrund des ökonomischen Motors sieben bis acht Liter. Und das ist sehr gut."

In einem früheren VW-Autosalon wird nun der Moskwitsch verkauft.
Foto: Jo Angerer

Den neuen Moskwisch gibt es als Benziner mit Automatik oder Handschaltung, er kostet rund 24.000 Euro. Geplant ist auch ein Elektroauto für 41.000 Euro. Vorgestellt wurde der Moskwitsch vergangenen November. Die Endmontage der chinesischen Bauteile findet im ehemaligen Renault-Werk vor den Toren Moskaus statt. Renault hatte sich aus dem russischen Markt zurückgezogen. 40.000 Arbeitsplätze soll die Produktion des neuen, russischen Volkswagens schaffen. So der Plan. Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin setzt vor allem auf Stromer. "Es gibt immer mehr Elektrofahrzeuge auf den Straßen von Moskau. Das ist die Zukunft einer Großstadt, sowohl in technologischer als auch in ökologischer Hinsicht."

Skeptische Kunden

Was den Moskwitsch betrifft, sind die Autokäufer in Russland eher skeptisch. Erst rund 100 Autos wurden bislang in Moskau verkauft. Alles, was aus China komme, sei von schlechter Qualität, denken viele. Denis Eremenko, Direktor des Autohändlers Podbor Auto, setzt dem entgegen: "Die chinesische Autoindustrie verlässt unseren Markt nicht, es gibt keine Probleme mit Ersatzteilen, daher steigt das Interesse an Autos aus dem Reich der Mitte."

Ist der Moskwitsch von schlechter Qualität? Der Innenraum ist in schlichtem Plastik gehalten. Es gibt eine Klimaautomatik, sechs Lautsprecher, eine Rückfahrkamera und einen Touchscreen. Das Auto hat ein stufenloses Automatikgetriebe, das Alexander allerdings etwas "hakelig" empfindet. Gesamteindruck: "Japanische Autos kosten viel mehr. Dieses Auto hat ein niedrigeres Preisniveau. Aber das Verhältnis von Preis und Qualität ist in diesem Fall ausgewogen."

Ein ehemaliger Berufslenker gibt dem neuen Moskwitsch nach einer Testfahrt keine Höchstpunkte. Vom Erfolg der wiederbelebten russischen Kultmarke ist er nicht überzeugt.
Foto: Jo Angerer

Der neue Moskwitsch ist auch ein Beispiel für die Umgestaltung Russlands in eine Art Sowjetunion 2.0. Denn der Name hat Tradition. Die ersten Moskwitschs liefen ab 1947 vom Band. Schon damals steckte wenig Sowjetisches in diesem Auto, das Kult wurde. Eigentlich war der Moskwitsch ein deutscher Opel Kadett. Bis 1998 wurden fünf Millionen Moskwitschs hergestellt. Dann ging die Produktion zurück, 2010 war Schluss. Nun also soll ein neuer Moskwitsch Kult werden, diesmal nicht abgekupfert aus Deutschland, sondern ein Auto aus China.

Größter Handelspartner

Das Reich der Mitte ist inzwischen Russlands größter Handelspartner, das Handelsvolumen belief sich 2022 auf etwa 185 Milliarden US-Dollar, das jährliche Wachstum in den vorangegangenen zwei Jahren betrug rund 30 Prozent. Beim jüngsten Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Moskau wurden Wirtschaftsprojekte vereinbart. China kann Konsumgüter liefern, die Russland wegen der Sanktionen nicht mehr aus dem Westen bekommt. Russland will mehr Gas und Öl ins Nachbarland exportieren. Und Handelsrouten ausbauen.

Prognose angehoben

"Die russische Wirtschaft entwickelt sich im Rahmen des neuen Wachstumsmodells aktiv", zitiert die Zeitung Kommersant Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow geht davon aus, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um mehr als 0,1 bis 0,2 Prozent wächst. Die offizielle Prognose stand bisher bei einem Minus von 0,8 Prozent. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) hat die Prognosen für Russland im laufenden Jahr angehoben. Statt 0,3 Prozent Wachstum erwarten die Experten nun ein Plus von 0,7 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt. Gleichzeitig wurde die Prognose für das nächste Jahr allerdings von plus 2,1 auf plus 1,3 Prozent gekappt.

Ob allerdings der neue Moskwitsch ein Erfolgsmodell wird? DER STANDARD-Autotester Alexander ist diesbezüglich skeptisch. "Dem neuen Moskwitch würde ich von fünf möglichen Punkten vier geben", so sein Gesamturteil. Doch ihm ist ein Neuwagen einfach zu teuer. Lieber würde er einen gebrauchten Japaner kaufen. (Jo Angerer aus Moskau, 18.4.2023)

Anmerkung: Berufskraftfahrer Alexander hat von einem ökonomischen Motor gesprochen, nicht von einem ergonomischen. Das wurde im Text korrigiert.