Rached Ghannouchi wurde festgenommen.

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Tunis – In Tunesien hat die Polizei den führenden Oppositionspolitiker Rached Ghannouchi festgenommen. Der Vorsitzende der größten Partei des Landes, der islamistischen Ennahda, wurde Montagabend festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht, teilte seine Partei mit. Ein ranghoher Polizeibeamter sagte, Ghannouchi sei zum Verhör vorgeladen und sein Haus durchsucht worden. Die Staatsanwaltschaft ermittle gegen ihn wegen "aufrührerischer Äußerungen".

Mit der Festnahme Ghannouchis hat die Verhaftungswelle von Oppositionellen einen neuen Höhepunkt erreicht. Treibende Kraft ist Präsident Kais Saied. Er hatte 2021 das Parlament entmachtet und die Regierung durch von ihm ausgesuchte Minister ersetzt. Zudem hat er die Befugnisse des Präsidenten vergrößert, so dass fast alle Macht in seinen Händen liegt. Seine Gegner befürchten, Saied wolle den letzten demokratischen Staat in Nordafrika in eine Autokratie verwandeln und die demokratischen Errungenschaften der Revolution des arabischen Frühlings vom Jahr 2011, der in Tunesien seinen Anfang nahm, zurückschrauben.

Der 81-jährige Ghannouchi war in den 1980er-Jahren ein politischer Gefangener und ging in den 1990er-Jahren ins Exil. Während der Revolution in Tunesien 2011 kehrte er in seine Heimat zurück. Unter seiner Führung bewegte sich Ennahda in Richtung der politischen Mitte und trat mehreren Regierungskoalitionen mit säkularen Parteien bei. Nach den Wahlen 2019 wurde er Parlamentspräsident. (APA, Reuters, 17.4.2023)